Karawane

Karawane
Stephen Goldin
Es sind die 1980er Jahre in einer alternativen US-Welt. Die US-Gesellschaft ist unter Lebensmittel- und Treibstoffknappheit, Rassenunruhen und einer Reihe weiterer Probleme zusammengebrochen. Eine Gruppe von Leuten hat vor zu einem anderen Planeten zu fliehen und eine neue Welt zu gründen... sollten sie es schaffen, sicher durch das Land zu kommen und Treibstoff zu stehlen und Banditen abzuwehren, bevor das Raumschiff losfliegt.
Es sind die 1980er Jahre in einer alternativen US-Welt. Die US-Gesellschaft ist unter Lebensmittel- und Treibstoffknappheit, Rassenunruhen und einer Reihe weiterer Probleme zusammengebrochen. Eine Gruppe visionärer Leute hat vor zu einem anderen Planeten zu fliehen und eine komplett neue Welt zu erschaffen. Aber zuerst müssen sie sicher quer durchs Land — indem sie untewegs Treibstoff stehlen und Banditen abwehren müssen— in der Hoffnung, dass Raumschiff zu erreichen bevor es für immer abhebt.



KARAWANE
Ein Roman von
Stephen Goldin

Veröffentlicht von Parsina Press (http://www.parsina.com)

Übersetzung veröffentlicht von Tektime
Caravan Copyright 1975 Stephen Goldin Alle Rechte vorbehalten
Originaltitel: Caravan
Übersetzer: Amaar Hassan

Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 (#ud575082f-777e-553c-9a1c-32f9d49acafe)
Kapitel 2 (#u6f88f456-d15e-5728-ada1-42c823225cfb)
Kapitel 3 (#ub1df63ae-e56e-549a-b2cb-726d6e9f6591)
Kapitel 4 (#litres_trial_promo)
Kapitel 5 (#litres_trial_promo)
Kapitel 6 (#litres_trial_promo)
Kapitel 7 (#litres_trial_promo)
Kapitel 8 (#litres_trial_promo)
Kapitel 9 (#litres_trial_promo)
Kapitel 10 (#litres_trial_promo)
Kapitel 11 (#litres_trial_promo)
Kapitel 12 (#litres_trial_promo)
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Kapitel 1
WASHINGTON- Internationale Meetings eröffneten hier am Montag mit gedrückter und verzweifelter Stimmung aufgrund gestiegener Ölpreise und einer drohenden Weltwirtschaftskrise.
Der geschäftsführende Direktor des internationalen Währungsfonds, H. Johannes Witteveen, sagte eine weltweit anhaltende Rezession und Inflation, sowie noch nie da gewesene finanzielle Belastungen voraus.
Der Präsident der Weltbank, Robert. S. McNamara, sagt eine Hungerepidemie in den armen Ländern voraus, von der insgesamt eine Milliarde Menschen betroffen sein wird, außer die Industrie- und Erdölexportierenden Nationen erhöhen ihre Entwicklungshilfe drastisch - ein Schritt, den wahrscheinlich nur sehr wenige dieser Länder machen werden.

Los Angeles Times
Dienstag, 1.Oktober 1974

* * *

Wir stehen am Rande des Abgrundes und fordern die Schwerkraft heraus uns in die Tiefe zu stürzen. Der Boden ist nicht zu sehen, weil wir so weit nach oben geklettert sind, dass wir ihn aus den Augen verloren haben. Es ist nichts derartig triviales wie eine Rezession; sogar die große Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre würde im direkten Vergleich blass wirken. Was wir erblicken, wenn wir den Abgrund hinab blicken, ist nichts weniger als die komplette Zerstörung unserer gegenwärtigen Zivilisation- und die meisten von uns haben aufgrund ihrer Höhenangst ihre Augen verschlossen.
Wenn man einen Hügel ein kleines Stück weit erklimmt und ausrutscht, wird man sich wahrscheinlich nicht sehr dabei wehtun. Ein Fall aus größeren Höhen aber kann tödlich sein. Wir sind den Hügel des Fortschrittes aber bereits so weit heraufgestiegen, dass uns ein Fall so zerbrechen würde, wie ein Glas, das vom Mount Everest fallen gelassen wird.

Peter Stone
World Collapse

***

Auf dem Schild über dem Schalter stand “Granada Hills Sicherheitscheckpoint”, aber das täuschte nicht über die Tatsache hinweg, dass es sich bei diesem Gebäude um einen verlassenen Supermarkt am Rande eines Einkaufzentrums handelte. Ein Gang nach dem anderen mit nackten Regalen gab stummes Zeugnis über die schlimmen Zeiten ab, die über die Gemeinde hereingebrochen sind. Tatsächlich erschien Peter die leere Höhle, die das Gebäude darstellte, als ein Symbol für den Zusammenbruch der gesamten Zivilisation.
Der Wachmann hinter dem Schalter schaute ihn mit Verdacht an. Peter wusste nicht viel über Schusswaffen, aber die Waffe über der Schulter des Wachmannes erschien ihm groß genug eine Herde wütender Elefanten aufhalten zu können. Peter räusperte sich nervös und klärte seinen Hals. “Ich… Ich möchte Ihrer Gemeinschaft beitreten, wenn das möglich ist” sagte er. “Ich bin 32 und ein guter Arbeiter. Ich kann fast alles erledigen, was erledigt werden muss”.
Der finstere Gesichtsausdruck des Wachmannes war skeptisch. “Wie haben Sie gesagt war Ihr Name nochmal?”
“Peter Smith,” log er. Sein eigener Nachname, Stone, hatte über die Jahre zu viel an negativer Bedeutung gewonnen und er nannte ihn daher auch niemandem mehr. Er hatte auch so schon genug Schwierigkeiten unbemerkt durchzukommen, ohne sich weiter vorstellen zu müssen.
“Smith, was? Kann irgendjemand in Granada Hills für Sie bürgen?”
“Ähm, nein, ich bin gerade angekommen. Ich bin seit den letzten paar Monaten mit dem Fahrrad von San Francisco aus unterwegs und hier schien mir ein guter Ort mich niederzulassen”.
s”Wie stehen die Dinge dort oben?”
“Schlecht,” sagte Peter. “Es ist an der ganzen Küste entlang schlecht. Von dem was ich so gesehen habe, ist es bei Ihnen in der Gegend durchschnittlich”.
Der Wachmann grunzte. “Es tut mir Leid, Herr Smith, dass wir Sie hier nicht aufnehmen können. Wir haben schon genug Leute bei uns, ohne dass wir Fremde aufnehmen. Es gibt viele die arbeiten wollen, aber nur begrenzte Ressourcen um alle zu ernähren, wenn Sie verstehen was ich meine.”
“Sicher,” Peter nickte. Die Geschichte war ihm nur allzu bekannt. “In diesem Falle frage ich mich, ob ich Ihnen etwas Essen abkaufen könnte. Ich habe Geld—”
“Granada Hills betreibt Tauschgeschäfte bis der Geldhandel wieder funktioniert. Sollten Sie nichts anderes haben, dann haben Sie Pech. Haben Sie Munition, Batterien, Kerzen, Werkzeuge oder Kupferdraht?” Peter schüttelte seinen Kopf. “Was ist mit ihrem Fahrrad?” Wir können immer ein weiteres Fahrrad gebrauchen.”
“Tut mir Leid, ich brauche es selbst. Es ist nicht unbedingt sehr sicher zu Fuß; das Fahrrad gibt mir zumindest einen kleinen Vorteil.”
Der Wachmann nickte. “Es ist nicht einfach, das stimmt. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals den Tag erleben würde, an dem uns sowas passiert.”
“Hören Sie, gibt es hier irgendwo einen Ort, wo mein Geld akzeptiert wird?” Die Sonne war am sinken und Peter wollte irgendwo vor Nachteinbruch unterkommen. Er hatte in letzter Zeit zu viele schreckliche Erfahrungen im Dunkeln gemacht.
“Versuchen Sie es mit San Fernando; das Letzte was ich hörte war, dass sie immer noch Geld annehmen. Nehmen Sie sich aber vor denen in Acht — das ist ein ziemlich angriffslustiger Haufen dort.”
“Wie komme ich dort hin?”
“Nehmen Sie diese Straße da, Balboa, und fahren Sie ungefähr eine Meile nördlich zum San Fernando Mission Boulevard und dann ein paar Meilen Richtung Osten. Sie können es nicht verfehlen.”
“Danke.” Peter schob gerade sein Fahrrad aus dem Supermarkt raus.
“Viel Glück”, rief ihm der Wachmann nach. “Auch für alles Gold in Fort Knox würde ich jetzt kein Stoner sein wollen.”
Peter fragte sich gedankenverloren, ob es noch Gold in Fort Knox gäbe. Wahrscheinlich gibt es das noch, kam er zu dem Entschluss; Gold war im Moment nicht sonderlich stehlenswert. Die Leute hatten andere, dringendere Bedürfnisse wie Essen, Wasser, Treibstoff und Strom. Wahrscheinlich, dachte er sich, versucht die US-Regierung tapfer so weiterzumachen, als ob nichts ungewöhnliches passieren würde. Sie beschützt wahrscheinlich auch das Gold, und den vermeintlichen Reichtum den es darstellt ,wie ein jungfräulicher Dinosaurier ein Nest unbefruchteter Eier. Und wenn sie überhaupt an den Zusammenbruch denken, dann geben sie wahrscheinlich mir die Schuld dafür — als ob ich was anderes wäre als der Überbringer der Hiobsbotschaft.
Die Karriere als Prophet des Unterganges ist undankbar.
Als er mit seinem Fahrrad den Balboa Boulevard entlang fuhr, schaute sich Peter um und versuchte sich vorzustellen, wie die Nachbarschaft wohl vor 10 Jahren ausgesehen haben mag, bevor der Kollaps sich richtig entfaltete. Zu seiner Linken befanden sich ein weiteres Einkaufszentrum und ein großes Gebäude, welches einem Schild nach mal ein Krankenhaus war; momentan wurde es als Wohnhaus benutzt. Zu seiner Rechten befanden sich Wohnungen, die auch als solche entworfen wurden. Sie waren mal luxuriös, aber jetzt waren sie nur noch heruntergekommen und hässlich. Müll der nicht verbrannt werden konnte, wurde draußen weggeschmissen, säumte die Straßen und erzeugte einen unangenehmen Geruch.
Er kam an einem weiteren verlassen Supermarkt vorbei als er die Chatsworth Straße überquerte und fuhr weiter Richtung Norden. Auf beiden Seiten befanden sich Häuser, sogenannte Ticky-Tacky Würfel, die einmal sehr beliebt waren bei den vorstädtischen Gemeinden. Sie besaßen kleine Grünflächen, die jetzt Gärten waren und keine Wiesen— Kopfsalat, Radieschen, Tomaten und Melonen schienen sehr beliebt zu sein. Die Gärten waren umzäunt—und einige dieser Zäune, bemerkte er, waren Leitplanken, die normalerweise die Freeways in der Mitte trennten. Ein Stoppschild war in einem Garten aufgestellt und in zerfetzten Kleidungsstücken eingehüllt worden und sollte eine provisorische Vogelscheuche darstellen. Es schien auch, dass einige Häuser niedergerissen wurden, um Platz für Maisfelder zu machen. Die grünen Stängel wogten stolz in der Brise.
Hunde streunten auf den Straßen und patrouillierten vor den Häusern. Sie bellten ihn an, als er vorbeifuhr, machten sich aber nicht die Mühe ihm hinterherzujagen, als sie bemerkten, dass er keine Bedrohung für die Gärten ihrer Herrchen darstellte. Es gab einige Ziegen die rumstanden und auch eine große Anzahl an Hühnern, aber Peter konnte keine freilaufenden Katzen erblicken- sie und Kaninchen würden wohl wahrscheinlich eingesperrt und als Nahrungsmittel verwendet werden. Haustiere waren ein Luxus, den man sich nicht mehr leisten konnte. Auch Vögel waren selten; die Kinder der Nachbarschaft werden ohne Zweifel an ihrer Zielfertigkeit mit der Schleuder gearbeitet haben.
Peter fragte sich, was es war, dass ihn immer dazu brachte in Stadzentren rumzuhängen. Städte, das wusste er, waren Todesfallen, die reif waren in der nahen Zukunft an ihrem eigenen Gewicht zu kollabieren und egal wen es dann erwischte, er würde das gleiche Schicksal erleiden Es war die relativ geringe Anzahl an Leuten, die auf dem Land lebten, denen es am besten gehen würde, obwohl sie wahrscheinlich auch gezeichnet sein werden. Jede vernünftige Person sollte es eigentlich begreifen und versuchen sich ein Stück Ackerland zu sichern, bevor das komplette Chaos auf das Land übergreift. Aber Peter war, und war es auch immer, ein Stadtjunge, der von den Städten angezogen wurde, obwohl er wusste, dass es jeden Moment seinen Tod bedeuten könnte.
Mein Problem ist, kam er zu dem Entschluss, dass ich gute Ratschläge erteile, aber wie jeder andere auch, ich mich weigere sie zu befolgen.
Aber vielleicht war es auch damals schon zu spät etwas zu unternehmen, als vor sieben Jahren sein Buch erschien und die Debatten anheizte. Die globalen Kräfte, die er bereits davor vorhergesagt hatte, arbeiteten schon an der Zerstörung der Zivilisation. Die Materialknappheit wurde bereits in den 1970er Jahren spürbar, aber die Reihe an kleinen Krisen eskalierte vor sich hin, ohne dass irgendwelche ernst gemeinten Gegenmaßnahmen getroffen wurden. Die Gespaltenheit der Gesellschaft, in der verschiedene Gruppen gegeneinander auftraten, hat der Menschheit den notwendigen Zusammenhalt entzogen, um ihre Probleme anzugehen. Inflation verkrüppelte die Wirtschaft und Streiks schwächten das Vertrauen der Menschen in das Vorhersehbare.
Es wurden vorher bereits schon viele Bücher darüber geschrieben, dass die Zustände kurz vor Ende des 20. Jahrhunderts kritisch sein würden; sie wurden alle als Untergangsrufe abgetan und als überaus pessimistisch von der großen Mehrheit der Leute eingestuft und auch abgelehnt. Diese Leute behielten den naiven Glauben in die Fähigkeiten der Menschheit wie ein Phönix aus seiner eigenen Asche auferstehen zu können. Und dann erschien World Collapse mit den zu seiner Zeit stärksten und furchteinflößendsten Argumenten. Der damals 25-jährige Peter Stone bewies ohne jeglichen Zweifel, dass die Zivilisation in ein paar Jahren verdammt sein würde, sollten nicht sofort radikale Maßnahmen getroffen werden. Er erläuterte diese Maßnahmen sogar: obligatorische Sterilisierung, verpflichtende Geburtenkontrolle, sofortige Verteilung des Wohlstandes, sofortige Dezentralisierung der Gesellschaft, ein Ende der Einfamilienbehausungen, ein Ende der Haltung von Tieren als Haustiere, welche nicht zum Verzehr gedacht sind , eine erzwungene Verteilung der Bevölkerung, um eine gleichmäßige Bevölkerungsverteilung herzustellen, strenge Essens- und Wasserrationierung, eine komplette Übernahme der Industrie und Arbeit durch die Regierung, komplette Kontrolle der Regierung über das Transportwesen und ein milliardenschweres Sofortprogramm für landwirtschaftliche Nutzung und Kolonialisierung der Meeresböden.
Es war, für ihn zumindest, erstaunlich wie er 95% des Landes praktisch über Nacht gegen sich aufbringen konnte. Während einige Intellektuelle ihn als “das größte Genie unserer Zeit” bejubelten, war das Netteste was einige Leute über ihn sagen konnten “dieser verdammte Sozialist.” Einige waren überzeugt, dass er, nur weil er die offensichtliche Wahrheit aussprach, die Wiedergeburt des Teufels sei. Aber das Buch verkaufte sich millionenfach. Peter dachte, dass es ironisch war, dass sein Buch einer der letzten Bestseller sein würde; kurz nachdem der zwanzigste Druck des Buches erschien, gingen die meisten Druckgewerkschaften in den Streik. So weit Peter wusste, waren sie immer noch am streiken.
Er sammelte Ruhm und Reichtum an, als beides bereits schnell an Wert und Reiz verlor. Er trat bei mehreren TV- Talk Shows auf und erklärte und debattierte seinen Glauben, dass die Zivilisation, nicht nur in den USA, sondern weltweit, am Bröckeln war. Er sagte den Leuten immer wieder, dass er seine Lösungen auch nicht mochte, aber dass drastische Taten folgen müssten, damit ein noch schlimmeres Schicksal abgewendet werden kann. Aber niemand hörte zu. Seine Gegner nannten ihn einen Opportunisten, der Geld an den Problemen und Katastrophen der Welt verdient. Er wurde als Bösewicht, Extremist und Verräter dargestellt.
In der Zwischenzeit wurde alles was er vorausgesagt hatte Wirklichkeit. Die Streiks der Stadtangestellten brachten die städtischen Dienstleistungen zum Zusammenbruch. Die Treibstoffknappheit, welche er vorhersagte, wurde noch akuter durch den finalen Israelkrieg, welcher 93% der arabischen Ölfelder zerstörte. Die Welt wurde über Nacht mit ihrer schlimmsten Energiekrise konfrontiert. Da kein Strom mehr vorhanden war, verschwanden auch nach und nach die Radio- und Fernsehsender aus dem Äther. Und ohne Treibstoff konnten die Lastwagenfahrer Materialien, Versorgungsgüter und Fertigerzeugnisse nicht mehr mit der gewohnten Effizienz transportieren. Die Versorgungslage bei allen Gütern war knapp und wurde immer knapper. Die Versorgungslage bei Kommunikation, Transport und Verteilung- den “großen Drei”, die Peter in seinem Buch aufführte — wurde von Tag zu Tag schlimmer.
Peter bog in den San Fernando Mission Boulevard ein und fuhr weiter. Telefonmasten standen sporadisch am Straßenrand; die meisten aber wurden auf der Suche nach Feuerholz abgehackt. Als er an den Häusern vorbeifuhr, sah er Leute in ihren Gärten arbeiten. Sie würden sich wahrscheinlich mit Kleinigkeiten aufhalten, bis die Wasserversorgung eines Tages zusammenbricht. Peter erschauderte, als er über die Panik nachdachte, die sich unbemerkt unter der Oberfläche aufbaute, wie ein böser Flaschengeist, der nur auf den Tag wartet, an dem er mit Sicherheit freigelassen wird.
Er fuhr unter einer Freewayüberführung durch, überquerte eine Hauptstraße und gelangte schließlich an einem Ort, welcher einst ein Park war Er war drei Blocks lang und einen Block breit. Man hatte hier ebenfalls versucht Mais anzubauen, aber der Versuch wurde von der Masse der Menschen die herzog, durchkreuzt. Der Park war übersät von alten, kaputten Autos, die die Leute in den Park geschoben hatten und jetzt als Quartiere benutzten. Zuerst wunderte sich Peter darüber, wieso sie sich überhaupt die Mühe gemacht hatten — an Unterkunftsmöglichkeiten herrschte momentan am wenigsten Mangel. Dann aber sah er was sich auf der anderen Straßenseite gegenüber des Parks befand.
Es war die San Fernando Mission, eine der Missionierungseinrichtungen, die im 18. Jahrhundert von Pater Juniperro Serria errichtet wurden und später als El Camino Real bekannt wurden. Als eine katholische Kirche stellte es heute eine der wenigen Organisationen dar, die noch funktionierten. Die Mission agierte als Essensausgabezentrum und fütterte wahrscheinlich Notleidende im Rahmen ihrer Wohltätigkeitsarbeit. Diese Wohltätigkeitsarbeit hat zu der Menge an armen Leuten geführt, die in den Park auf der gegenüberliegenden Straßenseite ihre Lager aufschlugen.
Peter hegte gemischte Gefühle gegenüber Kirchen. Da er selbst nicht religiös war, tendierte er dazu ihnen zu misstrauen. Es stimmt, sie leisteten gerade sehr gute Arbeit und boten nicht nur vorübergehende Fürsorge an— wie zum Beispiel Essensverteilung — sondern kümmerten sich auch um die spirituellen Bedürfnisse der Menschen und halfen auch dabei die Stimmung hoch zu halten. Als die Situation sich allmählich verschlechterte, wandten sich die Menschen immer mehr der Religion als Trostquelle zu. Das war alles schön und gut, aber Peter konnte nicht anders als sich daran zu erinnern, wie die mittelalterlichen Kirchen sich in einen gigantischen Monolithen verwandelte, der den Verstand betäubte und Aberglaube förderte und erbarmungslos jegliche Individualität unterdrückte. Sollte die Menschheit sich wieder erheben und zahlenmäßig wachsen, dann wäre die Freiheit der Gedanken ein absolutes Muss. Peter befürchtete, dass die Kirchen nur auf kurzer Sicht Linderung erzeugten, aber auf langer Sicht Unterdrückung lieferten.
Er hielt vor der Mission an und stieg vom Fahrrad. Das sah nach der besten Aussicht auf einen Schlafplatz für heute Nacht aus. Er könnte in der Mission essen und sich dann an die Wand lehnen und die ganze Nacht durchschlafen. Die Nächte in Los Angeles konnten richtig kühl werden, waren aber normalerweise nicht unerträglich kalt. Einige seiner wenigen Besitztümer — abgesehen von Geld, was nur ab und zu nützlich war — war die zusammengefaltete Decke in seinem Rucksack. Das würde reichen, um ihn heute Nacht zu wärmen.
Er schob gerade sein Fahrrad in Richtung Mission, als er bemerkte, dass an der westlichen Gebäudeseite etwas vor sich ging. Ein schwarzer Mann mit einem Motorrad wurde von einer Gruppe weißer Jugendlicher belästigt.
“Ich glaube er ist aus Pacoima”, sagte einer der Rowdys. “Kommt her um uns auszuspionieren, um herauszufinden, wo unsere Schwachstellen sind. Wahrscheinlich wollen er und seine Freunde uns heute Nacht überfallen und unseren Treibstoff klauen. Komm schon, Neger, woher hast du das Motorrad?”
Der Schwarze war jung, groß und hager; in besseren Zeiten hätte er ein College Basketballspieler sein können. Er hatte ein rotes Tanktop Shirt und blaue Hosen und trug ein rotes Bandana um seine Stirn. Er hatte einen tiefschwarzen Ziegenbart, einen Schnurrbart und als Frisur hatte er kurze, lockige Haare. Er strahlte große Würde aus. “Fasst das Motorrad an,”sagte er, “und ich werde die Gettysburgansprache in euren kleinen, weißen Ärsche ritzen.” Seine Stimme war so leise, dass sie kaum hörbar war, aber sie strahlte dennoch Macht aus.
Die Bande war für einen Moment überrascht, aber dann lachten sie nervös. Sie waren 9 zu 1 in der Überzahl. “Wer glaubst du, bist du, Nigger, dass du hier vorbeikommen und Befehle erteilen kannst?” fragte der Anführer und kam einen Schritt näher. Der Rest der Bande tat das Gleiche.
Mit einer schnellen Geste langte der Fremde in seine Hosentasche und zog ein Klappmesser heraus und öffnete die Klinge. Seine Hand bewegte sich vor ihn in einem Kreis und erzeugte die Wahrnehmung, als ob die Klinge von selbst schweben würde. “Keine Befehle”, sagt er. “Nur guten Rat.”
Die Rowdies hielten wieder an. Der Einsatz erhöhte sich und sie waren sich unsicher was sie tun sollten. Der Anführer war in der schlechtesten Position— er konnte sein Gesicht nicht vor seinen Leuten verlieren. Also langte er, nachdem er das Klappmesser für einen Moment beäugte, ruhig in seinen Gürtel und zog seine eigene Waffer raus, ein großes Armee-Bayonet mit Holzgriff. “Wenn du Spielchen spielen willst, dann können wir das auch— habe ich Recht, Leute?” Inspiriert von seinem Verhalten, zogen die anderen ihre Messer.
Peter schaute sich um. Niemand im Park konnte sehen was vor sich ging — oder wenn doch, dann taten sie gute Arbeit es zu ignorieren. Er fühlte ein unangenehmes Gefühl im Magenn und sein Speichel im Mund schmeckte säuerlich. Er überprüfte ob sein eigenes Messer griffbereit in der Scheide war, nur für den Fall, dass er es brauchen würde.
Die Bande kreiste um ihr Opfer, tat das aber mit weniger Vertrauen, als sie sonst spüren würden. Das mögliche Opfer war nicht irgendein hilfloser und durch ihre Einschüchterung verängstigter Fremder, sondern ein stark aussehender Mann mit einem scharfen Messer, das er anscheinend auch zu benutzen wusste. Die Gang rückte vorsichtig vor.
Der Schwarze stand seinen Mann und dreht sich langsam und behielt die Leute vor und auch hinter sich stets im Auge. Seine Hand mit dem Messer blieb steif und zeigte direkt auf den Hals des Anführers.
Mit einem lauten, bullenähnlichen Schrei, griff der Anführer an. Der Schwarze wich ihm mit Leichtigkeit zur Seite aus und bewegte sein Handgelenk in einer einfach anmutenden Bewegung— aber als der Anführer sich wieder aufrichtete, konnte Peter sehen, dass der tiefe Schnitt über seinem linken Ohr stark blutete. “Nächster”, sagte der Schwarze und lachte.
Drei andere griffen ihn von verschiedenen Seiten an. Einer von ihnen kassierte einen schnellen Tritt in den Schritt, der ihn sofort einknicken ließ; der Zweite stocherte in die Luft, da sich das vermeintliche Opfer bereits weggedreht hat und dem Dritten mit einer Stichattacke auf dessen Hand bedachte. “Kommt schon,” schreite der Anführer der Gang von der Seite. “Was sind wir, eine Bande Feiglinge? Schnappen wir ihn uns!”
Sie taten sich alle zur gleichen Zeit zusammen, zeigten aber jedoch großen Respekt vor den Fähigkeiten ihres Opfers. Der Schwarze hatte eine höhere Reichweite als die meisten von ihnen und konnte sie deshalb momentan mit seinen Stichen auf Abstand halten, aber er konnte sich nicht für Immer gegen ihre Überzahl wehren.
Peter war kein sehr guter Kämpfer, obwohl er seit dem letzten Jahr bereits einige Kämpfe hinter sich hat. Normalerweise ging er Kämpfen aus dem Weg wo er nur konnte, aber dieser hier war einer, den er nicht ignorieren konnte, wenn er mit seinem Gewissen leben wollte. Er zog sein Messer, stieß einen lauten Schrei aus und griff an.
Die Gang war durch diesen Angriff aus einer neuen Richtung überrascht und reagierte für einen Moment nicht, was Peter den Vorteil gab, den er so dringend benötigte. Er machte einen Gegner mit einem schnellen Messerstich unterhalb der Rippen unschädlich. Er drehte sich zum nächsten Mann und griff dessen Gesicht an und verletzte ihn oberhalb der Augenbraue. Blut strömte aus der Verletzung und in die Augen. Der Gegner konnte dadurch nichts mehr sehen und glaubte dadurch sein Auge verloren zu haben. Er fiel zu Boden und schrie.
Im Gegensatz zu ihnen, zögerte der Schwarze nicht. Sein Messer war damit beschäftigt seine Gegner anzugreifen, was sie dazu brachte in Verteidigung zu gehen. Sie hatten sich jetzt aber von der Peters Überraschungsangriff erholt und führten einen Gegenangriff aus. Peter sah sich selbst zwei übel aussehenden Kerle gegenüber, denen die Mordlust in ihren Augen stand. Ohne das Element der Überraschung auf seiner Seite, waren die anderen beiden die eindeutig besseren Kämpfer. Peter wich langsam von ihnen zurück und fand sich mit seinem Rücken an der Mauer der Mission. Die anderen beiden kamen ihm langsam mit einem fiesen Grinsen näher.
Der Mann zu seiner Linken sprang auf ihn zu. Peter versuchte sich wegzudrehen, war aber nicht schnell genug— das Messer der Angreifers schnitt ihn an der Oberseite seines linken Armes. Peter fühlte einen brennenden Schmerz durch seinen Körper gehen. Blut strömte aus der Wunde und besudelte sein bereits verschmutztes Shirt, aber er hatte nicht genug Zeit darüber nachzudenken- er kämpfte gerade um sein Leben.
Sein Versuch sich wegzudrehen, brachte ihn in eine ziemlich schlechte Position , denn jetzt zeigte seine Linke Seite nach draußen und seine Rechte Seite — zusammen mit seiner Messerhand— zur Mauer. Er musste sich schnell ducken, als der zweite Angreifer diese ungeschützte Stelle bemerkte und seinen Kopf angriff. Die Klinge sauste gerade einmal um Haaresbreite an Peters Haare vorbei.
Aber indem er diesen Angriff gemacht hatte, hatte der Jugendliche sich selbst verwundbar gemacht. Peter rannte nach vorne und rammte sein Messer in den Bauch des Angreifers. Der Mann stieß einen Schmerzensschrei aus und sank langsam zu Boden. Peter zog schnell seine Klinge raus, fiel auf den Boden und rollte sich vom ersten Angreifer weg, der sich jetzt auf ihn stürzte.
Als er auf seine Füße kam, sah er, wie der Mann ihn in geduckter Haltung ansah. Sie umkreisten sich für eine lange Sekunde und dann griff der Mann an. Peter versuchte Matador zu spielen, indem er dem Angriff seitlich auswich und den Angriff versuchte zu parieren, war aber nur zum Teil erfolgreich. Das Messer des anderen schnitt durch sein Shirt und kratzte an seinen Rippen auf der linken Seite. Peter drehte sich um und wich wieder nach hinten zurück.
Der andere witterte einen schnellen Todesschlag und griff wieder an. Er kam nur bis zur Hälfte des Weges zu Peter, bevor er schrie und nach vorne fiel. Ein Klappmesser steckte in seinem Nacken.
Peter sah sich um und begutachtete das Schlachtfeld. Sieben Männer lagen auf dem Boden, die meisten am Leben, aber schwer verwundet. Die restlichen zwei Gangmitglieder flohen die Straße runter. In der Mitte des Platzes, wo am meisten Zerstörung angerichtet wurde, stand der schwarze Mann in aller Ruhe da und bewunderte sein Handwerk. Er schien unversehrt zu sein. Mit einem Grinsen im Gesicht ging er Richtung Peter und zog sein Klappmesser aus dem Hals seines letzten Opfers, wischte es am Shirt des Mannes ab, und klappte es zusammen und steckte es wieder in seine Hosentasche. Dann ging er zu seinem Motorrad und bereitete sich vor wegzufahren.
“Hey,” sagte Peter, “hast du nicht einmal vor mir zu danken?”
Der andere drehte sich um. “Dir danken? Wofür? Für etwas, dass jeder mit etwas Mut hätte tun sollen?”
“Aber es war nicht irgendjemand, sondern ich und ich blute.”
Der Schwarze kam herüber, packte grob Peters verwundeten linken Arm und untersuchte ihn. “ Shiiit, Alter, dass ist nichts weiter als eine Fleischwunde. Es wird verheilen, außer es infiziert sich.” Er hielt inne als ihm ein Gedanke kam. “Wohnst du hier in der Gegend?”
Peter schüttelte seinen Kopf.
“Oh, ein Stoner also, was?” Peter hasste diesen Ausdruck. Als der Kollaps anfing, haben viele Menschen ihre Häuser verlassen und angefangen umherzuziehen, auf der Suche nach einem besseren Platz als den, den sie zurückließen. Der Begriff “Stoner” kam wahrscheinlich daher, dass diese Leute als “ Rolling Stones” bezeichnet wurden, aber Peter hatte mehr als nur ein bisschen den Verdacht, dass das Wort auch eine Anspielung auf seinen Namen war.
“Hör mal,” fuhr der Mann fort, “wie würdest du es finden dich an einem Ort niederzulassen, wo es friedlich ist und es keine Knappheiten gibt und jeder zusammen arbeitet?”
Peter schaute ihn argwöhnisch an. “Sicher, wer würde das nicht wollen? Aber wo würde man so einen Ort finden? In deinem Garten?”
“Werd nicht frech, Mann. Ich habe eine ernstgemeinte Frage gestellt”.
“Und ich habe Ja gesagt.”
“Wie heißt du?”
“Peter Smith” Das Lügen ist mittlerweile zum Reflex geworden.
Der Schwarze streckte ihm seine Hand entgegen. “Kudjo Wilson.” Sie klatschten sich ab anstatt sich die Hände zu schütteln. “Hör mal, wenn du wirklich etwas besseres als all das hier haben willst,” und er machte eine Handbewegung, die den mit kaputten Autos gefüllten Park umschloß, “dann solltest du besser mit meinem Kumpel reden.”
Peter zuckte mit den Achseln. “Wird wohl nicht schaden, denk’ ich mal. Wo ist er?”
“Oh, er ist noch ein paar Meilen von hier. Wenn du willst, kannst du hinten aufspringen und dich festhalten und ich werde dich gleich zu ihm bringen.”
Peter schüttelte seinen Kopf. “Tut mir Leid, aber ich lasse mein Fahrrad nicht gerne zurück— und wir können es nicht einfach auf das Motorrad packen.”
“ Da hast du Recht.” Der andere dachte eine Minute nach. “Ich sage dir, was ich machen werde. Ich werde vorfahren und ihm von dir erzählen. Er wird eh hier vorbeikommen oder zumindest verdammt nahe. Wieso wartest du nicht einfach am Freeway dort drüben.” Er zeigte weiter in Richtung Osten. “Er ist ein paar Blocks in dieser Richtung entfernt. Warte auf einfach vor der Brücke der Überführung, Fahrtrichtung Süden. Hast du eine Uhr?”
Peter schüttelte wieder seinen Kopf. “ Sie wurde mir vor einundhalb Monaten gestohlen.”
“ Naja, ok, er wird in ein paar Stunden hier sein. Es wird nach Einbruch der Dunkelheit sein, wenn dir das nichts ausmacht.”
“Also....” Fing Peter an.
“Sei da,” gab ihm der andere den Ratschlag. Er startete sein Motorrad. “Wir werden nicht warten.” Und er fuhr davon.
Peter hielt sich seinen schmerzenden Arm und ging zu seinem Fahrrad zurück. Nach dem Kampf mit dieser Gang wäre die Mission wohl nicht mehr der beste Ort für ihn zum Übernachten— sie könnten mit Freunden zurückkommen und auf Rache aus sein. Sein Magen knurrte, er hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Aber es war besser am Leben zu bleiben, als hier um eine kostenlose Mahlzeit zu bitten und im Schlaf ermordet zu werden.
Er fuhr mit dem Fahrrad Richtung Osten auf den San Fernando Mission Boulevard und kam schließlich an der Überführung an, die Kudjo zuvor erwähnt hat. Die Sonne war gerade untergegangen und es wurde unheilverheißend dunkel. Er pausierte an der Brücke und schaute zu ihr hoch. Sollte er das glauben, was der Schwarze gesagt hatte? Er hat vor lange Zeit aufgehört an Märchen zu glauben und diese Geschichte hat sich verdächtig nach einem modernen El Dorado angehört. Ein Ort wo es Frieden und genug für alle gibt wäre ziemlich schwer zu finden und Einladungen ihn zu besuchen, würden ihm nicht einfach so in den Schoß fallen. Davon mal abgesehen, wie sollte ein schwarzer Mann den Schlüssel zu Utopia halten können? Es ergab alles keinen Sinn. Wenn es solch einen Ort gab, was machte Kudjo Wilson dann hier?
Aber dann wiederum, was hatte er zu verlieren? Falls das ein Hinterhalt sein sollte, was konnten sie denn von ihm stehlen, außer seinem Fahrrad, einer Decke und praktisch fast wertloses Geld? Für solch eine ausgeklügelte Falle wäre das viel zu wenig. Und davon mal abgesehen, hätte Wilson ihn auch gleich sofort ausrauben können, wenn er gewollt hätte. Die ganze Angelegenheit war rätselhaft.
Peter schob sein Fahrrad über die Rampe und stellte es neben der Brücke ab.
Er saß im Dunkeln und wartete. Verkehr auf dem Freeway war aufgrund der Treibstoffknappheit kaum mehr vorhanden— innerhalb einer Stunde sah er nur zwei Autos und sie flitzen an ihm vorbei ohne überhaupt zu verlangsamen. Er fragte sich, ob die Leute auf die er wartete bereits an ihm vorbeigefahren sind ohne ihn bemerkt zu haben, oder ob sie überhaupt noch kommen würden. Das Ganze könnte ein großer und unverständlicher Witz sein.
Du bist ein Dummkopf, sagte er zu sich selbst. Hörst in deinem Alter auf Geschichten über das Nimmerland. Du würdest wahrscheinlich auch die Golden Gate Bridge kaufen, wenn sie dir jemand anbieten würde. Aber er blieb, weil er nirgends woanders hingehen konnte.
Und nach wahrscheinlich einer weiteren Stunde sah er, wie sich aus nördlicher Richtung Scheinwerfer näherten. Sie bewegten sich viel langsamer als die anderen Autos, die an Peter vorbei rasten und als sie näher kamen, konnte Peter eine komplette Autokolonne ausmachen. Das Auto ganze vorne hielt kurz vor der Brücke an und fuhr an den Straßenrand. Die Autos hinter ihm folgten seinem Beispiel.
Ein Scheinwerferlicht auf dem Auto blendete ihn in sein Gesicht. “Mr Smith?” fragte eine fremde Stimme
“Ja”, antwortete er.
“Steigen Sie ein, wir hatten gehofft, dass Sie hier sind. “Möchten Sie Abendessen?”

Kapitel 2
“Erste Klasse Postzustellung so schlecht wie nie,” behauptete das Wall Street Journal. Als Beispiel des Problems dient ein Postsack, welcher letzten Monat in Prince George’s County, Md, verschwand, was vielen Anwohnern Kopfzerbrechen bereitete. Mrs. Ernest Drumheller, welche in Clinton, Md, lebt, sagte, dass sie aus ihrem Urlaub zurückkehrte und feststellen musste, dass ihr Telefon abgeschaltet wurde, da der Scheck mit dem sie ihre Telefonrechnung begleichen wollte, nicht bei der Telefongesellschaft angekommen ist. Sie musste 10$ bezahlen um ihr Telefon wieder benutzen zu können. Einige Kunden der People’s National Bank in Clinton stornierten Zahlungen, welche sie per Scheck vornehmen wollten, aus Angst, dass die Schecks sich in den verloren gegangenen Säcken befanden.

Los Angeles Times
Mittwoch 11. September 1974

* * *

Kommunikation ist eine der drei Hauptpfeiler jeder Zivilisation. Menschen und Organisation können nur in dem Umfang miteinander interagieren, wie sie miteinander kommunizieren können. Wenige oder gar keine Kommunikation bedeutet Verdacht, Hass und Konflikt. Im gleichen Maße wie Kommunikation sich erhöht und verbessert, wird das Fremde weniger Furcht einflößend und ein friedliches Miteinander möglich.
Zu den Zeiten der antiken Griechen, stellte der Stadtstaat die verwaltbare Größe dar. Die Größe wurde daran gemessen, wie weit ein Mann an einem Tag zurücklegen konnte. Das wiederum stellte sicher, dass niemand mehr als ein Tag von den aktuellen Geschehnissen entfernt war. Angrenzende Stadtstaaten mit denen nur gelegentliche und gleichzeitig auch nur zeitliche sehr verzögerte Kommunikation stattfand, wurden mit Misstrauen behandelt.
Heute findet Kommunikation an jedem Ort der Welt praktisch sofort und ohne zeitliche Verzögerungen statt Dieser Umstand hat uns dabei geholfen, eine weltumspannende Zivilisation zu errichten. Aber indem wir dieses Netzwerk so schnell aufgebaut hatten, haben wir uns auch dementsprechend schnell dabei übernommen. Wie bei einem Gummiband, das viel zu weit nach hinten gezogen wurde, wird der Rückschlag schnell und schmerzhaft sein...

Peter Stone
World Collapse

***

Als Peter sich dem ersten Auto näherte, war er überrascht als er sah, dass es sich dabei um ein gepanzertes Fahrzeug von der Art handelte, welche auch bei Geldtransporten von Banken und Geschäften zum Einsatz kamen. Das Auto war quadratisch , grau und kauerte teilnahmslos und verdächtig vor ihm hin. Seine Augen, die sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, wurden von seinem Dachscheinwerfern geblendet. Aber er konnte erkennen, dass es sich bei dem zweiten Fahrzeug im Konvoi auch um ein gepanzertes Fahrzeug handelte. Die anderen Fahrzeuge waren nur dunkle Schemen; Peter konnte nicht sagen um wie viele es sich handelte, oder wie sie aussahen.
Eine drahtige Figur stieg aus dem zweiten Fahrzeug aus, um ihn an der Tür des ersten Fahrzeuges zu begrüßen. Es war Kudjo Wilson. “Freut mich, dass du gekommen bist”, sagte er und öffnete die Mitfahrertür des Fahrzeuges. “Lass uns mit der Vorstellung beginnen”.
Er steckte seinen Kopf in die Kabine. “Honon, das ist mein Kumpel, Peter. Peter, darf ich dir den ehrenwerten, erhabenen und unermesslichen Israel Baumberg vorstellen”.
Im Innern der Kabine war eine batteriebetriebene Lampe, die genug Licht ausstrahlte, damit Peter den Mann ausmachen konnte, welchem er vorgestellt wurde. Sogar im Sitzen war Israel Baumberg ein stattlicher Mann mit breiten Schultern und sehr kräftigen Armen. Im Stehen musste er mindestens zwischen 1.90m oder 1,95m sein. Sein Haar war glatt, schwarz und und hatte eine kurzgeschnittene Frisur, die fast ein Topfhaarschnitt war. Sein Gesicht war faltig und verwittert. Es sah mehr nach gegerbtes Leder aus als nach Fleisch. Es war nicht einfach in dem schwachen Licht die Hautfarbe auszumachen, aber Peter ging auf Grundlage seiner Beobachtungen davon aus, dass der Mann dunkelhäutig war. Ein automatisches Gewehr und eine Maschinenpistole befanden sich beiläufig neben ihm.
“Willkommen zu unserer Karawane, Mr Smith. Steigen Sie ein.” Als Peter einstieg, beobachtete ihn der Mann im dunklen Licht. “Oder sollte ich sagen, Mr Stone? Das ist eine unerwartete Ehre”.
Peter verzog das Gesicht. Dass er erkannt wurde, gefiel ihm nicht; zu viele Leute hegten ihm gegenüber keine guten Gefühle. Aber er stieg in die Kabine und nahm Platz.
“Zeigen Sie mir Ihren Arm”, fuhr der Mann fort. “Kudjo hat mir gesagt, dass Sie ihn sich verletzt haben”. Er begutachtete vorsichtig die Wunde. “Es schaut nicht sehr schlimm aus, aber wir wollen unterwegs keinen unangenehmen Überraschungen erleben, also sollten wir uns besser darum kümmern. Kudjo, könntest du nachsehen ob Sarah gerade zur Verfügung steht? Und wenn du schon dabei bist, seh’ bitte nach wie es mit dem Abendessen steht”.
“Jawoll, Boss”, Kudjo parodierte das Grinsen der ehemals unterwürfigen schwarzen Diener. Er bewegte sich den Konvoi entlang, um die Anweisungen auszuführen.
“Guter Mann, der Kudjo. Sie hatten Glück ihm zu begegnen. Er war früher ein verdeckter Polizist der Drogenabteilung der St. Louis Police. Besser bekommt man sie nicht hin. Und bevor Sie fragen, mein Vater war Jude und meine Mutter indianischen Ursprungs und ich bevorzuge es mit meinem indianischen Namen, Honon, angesprochen zu werden. Er bedeutet “Bär”. Das ist erstmal genug über mich für den Moment. Irgendwelche Fragen?”
“Ja — was ist all das hier?”
“Das”, Honon streckte seine Hand aus, um die Kolonne hinter seinem Fahrzeug mit einzubeziehen, “ist eine Karawane, die Kudjo und ich anführen. Wir sind gerade dabei von hier nach dort zu fahren”.
“Ich weiß wo hier ist, aber wo ist ‘dort’?”
“Das ist eine lange Geschichte, die ich Ihnen gleich erzählen werde. Wir sind von San Francisco aus gestartet und haben uns der kalifornischen Küste entlang bewegt. Sie haben sehr viel Glück. dass Sie uns getroffen haben; wir sind von der Route 101 abwärts gekommen und hätten diesen Bereich überhaupt nicht befahren, aber ein Erdbeben hat die Straße südlich von Ventura komplett zerstört. Wir mussten zur 138 zurück und durch Santa Paula auf die Interstate 5, was genau da ist, wo wir uns gerade befinden. Wir werden hier für heute Nacht wohl unser Lager aufschlagen und morgen weiterfahren”.
In diesem Moment steckte eine Frau ihren Kopf durch die offene Tür der Passagierseite. Sie sah aus, als ob sie in ihren 40ern wäre. Sie hatte grau-blonde Haare und ein etwas volles Gesicht. “Ich habe gehört, dass du jemanden hättest, der eine Behandlung benötigt”, sagte sie zu Honon.
“Stimmt. Peter, dass ist Dr. Sarah Finkelstein. Sie kümmert sich um unsere Kranken während unserer Reise. Sarah, ich möchte dir den berüchtigten Peter Stone vorstellen”.
Peter zuckte wieder bei der Vorstellung. Die Ärztin schaute in kritisch von oben nach unten an. “So so. Der Mann, der am Ende Recht hatte. Ist das ein Trost für Sie?
“War es nie”
“Glaube ich auch nicht. Also, sehen wir uns mal an was Sie hier haben.” Sie untersuchte seine Wunde leise vor sich hin redend. “Ist Ihre Tetanusimpfung aktuell?”, fragte sie.
“Ich habe mich seit Jahren nicht mehr dagegen impfen lassen”.
“Ich weiß, eine blöde Frage, aber alte Gewohnheiten wird man nur schwer wieder los. Sie werden auch keine von mir bekommen; ich habe keinen Impfstoff mehr. Es schaut aber nicht allzu schlimm aus. Ich werde die Wunde säubern und sie bandagieren. Sie werden etwas steif sein, aber sie werden überleben. Ich habe noch eine Frage an Sie. Sie wird zwar etwas persönlich sein, aber sie ist notwendig. Haben Sie irgendwelche Geschlechtskrankheiten?”
Peter war von ihrer Offenheit überrascht, aber antwortete mit Nein. “Gut,” sagte sie. “Wir müssen versuchen unsere Brutpaare gesund zu halten.” Ohne weitere Erklärungen begann sie effizient und leise an seinem Arm zu arbeiten und ließ danach Peter und Honon alleine.
“Bevor ich mit der ganzen Geschichte anfange”, sagte Honon, “gibt es da ein paar Fakten, die Sie zum besseren Verständnis benötigen”. Sie sind bestimmt mit den Fortschritten im Bereich der Kryotechnik und der Kryostase vertraut”.
Peter nickte. “Ich hatte sie in meinem Buch erwähnt”.
“Ja, das stimmt. Verzeihen Sie mir bitte, ich vergaß; es ist eine Weile her, dass ich Zeit hatte das Buch noch einmal zu lesen. Soweit ich mich erinnere, waren Sie nicht des Lobes über sie”.
“Sie waren verschwendete Mühen, ein vergeblicher Griff nach Unsterblichkeit. Was für mögliche Vorteile würde es denn geben, jemanden nach fünfzig Jahren von heute an aufzuwecken, wenn alle Zeichen darauf hindeuteten, dass die Welt bis dahin bereits genug Schwierigkeiten haben wird die Wenigen zu versorgen, die noch vorhanden sind? Menschen aus der Vergangenheit wären vollkommen hilflos in einer neuen, von Hungersnot, Dürre, Krieg und Plagen gebeutelten, Welt. Das Geld und das Talent, dass in die Forschung gesteckt wurde, hätte man woanders besser gebrauchen können.”.
“Mag sein,” sagte Honon, “aber es könnten auch Effekte vorhanden sein, die auch Sie nicht vorhergesehen haben”.
“Zum Beispiel?”
“Nicht so schnell. Haben Sie schon mal von einem Stern namens Epsilons Eridani gehört?”
“Tut mir Leid, Astronomie war noch nie mein Gebiet”
“Meines auch nicht. Aber Glücklicherweise gab es ein paar, die daran interessiert waren. Vor einigen Jahren, bevor das Raumforschungsprogramm komplett auseinander fiel, führten sie ein Experiment durch, welches sie Sternparallaxe nannten- fragen sie mich nicht nach einer Erklärung was das ist, ich habe keine- und sie entdeckten, dass Epsilon Eridiani eine Reihe Planeten besitzt, genau wie unsere eigene Sonne. Es war eine interessante Entdeckung, aber die Welt hatte dringendere Probleme und nahm daher fast keine Notiz.
“Und fast zur gleichen Zeit schrieb ein Mann ein Buch. Es war ein großes Buch, ein mächtiges Buch und es machten sehr vielen Leuten Angst. Es ging um das Ende der Zivilisation und der Rückkehr des Barbarentums aufgrund von Überbevölkerung, erschöpften Rohstoffvorkommen und einem Zusammenbruch aller Kräfte, die uns zusammen hielten. Die meisten wurden deswegen wütend, weil das eine Tatsache war, vor der sie Angst hatten —”
“Sagen Sie bloß,” murmelte Peter.
“— aber einige wurden auch nachdenklich. Die Ausführungen des Autors waren unwiderlegbar, aber diese nachdenklichen Leute wollten immer noch nicht das Ende der Zivilisation sehen. Also begannen sie über Alternativen nachzudenken.”
“Das tat ich ja auch, und ich wurde dafür gehasst. Sicher, meine Gedanken waren radikal, aber ich habe mich mit einer Krisensituation auseinander gesetzt. Meine Pläne hätten vielleicht nicht geklappt, aber sie wären nicht schlimmer gewesen als die Hölle in der wir uns gerade befinden.”
Honon zuckte mit den Schultern. “Wer kann das schon sagen? Wie dem auch sei, diese nachdenklichen Leute sahen wie Ihnen die Abneigung entgegen schlug und entschieden sich dazu ihrer eigenen Arbeit im Geheimen nachzugehen. Einige von ihnen waren sehr einflussreich, einige hatten sehr viel Geld und ein paar Wenige hatten beides”.
“Das ist immer hilfreich.”
“Sie bauten also ihr eigenes Raumschiff —”
Peter schnappte nach Luft. “Hey, einen Moment bitte. Ich glaube ich habe hier was verpasst. Was soll das sein, das mit dem Raumschiff ?”
“Denken Sie mal darüber nach; benutzen Sie Ihren scharfen Verstand. Wenn die Erde bereits aufgebraucht wurde, dann hätte die Zivilisation woanders wohl eine bessere Chance, wenn sie weiterbestehen und wachsen will, stimmts? Und wo soll das sein? Kein Planet in unserem Sonnensystem kann eine ganze Zivilisation beherbergen, ohne dass diese über enorme Technologie verfügen müsste. Damit bleiben uns nur noch die Sterne übrig— insbesondere Epsilon Eridani”.
Peter wollte gerade was sagen, als ein kleines Mädchen an der Tür des Fahrzeuges klopfte. Sie hatte dunkle Harre und war nicht älter als acht oder neun Jahre. “Mister Honon”, sagte sie, “ich habe Abendessen für Sie und den anderen Herrn”.
“Danke, Mary”. Honon streckte seine Hand aus dem Fenster und nahm von ihr zwei Schüssel entgegen. “Vorsicht,” sagte er zu Peter als er ihm eine Schüssel reichte. “Sie sind heiß.” Das kleine Mädchen ging wieder dahin zurück von wo sie herkam.
Die Konsistenz des Inhaltes der Schüssel bewegte sich zwischen Suppe und Eintopf. Es waren Kartoffel, Bohnen,Erbsen, Karotten, Sojabohnen und sogar kleine Hühnerstücke drinnen — für heutige Standards ein bunte Mischung. Peters Magen meldete sich lautstark bei ihm, dass er seit dem dürftigen Frühstück nichts mehr zum Essen hatte. Er nahm den Löffel, den Honon ihm anbot und führte etwas von dem Essen in seinem Mund und schmeckte die Geschmackskombination ab. “Sie essen ziemlich gut”, sagte er.
“Danke. Wie bereits gesagt, wir versuchen die Zivilisation am Leben zu erhalten und gutes Essen ist eines ihrer besseren Aspekte. Wir tun was wir können, wenn wir unterwegs sind, aber sogar das hier ist bei weitem kein ausgeglichenes Essen.”
“Es gibt Leute, die für das hier töten würden.”
Honon seufzte. “Ich weiß. Sie haben es schon ein paar Mal versucht. Deswegen bevorzugen wir es auch, dass gepanzerte Fahrzeuge den Konvoi anführen. Reisen ist heutzutage nicht mehr etwas, dass man aus Jucks und Dollerei mehr macht.”
Beide Männer aßen für eine Weile in Stille mit der Erkenntnis, dass ihre Mahlzeit buchstäblich ein Schatz in dieser verödeten Welt war. Peter war als Erstes fertig und lehnte sich zufrieden zurück.
“Vielen Dank. Das war das beste Essen, dass ich seit Wochen hatte.”
“Möchten sie mehr? Ich könnte nach einem Nachschlag für sie verlangen.”
“Ich möchte Ihre Vorräte nicht auf brauchen—”
“Wir haben genug für die nächste Zeit. Der ganze Laderaum des Fahrzeuges hinter uns ist voll mit tief gefrorenen und getrockneten Sachen.”
Peter war sehr versucht aber entschied sich dazu abzulehnen. “Ich möchte mich nicht zu sehr an einen guten Lebensstil gewöhnen,” sagte er. “Situationen können sich so schnell ändern.”
Honon nickte. “Das stimmt, aber das hält mich nicht davon ab gut zu leben, solange ich kann. Das habe ich gelernt, als ich gehütet habe. Man überlebt schlechte Zeiten und macht sie in den guten Zeiten wieder gut.”
“Sie waren also Viehtreiber?”
“Ich war so ziemlich alles. Holzfäller, Lastwagenfahrer, Forstaufseher, Landarbeiter, Tischler, Tellerwäscher— ich mag es andauernd etwas Neues zu machen.”
“Und jetzt sind Sie Wagenmeister.”
“Yep. Wissen Sie, so wie ich das sehe, muss man sich immer auf etwas hinbewegen. Reisen ist nicht genug; man muss ein Ziel vor den Augen haben”.
“ Und Ihr Ziel sind die Sterne?”
“ Nicht sofort. Zuerst muss ich diese Leute zum Kloster bringen.
“Wohin?”
“So nennen wir unsere kleine Kolonie. Da während des Mittelalters die Klöster das Wissen aufbewahrten und am Leben erhielten, dachten wir uns, dass wir unsere Basis nach ihnen nennen würden. Es hat keinerlei religiöse Bedeutung, das kann ich Ihnen versichern; wir sind alle ziemlich tolerant. Es ist so schon schwierig genug heute zu überleben, da müssen wir nicht auch noch alte Vorurteile wiederbeleben.”
“Das hindert die meisten Leute nicht. Fanatismus scheint momentan einen Höchststand erreicht zu haben,” sagte Peter verbittert.
Honon zuckte mit den Schultern. “Es interessiert mich nicht wirklich, ob sie sich gegenseitig umbringen. So wie ich das sehe, kann die Menschheit nur besser werden, wenn die Fanatiker aus dem Genpool entfernt werden.”
“Wo ist dieses Kloster?”
“Oh, es ist irgendwo da draußen.” Honon winkte mit seiner Hand Richtung Osten. “Ich kann leider nicht genauer sein. Es ist ein Geheimnis und das aus gutem Grund. Wir leben viel zu gut, als das wir alle Leute von außerhalb aufnehmen könnten. Wenn sie wüssten wo wir sind, dann würden sie kommen und uns auseinander nehmen. Deswegen kann ich den Leuten in der Karawane auch nicht sagen wo genau wir hingehen— das ist für den Fall, dass einer uns verlässt oder von uns getrennt wird. So können sie niemandem etwas verraten.
“Aber wenn Sie eine interstellare Kolonie planen, dann müssen Sie doch ziemlich viele Leute haben—”
“Beim letzten Mal waren es fast 5000.”
Peter pfeifte. “Aber es ist doch unmöglich so viele Leute zu verstecken”-
“Wir kriegen das schon hin,” Honon lächelte.
“Aber allein schon so viele Menschen von der Erde zu bringen, ist schon ein Problem für sich. Wie wollen Sie das machen?”
“Es kommt ja auch nicht jeder mit. Einige von uns haben eine sentimentale Bindung zu dieser alten Welt und möchten hier bleiben und sie rehabilitieren, so weit uns das möglich ist. Ungefähr 3000 werden diese Reise antreten.”
“Aber auch wenn, die benötigte Treibstoffmenge—”
“Im letzten Jahr des Raumforschungsprogrammes gab es eine Entwicklung, die unbemerkt an der Presse vorbeigegangen ist, als sie damit beschäftigt war über Kriege, Engpässe und ähnlichem zu berichten und zwar: Nuklearer Antrieb. Er lässt einen sehr schwere Lasten mit nur geringem Aufwand transportieren. Es wurde bisher noch nicht im bemannten Kampf getestet, aber Feldversuche verliefen sehr viel versprechend.
“Ich tue jetzt nicht so, als ob ich Raumfahrtingenieur wäre, aber ich erinnere mich daran, mal eine Planetarium Show gesehen zu haben, in der gesagt wurde, dass es tausende von Jahren dauern würde, um von hier zum nächsten Stern zu fliegen. Sie können nicht erwarten, dass die Kolonisten so lange leben werden— allein schon das Essen für 3000 Menschen würde mehrere Raumschiffe füllen.”
“Diese Zahlen, so wurde mir gesagt, basieren auf Annahme konstanter Geschwindigkeit. Was der nukleare Antrieb uns aber bietet ist konstante Beschleunigung— ein zehn tausendstel eines “gee” um genau zu sein. Ich weiß, das hört sich nicht nach viel an, aber es summiert sich. Die letzten Schätzungen gehen davon aus, dass man die Reise in nur 650 Jahren schaffen kann.”
“Aber auch dann—”
“Erinnern Sie sich daran, was ich vorher über die Kälteschlaftechniken gesagt habe? Die Kolonisten werden kurz vor Abflug eingefroren und, mit Ausnahme der Schiffsbesatzung, nicht mehr aufwachen bis sie ihr neues Zuhause erreicht haben. Wir sparen so Vorräte und Platz, da wir nicht genügend Platz für so viele Menschen zur Verfügung haben.”
Peter war für einen kurzen Augenblick still und dachte über die Möglichkeiten nach. “Entweder sind Sie verrückt,” sagte er schließlich,”oder der hoffnungsloseste Träumer den ich kenne.”
“Von beidem ein bisschen, hoffe ich mal. Wir leben in einem sehr aufgeklärten und traumlosen Zeit und schauen Sie in welchem Chaos wir uns gerade befinden. Es gibt nichts vernünftigeres als versuchen am Leben zu bleiben, was genau das ist, was alle da draußen versuchen. Für sie ist es eine Vollzeitbeschäftigung. Sie haben keine Zeit für Träume. Und als Ergebnis führen sie ein Leben am Rande des Überlebens und es wird schlimmer. Ich für meinen Teil bestehe darauf öfters in den Himmel zu schauen und mich zu fragen, ob die Dinge besser sein können. Fantasie mag zwar etwas verrückt sein, aber kein intelligentes Wesen kommt lange ohne sie aus.
“Davon abgesehen,” ergänzte er und zeigt anklagend mit seinem Finger Richtung Peter, “Sie sind der letzte der Kritik üben sollte. Glauben Sie bloß nicht, dass ich nicht hinter Ihrer zynischen Maske blicken kann, die Sie wie ein griechischer Tragiker tragen. Mark Twain antwortete auf seine alten Tage immer auf den Vorwurf er sei ein Pessimist, dass er ein Optimist sei, der nicht angekommen sei. Hätten Sie nicht idealisiert, hätten Sie die Welt nicht so gesehen wie sie hätte sein sollen, dann hätte Sie in ihrem Buch nie all Ihr Feuer und die Wut, die sie gespürt hatten, verpacken können.”
“Wirklich?” Fragte Peter amüsiert und mit erhobener Augenbraue. Viele haben versucht ihn anhand seines Buches psychisch zu analysieren. Alle mit unterschiedlichem Erfolg.
“Ein Zyniker ist ein frustrierter Optimist. Man muss zuerst Ideale haben, damit man enttäuscht darüber sein kann, dass sie nicht erreicht wurden. Sie, Peter Stone, sind ein Erbauer von Utopien, aber ohne gute Versorgung mit Baumaterial.”
“Und deswegen wollen Sie, dass ich mitkomme— weil ich ein Versager bin und Sie mir eine weitere Chance geben wollen? Entschuldigen Sie wenn ich ein Zyniker bin, aber das glaube ich nicht.”
Honon schüttelte seinen Kopf. “In keinster Weise. Ich will der Menschheit eine weitere Chance geben und ich denke, dass Sie dabei helfen könnten. Sie denken über soziale Phänomene nach. Sie sehen Alternativen wo andere blind sind, und sie scheuen sich nicht davor öffentlich darüber zu sprechen. Wir brauchen jemanden mit einem guten Auge für Alternativen und einen Sozialkritiker, wenn wir es schaffen wollen. Da haben Sie es— die Grundregeln und die Arbeitsbeschreibung. Ich brauche eine Antwort von Ihnen, eine Zusage von Ihnen auf der Stelle, weil ich werde nicht mehr in diese Gegend kommen. Wollen Sie den Job?”
Peter zögerte nicht einmal. “Also die Bezahlung ist miserabel, aber die Randbedingungen scheinen in Ordnung zu sein. Wenn Sie mir einen Teil des Traumes abgeben, denke ich mal, dass ich ihn schlucken kann”

Kapitel 3
Milliarden an US-Dollars wurden in den letzten Jahren ausgegeben, um die Kriminalitätsbekämpfung zu verbessern- trotzdem hat sich die Kriminalität weiter erhöht und viele Amerikaner fragen sich besorgt, ob es überhaupt möglich ist, sie unter Kontrolle zu kriegen ....
Patrick V. Murphy, ein ehemaliger Polizist in Washington und New York sagt: “Wir müssen den Tatsachen ins Auge blicken. Es gibt viel Instabilität in unseren Städten. Solange es Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung, zerrüttete Familien, Alkoholismus, Drogenkriminalität und psychologische Probleme gibt, werden wir Kriminalität haben.”

U.S. News & World Report
10. Juni 1974

* * *

Kriminalität dient für viele Menschen als Mittel, um mit einer komplexen Gesellschaft zurechtzukommen, die ihre Grenzen überschritten hat. Ich gehe davon aus, dass unsere Kultur sich in ihrem letzten Aufbäumen gegen ihren Untergang krampfhaft versuchen wird, ein rigoroses System von “Recht und Ordnung” durchzusetzen. Alles was von der Norm abweicht, wird Gegenstand schwerster Unterdrückung, da die Gesellschaft verzweifelt versuchen wird am Leben zu bleiben.
Die wahre Tragödie sind hier aber die Nachwirkungen auf die Gesellschaft nach dem Zusammenbruch. Die eingeträufelte Unterdrückung wird noch weiterbestehen, wie der Fuß eines Frosches, der noch weiter tretet, obwohl der Körper schon lange gestorben ist.

Peter Stone
World Collapse

***

Peter verbrachte die Nacht zusammen mit Honon in der Kabine des gepanzerten Fahrzeuges. Sie sprachen noch eine Weile miteinander und verglichen die Erfahrungen, die sie bei ihrer Reise durch das Land gemacht hatten. Peter erfuhr, dass Honon das Land bereits seit vier Jahren regelmäßig durchquert und bereits viele dieser Karawanen geführt hat. Das Bild, das er zeichnete, war nicht sehr rosig. Elend, Hunger und Zwietracht waren in den USA allgegenwärtig. Plagen hatten bis jetzt noch keine Opfer gefordert., aber die Zustände in den Städten verschlechterten sich in dem Maße, dass die sanitäre Versorgung wohl zusammenbrechen werden würde, was zu einer Verbreitung von Seuchen führen würde.
“Irgendwie,” sagte Honon, “ist es ein glücklicher Umstand, dass der Zusammenbruch weltweit stattgefunden hat. Hätten die jüdischen Guerillas vor fünf Jahren nicht ihren Krieg in Russland angefangen, dann hätten die Russen wahrscheinlich unsere Schwäche zu ihrem Vorteil genutzt und wären hier einmarschiert. Aber mit den Juden im Land und den Chinesen an der Grenze und einer zunehmenden Ressourcenverknappung, geht es ihnen noch schlechter als uns.
Die Schmerzen in Peters Arm und die Anstrengungen des letzten Tages forderten am Ende ihren Tribut von Peter. Er lehnte sich in dem ledernen Sitz zurück und hatte seinen besten Schlaf seit langer Zeit.
Honon rüttelte Peter an seiner guten Schulter und weckte ihn kurz nach Sonnenaufgang auf. Raus aus den Federn,” sagte er gut gelaunt. “Es ist Zeit fürs Frühstück— und auch Zeit, um die restlichen Leute kennen zu lernen, mit denen Sie diese Reise verbringen werden.
Peter stieg aus dem Fahrzeug aus und sah zum ersten Mal die komplette Karawane. Die ersten beiden Fahrzeuge waren gepanzert— und nach all dem was Honon über die Zustände im Land gesagt hatte, konnte Peter ihm nur zustimmen, dass die Karawane für alles mögliche gerüstet sein muss. Als nächstes in der Reihenfolge war ein großer Wohnwagen um den sich eine große Gruppe versammelt hatte. Hinter dem Wohnwagen waren ein blau-weißer VW-Bus und dahinter drei weitere Autos, alles Kleinwagen. Das muss nach einer ziemlich interessanten Parade aussehen, dachte sich Peter amüsiert.
Als Peter sich mit Honon dem Wohnwagen näherte, konnte Peter die Blicke der anderen spüren. Sie müssten bereits von ihrem neuen und berüchtigtem Mitglied gehört haben. Er fragte sich, wie viele ihn bereits hassen würden.
“Kommt alle her”, rief Honon. Die Unterhaltungen verstummten. “Ich möchte euch unseren Neuzugang vorstellen, Peter Stone. Ich glaube, wir sind ihm viel Dankbarkeit schuldig, denn er war es, der unsere Leute dazu antrieb was zu tun. Ohne ihn gäbe es kein Kloster und keine Pläne für das Raumschiff. Bitte vergesst nicht ihm zu zeigen, wie dankbar wir ihm sind.”
Peter war über diese Vorstellung überrascht und noch überraschter als die Leute genauso taten wie Honon ihnen auftrug. Zuerst waren sie etwas zurückhaltend und unsicher, aber sie kamen dann in kleinen Gruppen, um ihn zu begrüßen und ihn in der Karawane willkommen zu heißen. Männer und Frauen kamen, um ihm die Hand zu schütteln und Kinder lächelten ihn strahlend an.
“Tut mir Leid, ich kann nicht hier bleiben und dich allen anderen vorstellen,” sagte Honon. “Ich muss noch schnell mein Frühstück einnehmen und dann zusehen, dass ich uns einen Schuhmacher hole.”
“Einen Schuhmacher?”
“Ja, das Kloster hat einen guten Mann empfohlen. Er lebt in Central L.A.” Er sah die Überraschung in Peters Gesicht und erklärte es ihm. “Schau, wenn du eine Kolonie besetzen willst, dann versuchst du die hellsten Köpfen aufzutreiben, die es gibt. Aber ich sage es dir jetzt schon, dass das so nicht klappen würde. Ein paar Eierköpfe— sogar sehr viele Eierköpfe— werden benötigt, klar, aber man kann keine Welt aufbauen nur mit Ärzten und Atomphysikern. Wenn die Rohre zum ersten mal streiken, dann hätten sie ein Riesenproblem. Ich muss auch Leute rekrutieren, die bei einem Pioniereinsatz nützlich sind. Leute die bereits wissen, wie man das produziert, was wir benötigen werden. Da wo du hingehen wirst, gibt es keine Fabriken, die Kleidung in Massen anfertigen. Du brauchst gute Handwerker, die gute Schuhe von Grund auf anfertigen können. Auf dieser Reise befindet sich ein Sammelsurium an Leuten, das ist richtig; aber wir versuchen die Menschheit zu retten und die Menschheit an sich ist ein Sammelsurium. Denk mal darüber nach.”
Honon stieg in den Wohnwagen und kam einen Moment später mit einer Feldflasche, zwei großen Stücken Weizenkuchen und ein paar getrockneten Früchten wieder raus. “Wir sehen uns etwas später”, sagte er zu Peter. “Lerne in der Zwischenzeit die anderen kennen. Ich glaube du wirst feststellen, dass sie eine ziemlich gute Truppe sind.” Er ging zum ersten gepanzerten Fahrzeug, nahm ein Motorrad aus dem Laderaum und fuhr Richtung Stadt.
Während Peter zusammen mit den anderen in der Frühstücksschlange stand, kamen andere Mitglieder der Karawane und stellten sich ihm vor. Er traft Dominic und Gina Gianelli aus Oakland, ein Pärchen Mitte dreißig. Dom, wie der Mann es bevorzugte genannt zu werden, war Tischler und “ein American Football Fan. Aber es sieht nicht so aus, als ob es noch allzu viele Spiele in der nächsten Zeit geben wird.” Peter konnte dem nur zustimmen. Die Gianellis hatten fünf Kinder, alle zwischen zwei und zehn Jahre alt; obwohl er ihnen alle vorgestellt wurde, hatte er Probleme sie sich zu merken,außer Mary, dem achtjährigen Mädchen, dass ihm und Honon letzte Nacht Essen gebracht hatte.
Er lernte Bill und Patty Lavochek aus San Luis Obispo kennen. Die Lavocheks, beide Mitte zwanzig, waren seit vier Monaten verheiratet und betrachteten das Ganze als ein aufregendes Abenteuer— und als eine gute Möglichkeit ein neues Leben anzufangen. Bill, ein Mechaniker, war sich sicher, dass seine Fähigkeiten in dem Kloster und der neuen Welt gefragt sein würden.
Peter lernte auch Harvey und Willa Parks kennen. Harv, Besitzer einer Klempnerei aus San Francisco, war ein kleiner, abgebrühter Mann Ende dreißig. Er war schroff im Umgang, hatte aber ein freundliches Gemüt. Willa war zehn Jahre jünger als Harv. Sie war eine leise, schüchterne Frau, die alles effizient und ohne sich zu beschweren tat was ihr aufgetragen wurde. Sie hatten zwei Kinder, eine siebenjährige Tochter und einen vierjährigen Sohn.
Kurz bevor Peter an der Reihe war, kam die Ärztin, Sarah Finkelstein, um sich nach seinem Arm zu erkundigen. Er sagte ihr, dass er etwas steif sei, aber funktionsfähig. Sie sagte ihm dann auch, dass er ihr Bescheid geben soll, sollten sich weitere Probleme ergeben.
Am Ende der Schlange stand ein japanisches Pärchen, dass die Essensausgabe machte, Charlie und Helen Itsobu, beide Anfang dreißig. Charlie war mit allem rund um das Kochen beauftragt, weil er professioneller Koch war — um genau zu sein, war er Chefkoch in einem japanischen Restaurant, welches mal zu Peters Favoriten gehörte. Peter erkannte wie talentiert Charlie eigentlich sein muss— ein Mann so jung wie er steigt in kulinarischen Kreisen eigentlich nicht so schnell so hoch auf — und lobte ihn. Charlie lächelte und entschuldigte sich dafür, dass das Essen nicht so elegant war, wie das was Peter gewöhnt sei. Er steckte Peter ein zusätzliches Stück Weizenkuchen zu und zwinkerte ihn an.
Als Peter sich vom Wohnwagen entfernte, winkten ihm die Gianellis zu und deuteten ihm sich zu ihnen zu setzen und gemeinsam mit ihnen das Essen einzunehmen. Peter machte das mit Freude; es war viel zu lange her, seit er sich in solcher Gesellschaft befand und er berauschte sich an der Kameradschaft. Als Peter sich hinsetzte schlug Kudjo ihm auf den Rücken, sie tauschten Höflichkeiten aus, und dann nahm Kudjo ein zweites Motorrad aus dem Laderaum des ersten gepanzerten Fahrzeuges und fuhr davon. “Wo fährt er hin?” fragte Peter.
“Oh, er ist unser Aufklärer,” erklärte ihm Dom Gianelli. “Er fährt voraus, schaut sich die Dinge an und geht sicher, dass der Weg sicher ist. Das hat er auch gestern getan, als ihr euch über den Weg gelaufen seid.”
Peter nickte. “Das ergibt Sinn”
“Er ist ein guter Mann, dieser Kudjo. Er wäre ein wirklich guter Footballspieler gewesen,darauf wette ich. So wie er aussieht, ein natürlicher Wide Receiver.”
“Habt ihr was dagegen, wenn ich mich zu euch setze?” fragte eine weibliche Stimme von hinten. “Ich kann mir diese außerordentliche Chance einen passenden Junggesellen kennenzulernen nicht entgehen lassen.”
“Nur zu,” antwortete Gina Gianelli lächelnd.
Das Mädchen, das sich neben Peter hinsetzte, war klein und etwas untersetzt und hatte strähnige braune Haare und große Puppenaugen. Ihr markantestes Merkmal aber war ihre Nase, welche ihr ganzes Gesicht dominierte und drohte fast das ganze Gesicht einzunehmen. “Ich bin Marcia Konigsburg, 24 und unverheiratet. Nicht dass ich dich für eine Hochzeit absondere, aber ich glaube es ist gut, solche Sachen gleich bekannt zu machen. Ich entwerfe Kleidung für Boutiquen und auch ein paar Theaterkostüme. Ich glaube das ist auch der Grund wieso Honon mich darum gebeten hat mitzukommen — wo auch immer wir ankommen werden, wir werden jemanden brauchen, der die richtige Kleidung für die richtigen Anlässe anfertigen kann.
Peter mochte sie sofort. Sie war von der freundlichen und anhänglichen Sorte, dessen liebenswürdiger Charme den ersten Eindruck von Einfachheit übertraf. “Weißt du, ich habe dein Buch gelesen,” fuhr sie fort.
“Ah, also bist du diejenige.”
“Hey, du hast sogar Humor” Ja, es hat mich ziemlich beeindruckt. Ich war im zweiten Studienjahr im College und ich glaube, dass mich so ziemlich alles beeindruckt hat. David Hume, Aleister Crowley und du, ihr wart meine drei Favoriten.”
“Das macht uns zu einem ziemlich seltsamen Trio.”
“Wenn es dich irgendwie tröstet, meine Freunde haben mir alle gesagt, dass ich keinen Geschmack hätte. Das ist die Sorte von Leuten mit denen ich mich abgebe— verrückt, sie alle.”
Peter fühlte plötzlich ein seltsames Gefühl in seinem Nacken, als ob ihn jemand beobachten würde. Er drehte sich um und sah wie ein Mädchen ihn von der Seite eines Autos aus beobachtete. Sie war jung, schlank, blond und ihre Erscheinung war von fast engelhafter Unschuld. Als er sich aber umdrehte sie anzusehen, starrte sie in eine andere Richtung und tat so, als ob sie nichts bemerken würde. Er zuckte mit seinen Schultern und widmete sich wieder der Unterhaltung.
Marcia hatte nicht mal seine Unaufmerksamkeit bemerkt und redete ein bisschen über den Zusammenbruch der formellen Bildung, den sie selbst miterlebt hatte.
“Und es war genauso wie du es gesagt hattest— der Unterricht hatte immer weniger mit der Realität zu tun, nicht weil nicht versucht wurde den Unterricht relevant zu halten, sondern weil sich die Realität von ihm entfernt hatte.” Ihre Wortwahl war fast die gleiche wie aus seinem Buch; sie musste es auswendig gelernt haben.
Dom Gianelli winkte einem langen Mann in einem weißen Strickhemd und schwarzen Hosen. “Vater Tagon,” rief er, “kommen sie doch rüber und setzen sie sich zu uns!”
Der Mann kam und nahm die Einladung an. “Warte bis du diesen Typen kennen lernst, “ sagte Dom zu Peter. “Er wird dir sicherlich ein paar Gegenargumente liefern können.”
Der Neuzugang war ein großer und dünner Mann Ende dreißig. Er hatte eine Adlernase, braune Augen und eine hohe Stirn, die immer mehr durch zurückgehenden Haarwuchs freigelegt wurde. “Hi,” sagte er und beugte sich Richtung Peter und bot ihm seine Hand an. “Ich bin Jason Tagon.”
“Habe ich richtig gehört? Dom hat sie “ Vater” genannt?”
“Er hätte mich auch “ Doktor” nennen können— ich habe einen Doktortitel in Astronomie. Aber es stimmt, ich bin ein Priester. Titel zählen aber nicht mehr soviel heutzutage und ich bevorzuge es Jason genannt zu werden.”
Peter nickte und speicherte diesen Fakt in seinem Gedächtnis ab, das schnell voll wurde von alle den neuen Namen und Gesichtern. “Dom hatte auch gemeint dass sie Gegenargumente für mich hätten.”
“Das hat er ein bisschen zu stark ausgedrückt. Ich kann nicht gegen ihre Vorhersagen argumentieren — sie sind ja wie man sieht wahr geworden. Es ist ihre Einstellung, die mich stört.”
“Zur katholischen Kirche?”
Jason lächelte. “Das ist ein kleiner Teil davon. Sie sagten— mal sehen ob ich es zitieren kann — ‘die katholische Kirche hat mehr als jede andere Organisation in der Geschichte dazu beigetragen, die Entwicklung der Menschheit zu verzögern.’ “
“Ich hoffe sie nehmen das nicht zu persönlich; Tatsache ist, dass die katholische Kirche länger als jede andere Organisation in der Geschichte vorhanden ist . Alle Organisation werden schlussendlich irgendwann bis zu einem gewissen Grad unterdrückerisch — irgendwann erreichen sie in ihrer Existenz den Punkt, an dem sie zu Selbsterhaltung wechseln und nicht mehr der Erfüllung ihrer ursprünglichen Pflichten nachkommen. Ich habe gegen die bürokratischen Strukturen geschrieben, nicht gegen Katholiken selbst.”
“Das habe ich auch gemerkt. Aber wir Katholiken werden mit dem Gedanken erzogen, dass die Kirche keine Fehler begehen kann und dafür geohrfeigt zu werden, schmerzt trotzdem. Aber das war nicht mein kompletter Einwand. Als geweihter Sprecher Gottes konnte ich nicht anders als zu dem Gefühl zu kommen, dass Sie Ihn komplett ignoriert haben.
“Als geweihter Agnostiker,” konterte Peter, “konnte ich nicht anders denken, als dass das Übernatürliche eine entbehrliche Variable in meinen Kalkulationen war. Ich habe mich hauptsächlich mit der sozialen Ökologie beschäftigt. Die Regeln wurden vor langer Zeit von Gott selbst bestimmt— sollte er tatsächlich existieren — und ich konnte keine Änderungen in den Grundregeln voraussehen, sobald der Zusammenbruch beginnt. Ich habe mich ausschließlich mit Menschen auseinander gesetzt.”
“Und Sie haben die Möglichkeit einer göttlichen Intervention außen vor gelassen.”
“Sagen wir es so, ich hätte sie willkommen geheißen, aber ich habe nicht darauf gezählt.”
“Und was ist mit dem Versuch das Weltall zu Kolonialisieren?”
“Wenn Sie versuchen zu behaupten das sei göttliche Intervention, dann werde ich das nicht widerlegen können. Aber genauso wenig können Sie widerlegen, dass es sich hierbei vielleicht auch einfach nur um die Arbeit von hingebungsvollen und genialen Menschen handelt.”
“Touché.” Jason lächelte.
Peter überkam wieder das selbe Gefühl beobachtet zu werden. Er sah sich um und sah wie das blonde Mädchen ihn von ein paar Meter Entfernung anstarrte. “Wer ist das?” fragte er die Leute um sich herum.
“Das ist Risa Svenson,” antwortete Marcia. “Wir haben sie in Monterey aufgesammelt. Ein wirklich seltsames Mädchen, wenn du mich fragst.”
“Seltsam? Inwiefern?”
“Im Grunde genommen ist sie nur schüchtern,” antwortete der Priester. “Das und ihr junges Alter trennen sie etwas von uns. Sie ist ein wirklich netter Mensch.”
“Ich würde gerne zu ihr hingehen und ein bisschen mit ihr reden. Vielen Dank, dass ihr mit mir zusammen gefrühstückt habt. Ich hätte wirklich Interesse daran unsere Diskussion etwas später fortzuführen, Jason.”
Er stand auf und ging zu dem Mädchen, das so tat als ob es sie ihn nicht bemerken würde. “Entschuldige wenn ich frage, aber wieso starrst du mich an?”
Sie schaut zu ihm auf, überrumpelt. “Ich habe nicht —”
“Doch, hast du. Es stört mich nicht wirklich, aber ich würde gerne wissen wieso.”
Sie öffnete ihren Mund, um eine Entschuldigung loszuwerden, aber schloss ihn wieder und sagte, “ Du bist halt einfach so berühmt und ich wollte dich einfach mal ansehen. Ist das so falsch?”
“Nein, ich bin eher beruhigt, dass du mich nicht als das Monster wahrgenommen hast, welches du dachtest, das ich sei.”
Peter konnte von der Reaktion ihres Gesicht darauf schließen, dass er mit seiner Vermutung richtig lag. “Ich habe nicht wirklich gedacht, dass du ein Monster wärst,” sagte sie beeilt.
“Nein, sicher nicht.”
“Aber ich habe so viele schlechten Sachen über dich gehört —”
“Hast du überhaupt mein Buch gelesen?”
“Nein, ich war etwas zu jung. Ich habe dafür aber die TV- Sendungen gesehen. Ich habe es nicht gemocht — es kam mir so negativ und deprimierend vor.”
“Es war deprimierend und negativ und es hat mir auch nicht gefallen. Aber was kann man gegen die Wahrheit machen? Wenn du versuchst sie irgendwo in einer Ecke zu vergraben, gräbt sie sich wieder raus und kommt zu dir zurück und beißt dich in den Fuß.”
“Alles ist.... Ich weiß nicht. Ich will nur fühlen, dass es für die Welt Hoffnung gibt, irgendwo. Und dein Buch hat den Menschen das Gefühl gegeben, dass es keine gibt.”
“Die Situation war da und für alle zu sehen. Ich war nur derjenige, der das Licht angemacht hat. Es hat nichts gebracht — die Leute haben einfach ihre Augen geschlossen und sind trotzdem über die Zukunft gestolpert. Ich habe nur über die Fakten berichtet.”
“Fakten sind nicht genug,” sagte das Mädchen. “Wir brauchen auch Träume.”
“Wie alt bis du?”
Das Mädchen schaute ihn defensiv an. “19, wieso?”
“Als ich 19 war, habe ich gerade meinen Bachelor in Soziologie erhalten. Die Leuten haben mich für eine Art Genie gehalten und ich bin durch ein beschleunigtes Collegeprogramm gegangen. Damals hatte ich Träume, gute sogar. Ich würde alle Probleme auf der Welt lösen und alles wieder ins Lot bringen, damit wir alle in Frieden leben könnten.” Er zuckte mit seinen Schultern. “Und dann passierte etwas — vielleicht bin ich einfach nur erwachsen geworden, ich weiß es nicht. Aber in nur ein paar Jahren wurden alle meine Träume zu Alpträumen. Die Welt befand sich im seligen Zustand auf den Weg in die Hölle und niemand wollte auch nur ein verdammtes Ding dagegen unternehmen. Ich habe versucht zu schreien, ich habe versucht die Bremsen zu ziehen, aber alle haben mich ignoriert. Ist es daher verwunderlich, dass ich mich hoffnungslos gefühlt habe?” Sehr zu seinem Verdruss stellte er fest, dass er Tränen in den Augen hatte. Das hat mir gerade noch gefehlt, zusammenzubrechen und vor einem wildfremden Menschen anfangen zu weinen,

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Karawane Stephen Goldin

Stephen Goldin

Тип: электронная книга

Жанр: Современная зарубежная литература

Язык: на немецком языке

Издательство: TEKTIME S.R.L.S. UNIPERSONALE

Дата публикации: 16.04.2024

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О книге: Es sind die 1980er Jahre in einer alternativen US-Welt. Die US-Gesellschaft ist unter Lebensmittel- und Treibstoffknappheit, Rassenunruhen und einer Reihe weiterer Probleme zusammengebrochen. Eine Gruppe von Leuten hat vor zu einem anderen Planeten zu fliehen und eine neue Welt zu gründen… sollten sie es schaffen, sicher durch das Land zu kommen und Treibstoff zu stehlen und Banditen abzuwehren, bevor das Raumschiff losfliegt.

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