Ein Licht Im Herzen Der Dunkelheit
Amy Blankenship
Für Kyoko sind mythische Figuren etwas, was man sich ausleiht und am Samstagabend mit seinen Freunden ansieht. Als ein mysteriöser Verfolger die Schatten um ihr in dunkle Ecken mit tödlich scharfen Kanten verwandelt, wird sie sich vor ihrer Vergangenheit verstecken können? Die Dunkelheit ist wieder über die Welt hereingebrochen und die Beschützer haben ihre Wiederauferstehung erwartet. Obwohl man meint, dass sie mythische Kreaturen sind, sind sie in dieser Realität viel wirklicher, als die Menschen glauben. Nur wenn der Mond hoch am Himmel steht, werden diese Kreaturen, diese Beschützer, das Böse bekämpfen, das die Welt an sich reißen will und das Mädchen nehmen, das die ultimative Macht hat… das Licht im Herzen der Dunkelheit.
Amy Blankenship
Ein Licht im Herzen der Dunkelheit
Übersetzt von Martina Hillbrand
Veröffentlicht von Tektime
Ein Licht im Herzen der Dunkelheit
Die Schützende Herzkristall-Serie Buch 4
Amy Blankenship, RK Melton
Ins Deutsche übersetzt von Martina Hillbrand
Copyright © 2009 Amy Blankenship
Englische Ausgabe herausgegeben von Amy Blankenship
Zweite Auflage herausgegeben von TekTime
Alle Rechte vorbehalten.
Die Legende vom Herzen der Zeit
Die Welten können sich verändern… aber echte Legenden verblassen nie.
Finsternis und Licht haben seit Anbeginn der Zeit immer gegeneinander gekämpft. Welten werden erschaffen und zerstört unter den Füßen ihrer Schöpfer, doch der fortwährende Bedarf an Gut und Böse wurde nie in Frage gestellt. Doch manchmal wird ein neues Element in die Mischung geworfen… die eine Sache, die beide Seiten haben wollen, aber nur eine haben kann.
Paradox in seiner Natur ist der Schützende Herzkristall die eine Konstante, nach deren Besitz beide Seiten immer strebten. Der Kristall hat die Macht, das bekannte Universum zu erschaffen und zu zerstören, doch kann er im gleichen Atemzug auch jedes Leid und alle Zwietracht beenden. Manche meinen, der Kristall hätte einen eigenen Willen… andere sagen, dass die Götter hinter allem stecken.
Jedes Mal wenn der Kristall aufgetaucht ist, waren seine Beschützer immer bereit, ihn vor allen zu schützen, die ihn egoistisch verwenden würden. Die Identität dieser Beschützer verändert sich nicht, und sie lieben mit derselben Grausamkeit unabhängig von der Welt oder der Zeit.
Ein Mädchen steht im Zentrum dieser uralten Beschützer und ist das Objekt ihrer Liebe. In sich besitzt sie die Macht des Kristalls selbst. Dies ist die Trägerin des Kristalls und die Quelle seiner Macht. Die Linien verschwimmen oft und den Kristall zu beschützen wird langsam zu der Aufgabe, die Priesterin vor den anderen Beschützern zu schützen.
Dies ist der Wein, von dem das Herz der Dunkelheit trinkt. Es ist die Möglichkeit, die Beschützer des Kristalls schwach und angreifbar zu machen. Die Finsternis sehnt sich nach der Macht des Kristalls und auch nach dem Mädchen, wie ein Mann sich nach einer Frau sehnt.
In jeder einzelnen dieser Dimensionen und Realitäten wirst du einen geheimen Garten finden, bekannt als das Herz der Zeit. Dort kniet eine Statue einer jungen, menschlichen Priesterin. Sie ist umgeben von einer uralten Magie, die ihren geheimen Schatz verborgen hält und ihn sicher aufbewahrt. Die Hände der Jungfer sind ausgestreckt als warteten sie darauf, dass etwas Wertvolles hineingelegt würde.
Die Legende besagt, dass sie darauf wartet, dass der mächtige Stein, bekannt als der Schützende Herzkristall, zu ihr zurückkommt.
Nur die Beschützer kennen die wahren Geheimnisse hinter der Statue und wie sie entstand. Bevor die fünf Brüder ihre ersten Atemzüge taten, hatten ihre Vorfahren, Tadamichi und sein Zwillingsbruder, Hyakuhei, das Herz der Zeit während seiner dunkelsten Geschichte bewacht. Jahrhunderte lang bewachten die Zwillinge das Siegel, das die Menschenwelt davon abhielt, sich dem Reich der Dämonen zu öffnen. Diese Aufgabe war heilig und die Leben der Menschen sowie der Dämonen mussten vor der anderen geheim gehalten werden, um sicher zu sein.
Unerwarteter Weise drang während ihrer Herrschaft eine kleine Gruppe von Menschen wegen des Kristalls unabsichtlich in die Welt der Dämonen ein. In einer Zeit der Unruhen hatte seine Macht zu einem Riss in dem Siegel geführt, das die beiden Dimensionen voneinander trennte. Der Anführer der Gruppe der Menschen und Tadamichi waren schnell Verbündete geworden und schlossen einen Pakt, dass der Riss in dem Siegel repariert werden sollte, damit die beiden Welten für alle Zeit voreinander verschlossen sein würden.
Aber in dieser Zeit hatten Hyakuhei und Tadamichi sich beide in die Tochter des Anführers der Menschen verliebt.
Gegen den Willen von Hyakuhei hatten Tadamichi und der Vater des Mädchens den Riss geschlossen. Die Stärke des Siegels war um das Zehnfache erhöht worden, wodurch das gefährliche Liebes-Dreieck für immer voneinander getrennt war. Hyakuheis Herz war gebrochen… Selbst sein eigener Blutsbruder, Tadamichi, hatte ihn betrogen, indem er sichergestellt hatte, dass er und die Priesterin auf ewig getrennt waren.
Liebe kann sich in die absurdesten Dinge verändern, wenn sie verloren ist. Hyakuheis gebrochenes Herz verwandelte sich in böswilligen Ärger und Eifersucht, wodurch ein Kampf zwischen den Zwillingsbrüdern ausgelöst wurde, der Tadamichis Leben beendete und ihre unsterblichen Seelen zerschnitt. Diese Splitter der Unsterblichkeit erschufen fünf neue Beschützer, die die Bewachung des Siegels übernahmen und es vor Hyakuhei beschützen mussten, der sich den Dämonen im Reich des Bösen angeschlossen hatte.
Eingesperrt in der Finsternis, zu der er geworden war, hatte Hyakuhei alle Gedanken an den Schutz des Herzens der Zeit verworfen… stattdessen richtete er seine Energie darauf, das Siegel völlig zu zerstören. Seine langen, nachtschwarzen Locken, die bis über seine Knie reichten und ein Gesicht, das nichts als Verführung war, verbargen die wirkliche Bösartigkeit seiner engelsgleichen Erscheinung.
Als der Krieg zwischen den beiden Mächten von Licht und Dunkelheit beginnt, strahlt die geweihte Statue ein blendend helles, blaues Licht aus, das anzeigt, dass die junge Priesterin wieder geboren wurde und der Kristall auf der anderen Seite aufgetaucht ist.
Als die Beschützer zu ihr hingezogen werden und ihre Wächter werden, beginnt der Kampf zwischen Gut und Böse erst wirklich. Daher das Eintauchen in eine andere Welt, wo Finsternis dominiert in dieser Welt des Lichts.
Dieses ist eines ihrer vielen epischen Abenteuer…
Kapitel 1
Jahrhundertelang war der rote Mond immer ein Todesbringer gewesen. Diejenigen, die den tödlichen Anblick sahen, versteckten sich aus Angst, ihr Leben an den mächtigen Sog des endlosen Schlafs zu verlieren, den er versprach. In der Ferne war ein durchdringender Schrei kilometerweit zu hören, als das gefährliche Symbol hoch am mitternächtlichen Himmel stand.
Auf einer Waldlichtung standen zwei einsame Gestalten, eine verletzt, schwer atmend, einer seiner Zwillingsdolche fest von seiner Hand umklammert, die andere stand unheilvoll über ihm, ein böses Grinsen auf ihrem unmenschlich schönen Gesicht. Raubtierartige, rote Augen leuchteten im Licht des Vollmondes, warteten auf den nächsten Angriff seines Opfers. Hyakuheis unnatürlich helle Haut schien in der Nacht zu leuchten, sodass er wirkte wie ein engelhafter Sensenmann.
„Du hast uns getötet, ohne uns tot sein zu lassen“, knurrte Toya, und zeigte dabei seine langen Eckzähne. Seine goldenen Augen funkelten voller Abscheu vor dem Mann, der vor ihm stand. Einst sein Freund… der Bruder seines eigenen Vaters… nun sein Erzfeind. „Du Mistkerl!“
„Das sagst du jetzt so überzeugt, aber ich habe euch das ewige Leben gegeben, für euch gesorgt und euch trainiert. Ich liebte dich und deinen Bruder wie meine eigenen Kinder.“ Rot blitzten seine Augen vor Wut über das unverschämte Kind vor ihm.
„Du nennst es Liebe, wenn du uns zu… Monstern machst? Du hast unsere Leben gestohlen! Du hast mich verwandelt und wolltest, dass ich meinen Bruder dazu zwinge, dein zu werden! Du hast uns angelogen, sagtest, dass du den Fluch rückgängig machen kannst, wenn wir uns dir anschließen.“ Sein Atem strömte in einem wütenden Zischen aus seinem Mund, als er fortfuhr.
„Wenn du nicht so verrückt nach meinem Bruder wärst, dann wären wir normale Menschen, würden normale Leben leben, als Familie, und nicht diese blutrünstigen Kreaturen der Nacht, zu denen du uns gemacht hast!“ Bittere Tränen flossen aus Toyas Augen aus Wut über den Betrug… sodass sie sich in ein gespenstisches Silber verfärbten.
„Du bist ein Dummkopf, wenn du meinst, dass du jemals normal warst!“ Hyakuheis Stimme ließ seine Verbitterung ahnen. „Du und dein Bruder trauern etwas nach, was ihr nie haben konntet.“ Seine Stimme wurde einen Moment lang weicher, als er die Erinnerungen an seinen Zwillingsbruder… ihren Vater verdrängte. „Egal.“ Seine Augen brannten, als er sich wieder auf Toya konzentrierte. „Du bist genauso wie dein Vater… egoistisch.“
„Der Tod deines Vaters bedeutete, dass ich mich um euch kümmern musste! Du und dein Bruder, ihr gehört mir, und ich habe schon immer genommen, was mir gehört. Auch er wird mir gehorchen, wenn ich mit dir einmal fertig bin.“ Hyakuheis mit langen Klauen besetzte Hand spannte sich vor Vorfreude an, wartete darauf, endlich das Blut des jüngeren Mannes zu fühlen, wie es von ihren tödlichen Fingerspitzen tropfte. „Du bist derjenige, der dein eigen Fleisch und Blut betrogen hat!“
Toya wirbelte herum, lauschte der verhassten Stimme, als Hyakuhei flimmerte und verschwand, nur um gleich darauf auf seiner anderen Seite zu erscheinen. Er wusste, dass der tödliche Vampir nur mit ihm spielte, aber Toya hatte keine Angst mehr. Die Angst war mit ihr gestorben…
„Wieso hast du sie getötet?“, fragte Toya, seine Stimme ein leises Zischen voller Wut und Verzweiflung. „Dachtest du, dass du den Kristall gewinnen würdest, indem du sie tötest? Niemals! Sie hat sich geweigert, dir diese Macht zu geben und das hat dich geärgert. Nicht wahr, Hyakuhei?“, schrie er, als er sich im Kreis drehte, versuchte, seinem Gegner zu folgen, als dieser ihn in tödlicher Absicht umkreiste.
„Es war kein Geheimnis, dass du sie für dich selbst wolltest.“ Toyas Hand umklammerte seinen Dolch noch fester, als er sich wütend an ihre besorgten Augen erinnerte… wie sie verfolgt worden war… den Anblick ihres leblosen Körpers.
„Jeder, der Augen im Kopf hat, konnte erkennen, wie du sie angesehen hast, wenn du dachtest, dass ich und Kotaro nicht aufpassten.“ Sein Atem entkam ihm in einem leisen Schluchzen und er wankte für einen Moment, wusste, dass er und Kotaro, beide sie geliebt hatten… sie hatten gegen Hyakuhei und gegeneinander um sie gekämpft. Niemand hatte gewonnen. „Wir haben dich gesehen.“
„Kyoko gehörte mir und sie wird immer mir gehören!“, schrie Toya, voller Rage darüber, dass er diejenige verloren hatte, die er mehr liebte, als die Luft zum Leben… sie war weg. Sie war sein Licht in der Dunkelheit gewesen, zu der diese Welt geworden war.
Sie war der Grund gewesen, warum er Hyakuhei widerstanden hatte. Nun war der Grund für seinen Widerstand weg und Toya fühlte, wie das Feuer in seiner Seele sich zu einer tödlichen Temperatur erhitzte. Er hatte sie leblos am Boden liegend gefunden, einen kleinen Dolch in ihrem Herzen. Tief in sich kannte er die Wahrheit… er und Kotaro hatten es beide gewusst… Hyakuhei hatte sie irgendwie ermordet.
Hyakuheis schwarze Augen wurden noch ein wenig dunkler, als er den jüngsten Sohn seines Bruders voller Verachtung betrachtete. „Ach ja, der geheimnisvolle Schützende Herzkristall… eine solche Macht gehört nicht zu einem leichtsinnigen Kind wie dir. Die mächtigsten Wesen haben nach dem Schützenden Herzkristall gesucht… dachtest du, dass du der einzige warst, mein lieber Junge? Nicht nur Vampire, sondern auch Unsterbliche und Zauberer und sogar Werwölfe sehnen sich danach eine solche Macht zu bekommen.“
„Ist dir nicht klar, was geschehen wäre, wenn die Lykan sie vorher gefunden hätten?“ Hyakuheis Augen verfärbten sich rot bei dem Gedanken, dass Kotaro, der Anführer der Lykan-Stämme eine solche Macht versammeln könnte. Sein Zorn stieg noch weiter, als er sich an den Geruch des Lykan auf ihrer Haut in jener Nacht erinnerte. Er würde einem solchen Verrat nicht tatenlos zusehen.
„Nein, du leichtsinniges Kind, ich habe mich schon um die Priesterin gekümmert, die den Kristall in sich trug.“ Hyakuheis Augen wurden böse, als er an die kleine Lüge dachte.
In Wahrheit… hatte er das Mädchen nicht ermordet. Sie hatte Selbstmord begangen, um ihn davon abzuhalten, den Kristall zu bekommen. Er hatte sie schon in seinen Fingern gehabt, bereit, die Macht zu nehmen, die sie in sich trug. Die Macht, von der die Legende erzählte, wenn man ihr glauben durfte… die seiner Dunkelheit ermöglicht hätte, im Licht zu wandeln… und sich davon zu ernähren.
Seine Finger kribbelten noch immer von der kurzen Berührung mit ihrer Haut. Er hatte hinter ihr gestanden… die Wärme ihres Körpers an seiner kalten Hand gefühlt. Ihre grünen Augen hatten sich zu ihm gedreht und einen Moment lang herausfordernd seinen Blick festgehalten. Er hatte nur einen kleinen Vorgeschmack gewollt. Zu spät hatte er den Dolch in ihrer Hand gesehen, als dieser sich in ihrer Brust vergrub. Er hätte sie verwandeln können und alles mit ihr teilen können, aber… sie lehnte sein großzügiges Angebot ab.
Die mutige, aber törichte Frau hatte geglaubt, dass sie die Macht des Kristalls für immer vor ihm wegsperren konnte, indem sie sich tötete. Für immer war eine sehr lange Zeit, um zu versuchen, etwas vor ihm zu verstecken.
„Sie wird wiedergeboren werden!“, schrie Toya seinen Schmerz hinaus, wusste, dass er versagt hatte, sie nicht vor Hyakuheis Wut hatte beschützen können. Seine Schuldgefühle dafür, dass er nicht dagewesen war, um sie zu retten, nagten schwer an ihm. Sie hatte gewusst, dass er ein Vampir war… eine Kreatur der Nacht… und trotzdem hatte sie ihn nicht verschmäht. Stattdessen waren sie Freunde geworden. Kyoko hatte ihm ihr Leben anvertraut.
Vor Toyas innerem Auge spielten Bilder aus der Zeit, in der er sie gekannt hatte, ab… sein Körper sackte auf seine Knie, als er seine Finger in den Boden grub und zusah, wie seine Tränen fielen. ‚Es war nicht lange genug!‘, schrie er still, völlig verzweifelt.
Er hatte sie erst so kurz gekannt; sechs Monde lang. Als er sie zum ersten Mal getroffen hatte… hatte er nur den Kristall gewollt… den Kristall, von dem sie anfangs nicht einmal gewusst hatte, dass sie ihn trug. Aber er konnte ihn in ihr leuchten sehen… hörte ihn rufen. Dann veränderte sich etwas. Toya versuchte plötzlich, sie zu beschützen, anstatt ihr den Kristall wegzunehmen.
Seit sie in seine dunkle Welt eingedrungen war, hatte Toya die Wahrheit hinter der Legende um den Schützenden Herzkristall herausgefunden, Dinge, die nicht einmal Hyakuhei verstand. Er hatte seinem Bruder die Geheimnisse erzählen wollen, aber Hyakuhei hatte es ihm unmöglich gemacht, Kyou rechtzeitig zu finden… nun war es zu spät.
„Du wirst nie sein Licht in der Dunkelheit haben… ich werde Kyoko wiederfinden und den Kristall vor dir beschützen!“ Toyas Stimme war rau und voller Sehnsucht nach Rache. „Sie wird wieder leben und ich werde da sein und auf sie warten.“ Eine einzelne silberne Träne rollte über seine Wange, als er rief: „Gemeinsam! Sie und ich, wir werden einen Weg finden, Kyou von dir zu befreien!“
Hyakuhei trat näher zu Toya, ein finsteres Kichern kam tief aus seiner Brust. „Oh ja, mein lieber Toya, sie wird wieder leben. Der Kristall wird zurück in diese Welt kommen und ich werde derjenige sein, der seine Macht bekommen wird, aber auch das Mädchen. Was meinen allerliebsten Kyou angeht… ich bin sicher, ich kann etwas finden, womit dein Bruder sich die Zeit vertreiben kann, bis der Tag kommt.“
Toya knurrte tief in seiner Kehle, wusste, dass das eine zweideutige Aussage war. „Behalte deine kranken Bemerkungen für dich. Ich werde einen Weg finden, uns wieder normal zu machen. Und du… ich werde dich töten!“ Er endete in einem Schrei, als der Wind stärker wurde, bösartig durch die Lichtung brauste.
Der Dolch in seiner Hand blitzte in einem Bogen aus silbernem Licht, berührte kaum die dunkle Robe, die Hyakuheis Körper bedeckte. Toya konnte nicht glauben, wie schnell sein Gegner war, aber seine Stirn lag in angestrengten Falten, sein Vorhaben stand fest. Ein zweiter Dolch erschien in seiner anderen Hand und er schwang ihn, direkt gefolgt von dem ersten.
Hyakuhei duckte sich unter den tödlichen Klingen hindurch, das jahrhundertelange Training machte sich bezahlt. Menschen waren so einfach zu besiegen und Toya, obwohl er verwandelt war, war immer noch sehr menschlich in seiner Art zu denken… immer noch ein Kind in den Augen des Vampirs.
Er musste zugeben, dass irgendwie sein Schutz der Priesterin Toyas Macht fast auf das Niveau eines Uralten gehoben hatte. Indem er ihm die Priesterin weggenommen hatte, hatte er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Ohne einen Grund zu kämpfen… war Toyas Macht stark geschwunden.
Hyakuheis linke Hand schoss nach vor, schaffte es irgendwie, Toyas beide Handgelenke in einem festen Griff festzuhalten. Toya hatte keine Möglichkeit, sich zu verteidigen, als die Klauen der rechten Hand des Vampirs grausam in seine Wange schnitten.
Silberne Augen trafen einen Moment lang auf blutrote, als Hyakuhei seine Klauen einzog. Seine Lippen zeigten ein böses Lächeln, als er die Hand hob und sanft über die Wunde strich, die er eben so wild erzeugt hatte. „Was für eine Schande, eine solche Perfektion zu trüben… fast wie dein Bruder.“ Er leckte die Tropfen frisch vergossenen Blutes von seinem Finger, ehe er hinzufügte: „Aber ich kann nicht zulassen, dass deine rebellische Liebe Kyou von mir ablenkt.“
Als er fühlte, wie seine Handgelenke losgelassen wurden, machte Toya einen Schritt zurück und versuchte, den neuerlichen Angriff, der auf seinen Oberkörper zielte, abzuwehren. Er stöhnte vor Schmerz, als Blut aus den Schnitten in seiner Brust trat. Einen Arm auf seine Wunden gepresst, weiteten sich seine goldenen Augen, als er rückwärts stolperte und dieses Mal ließ Hyakuhei ihn.
Toya konnte fühlen, wie die gebrochenen Knochen in seinen Handgelenken aneinander rieben, und er musste sich schon konzentrieren, um zu verhindern, dass seine Dolche zu Boden fielen. Während er hochsah zu dem Mann, den er mehr hasste als den Tod, versuchte Toya den Schmerz abzuschütteln, denn er wusste, dies war kein Spiel… selbst die Untoten konnten sterben.
„Du dämliches Kind, du meintest, du kannst deinen Bruder retten, indem du mich tötest? Du kannst kaum noch deine Waffen halten und noch viel weniger versuchen, mein Leben zu nehmen.“ Hyakuhei grinste gemein, dann wurde sein Gesicht friedlich, sein Ärger war plötzlich weg. Die nächtliche Brise hob die Enden seines langen, rabenschwarzen Haars, sodass es aussah, als lebte es.
„Du hattest nie eine Chance, Kleiner. Ich werde dir helfen zu schlafen, damit du den Schmerz nicht mehr fühlst“, murmelte Hyakuhei, als seine Augen weich wurden, während er den verwundeten Mann betrachtete, so wie ein Vater, der sein ungezogenes Kind schalt.
Silberne Augen blitzten rot vor Wut über diese Worte. „Du wirst meinen Bruder nie bekommen, du Arschloch! Solange er atmet wird Kyou dich nicht gewinnen lassen und ich auch nicht!“, schrie Toya, als er sich auf die schwarz gekleidete Gestalt stürzte, in einem letzten Versuch, seine unsterbliche Seele zu retten.
Hyakuhei verschwand einen Augenblick bevor Toyas Dolch das kalte Herz durchbohren konnte, das tief in seinem alterslosen Körper verborgen lag. Stechend rote Augen leuchteten, dürsteten danach, das Blut des jungen Mannes zu vergießen, der dachte, dass er ihm Widerstand leisten konnte.
Seine dunkle Gestalt schwebte hoch oben… hielt nur einen Moment lang inne, ehe sie nach unten schoss, um seine Beute anzugreifen.
Toyas Sinne wiesen ihn schreiend auf die Gefahr hin, die sich näherte, aber er war noch nicht geübt genug, um zu erkennen, woher der Angreifer kam. Er sah sich panisch um, aber seine Sinne waren nun geschwächt durch den Blutverlust aufgrund seiner Wunden… und dem Loch in seinem Herzen. Toya fühlte, wie Angst in ihm aufstieg.
Sein Herz schmerzte von den Worten, die ihm sein so genannter ‚Vater‘ an den Kopf geworfen hatte. „Ich kann dich nicht gewinnen lassen, du Monster. Das Leben meines Bruders hängt davon ab“, flüsterte Toya schwer atmend, doch in seinen Ohren klangen die Worte wie Donner.
Die kalten Finger der Angst umklammerten sein Rückgrat, als er hoch in den Nachthimmel blickte. Seine Augen weiteten sich vor Schreck über den Anblick, den er nur aus der Sicht des Jägers kannte… nicht des Opfers. ‚Also… so sieht das aus.‘ Der Gedanke drang in sein überarbeitetes Gehirn vor.
Er versuchte, sich zu bewegen, aber wurde von einer unbekannten Macht festgehalten. Ihre Blicke trafen sich zu einem tödlichen Duell. Rote Augen stachen geradewegs in seine Seele und Toya wusste, der Tod kam.
Der Schrei, der in seiner Kehle begann, wurde von einem gurgelnden Geräusch ersetzt. Seine silbernen Augen verblassten zu Gold, während sie die roten Augen seines Mörders betrachteten, als die Zeit stillzustehen schien. Sein Körper fühlte sich taub an, als er langsam zwischen ihren beiden Körpern nach unten sah.
Tränen fielen aus Toyas Augen und ließen das helle Gold verblassen. ‚Ich habe versagt. Bitte vergebt mir… Kyoko… Kyou‘, waren die letzten Gedanken, die seinen letzten Atemzug begleiteten.
Er konnte fühlen, wie sein Herzschlag sich immer weiter entfernte, als der Schmerz verging. Geheimnisse offenbarten sich zu seinen letzten Herzschlägen, als er still und voll traurigem Erstaunen flüsterte: „Kyoko… seit wann bist du schon hier?“
Ein Blick voll von krankem Genuss auf ihrem Gesicht lächelte die schwarz gekleidete Gestalt mit leuchtend roten Augen zufrieden. Langsam senkte er sie beide auf die harte Erde. Die Klauen seiner Hand tief in der Brust des jungen Mannes, der Augen wie die Sonne hatte.
Hyakuhei riss ruckartig das Herz heraus, das aufgehört hatte zu schlagen.
Den Blick fest auf Toyas leblose Augen gerichtet flüsterte er: „Ich habe mich immer gefragt, wie Kyous Augen aussehen würden, wenn er weint… ich wette, sie sind schöner.“ Er beugte sich nach vorne und küsste Toyas Stirn, ehe er sich aufrichtete und umdrehte, um den Mann anzusehen, der gerade ein kleines Stück hinter ihm gelandet war.
Ein sadistisches Lächeln strich über sein Gesicht, als er seine Hand mit dem blutenden Herz ausstreckte und darauf wartete, dass Kyou näherkam. „Für dich, mein Liebling, jetzt gibt es nichts mehr, was uns trennt.“ Seine Stimme wehte mit der Brise durch die Nacht.
Kyous Augen wurden schmal vor Abscheu, als er das frische Herz betrachtete, das ihm entgegengestreckt wurde. War Hyakuhei schon so lange untot gewesen, dass der Tod für ihn ein Geschenk war?
Voller Abscheu drehte Kyou dem verstörenden Bild den Rücken zu. Er hatte die Angst seines Bruders gefühlt und war gekommen, um nachzusehen. Stattdessen hatte er seinen sogenannten ‚Vater‘ vorgefunden und konnte die Aura seines Bruders nicht mehr fühlen.
Etwas war absolut nicht in Ordnung und Kyou konnte fühlen, wie die Nerven in seinem Körper seine Haut warnend kribbeln ließen.
Er konnte den Besitzer des Herzens, das noch immer seinen Lebenssaft aus der Hand des uralten Vampirs tropfen ließ, nicht sehen. Hyakuhei verstellte ihm die Sicht. Es nervte ihn, dass er so von seiner Suche nach seinem jüngeren Bruder abgehalten wurde. Er hatte seinen Bruder seit über einem Jahr nicht gesehen, aber heute Nacht… wusste er, dass Toya ihn brauchte. Es musste wichtig gewesen sein, denn Kyou hatte den Ruf so stark gefühlt.
Nachdem er die freudige Erregung des Mannes vor ihm fühlte, richtete Kyou den Blick seiner goldenen Augen auf Hyakuhei. „Wessen Seele hast du diesmal gestohlen?“, fragte er, seine Stimme voller Abneigung.
„Wieso kommst du nicht, um es selbst zu sehen, Liebling? Ich bin sicher, du wirst sehr überrascht sein. Es ist mein Geschenk an dich.“ Ein wissendes Lächeln erhellte seine Züge, als Hyakuhei zur Seite trat… sodass Kyou das Opfer sehen konnte. Seine Hand einladend in Toyas Richtung ausgestreckt, drehte er sich um, um die Leiche am Boden anzusehen.
Kyous Blick folgte Hyakuheis Hand, als er langsam einen Schritt näherkam, verwirrt, dass die Identität des Opfers wichtig zu sein schien. Seine goldenen Augen weiteten sich, als er die gekrümmte Gestalt im Dreck liegen sah, und ein greller Blitz des Schreckens schoss durch sein Rückgrat. Sein Herz begann zu rasen, als er die ihm so vertrauten leuchtend silbernen Strähnen in dem schwarzen Haar sah, das nun durch Blut und Schmutz verklebt über dem Gesicht des Mannes lag, als wollte es seine wahre Identität verbergen.
Er fühlte, wie sein gesamtes Sein vor Zorn und Verzweiflung schrie, denn er wusste, dass er auf den ermordeten Körper seines vermissten Bruders starrte.
„NEIN!“ Kyou warf seinen Kopf in seinen Nacken und brüllte. Tränen traten in seine Augen, als er den Verantwortlichen ansah. „Was hast du getan?“ Er fauchte, als er vorwärts schoss, nur wenige Zentimeter vor dem Mörder seines Bruders anhielt. Seine goldenen Augen bluteten rot… verlängerte Eckzähne zeigten sich unter seinen Lippen. Die Klauen seiner Hände ausgestreckt wartete er auf das Geständnis, konnte seine Wut kaum noch zurückhalten.
„Nur das, was ich schon von Anfang an hätte machen sollen… denjenigen aus dem Weg räumen, der dich nicht so wertschätzt wie ich.“ Hyakuheis Gesichtsausdruck wurde einen Moment lang weicher, als er seinen Lieblingssohn betrachtete.
Kyou hatte all seine Aufmerksamkeit und Zuneigung erhalten, seit er ihm das Geschenk der dunklen Unsterblichkeit gegeben hatte… und doch war Kyou noch nicht glücklich gewesen. Es war die Traurigkeit in Kyous goldenen Augen gewesen, die ihn so in den Bann gezogen hatte… die Einsamkeit in ihm war liebenswert und erinnerte Hyakuhei an seine eigene Melancholie. Dann hatte er Kyous Bruder Toya verwandelt, in der Hoffnung, die Zuneigung seines wertvollen Besitzes zu gewinnen. Aber… das hatte Kyou nur noch trauriger gemacht.
Hyakuhei sah zu, wie die bitteren Tränen sich in Kyous Augen sammelten und er wusste, er hatte recht gehabt… Kyou war göttlich, wenn er weinte.
In diesem Moment zerriss etwas tief in Kyou, als ein trauernder, ohrenbetäubender Schrei aus seiner Kehle entkam. In blinder Rage griff er den Mörder seines Bruders an, seine Zähne gefletscht, seine Klauen gefährliche Waffen. „Ich werde dein Herz herausreißen und deinen Körper von den Tieren der Nacht auffressen lassen, für das, was du getan hast!“
Problemlos wich der böse Mann dem Angriff aus und im Handumdrehen lag Kyou am Boden. Mit einer Ruhe, die nicht bis in seine blutroten Augen vordrang, beugte Hyakuhei sich hinunter und betrachtete das Gesicht, das ihn immer wieder im Schlaf verfolgte… das Gesicht seines eigenen Bruders.
„Ich habe nur gemacht, was für uns notwendig war. Toya wollte nicht, dass du mein Geschenk hast, und wollte es dir wegnehmen. Irgendwann wirst du es verstehen“, murmelte er, als seine Lippen sanft über einen wütend verzogenen Mund strichen, während er diese Worte sprach.
Mit einer Kraft, von der er nicht gewusst hatte, dass er sie besaß, schleuderte Kyou den anderen Mann mehrere Meter von sich weg, sein Körper zitterte. Voller Abscheu wischte er sich mit dem Unterarm über den Mund und knurrte gefährlich.
„Aber, aber, Kleiner, beruhige dich“, sagte der Mann mit lieblicher Stimme, als er aufstand und den Staub von seinen Kleidern wischte. Seine Augen leuchteten in einem Versprechen, als sein Körper zu flimmern begann und dann in der Nacht verschwand. „Ich werde dich beobachten… auf dich warten… mein Liebling.“
Kyous Welt zerbrach in tausend Teile, als er auf den leblosen Körper seines Bruders hinuntersah. ‚Ich werde den Tod meines Bruders rächen und dich bis in alle Ewigkeit jagen, wenn es sein muss. Wenn ich dich finde, wirst du hierfür bezahlen… Hyakuhei…‘
Er sank zitternd auf seine Knie und hob vorsichtig Toyas Leiche hoch in seine Arme… drückte dessen Kopf an seine Brust. Das Haar seines kleinen Bruders war aus dem Gesicht gerutscht, sodass Kyous Blick verschwamm, als er erfolglos versuchte, seine Tränen zurückzuhalten. Es sah so aus, als würde Toya einfach schlafen… friedlich zum ersten Mal seit viel zu langer Zeit.
Er schaute zu, wie seine Tränen auf Toyas Wange tropften, und Kyou fühlte, wie sein Herz brach. Seinen geliebten Bruder fest an sich gedrückt, flüsterte Kyou mit zittriger Stimme: „Toya, bitte vergib mir… dass ich nicht rechtzeitig gekommen bin.“ Sein Atem entkam ihm in einem Schluchzen, als er seine Augen vor Schmerz zusammenpresste. „Ich wusste, dass du mich brauchtest… ich hätte dich retten sollen.“
Kyous Gedanken wanderten zurück zu dem Tag, als Hyakuhei ihn in das verwandelt hatte, was er jetzt war… an dem Tag nach dem Tod seines Vaters. Kyou hatte gewusst, dass Hyakuhei nur ihn gewollt hatte… und Toya war nur ein kleines Kind gewesen. Also war Kyou mit seinem Onkel gegangen, selbst als sein kleiner Bruder geweint und ihn angefleht hatte, nicht zu gehen… um ihn zu beschützen.
Er konnte sich noch an das Misstrauen erinnern, das er in Toyas großen, goldenen Augen gelesen hatte, als dieser Hyakuhei angestarrt hatte, weil er es gewagt hatte, ihm seinen großen Bruder wegzunehmen. Es war die Erinnerung an diesen verängstigten Blick gewesen, die Kyou geholfen hatte, sich mehrere Jahre lang von seinem Bruder fernzuhalten… um ihn zu schützen.
Als Toya älter geworden war, hatte Kyou den Drang verspürt, ihn zu sehen… hatte ihn insgeheim aufgesucht, ihn aus der Ferne beobachtet… zugesehen, wie sein Bruder das Leben lebte, das er nicht hatte. Toya aus den Schatten zu beobachten, war Kyous einzige Freude in jenen dunklen Tagen gewesen. Er war oft in Toyas Schlafzimmer eingedrungen… um ihn schlafen zu sehen.
Hätte er gewusst, dass Hyakuhei ihn verfolgt hatte und ihn beobachtete, wie er Toya beobachtete… hätte er Toya nie in solche Gefahr gebracht. Sein Onkel hatte Toya verwandelt, weil er gedacht hatte, dass es das war, was Kyou wollte. Es war seine Schuld gewesen, als Toya zum ersten Mal gestorben war.
Toya hatte gegen ihren Onkel gekämpft, während er verwandelt wurde und auch danach. Als ihre Streits gewalttätiger wurden, hatte Kyou versucht, Hyakuheis Aufmerksamkeit von seinem Bruder abzulenken. Dann hatte Toya begonnen, von einer Heilung für Vampire zu sprechen… dem Schützenden Herzkristall. Er hatte geschworen, dass er ihn finden und sie beide heilen würde.
Toya hatte seine Heilung gefunden… im Tod.
Angestrengt vermied Kyou, auf die nun leere Höhle zu sehen, wo das Herz seines Bruders einst gewesen war, während er aufstand, um Toyas Leiche wegzutragen und ihm ein würdiges Begräbnis zu geben.
Er konnte Hyakuheis Anwesenheit nicht mehr fühlen, aber er wusste, dass er noch immer in der Nähe war, ihn beobachtete… ihn immer beobachtete. Kyou verstand, dass er weggehen musste, sich verstecken musste, bis er stark genug war, um den Feind zu zerstören, der ihm das einzige, was er liebte, genommen hatte… seinen kleinen Bruder. Er trat in die Dunkelheit, verließ lautlos die Lichtung.
Kamui atmete erleichtert auf, als die Brüder weg waren und er senkte den Tarnschild um Kotaros zerschundenen Körper. Als er auf den Lykan hinuntersah, wusste Kamui, es würde eine Weile dauern, bis Kotaros Wunden verheilt waren… nicht nur die Wunden an seinem Körper, auch die, die nun tief in seinem Herzen lagen.
„Komm“, flüsterte Kamui und zog einen von Kotaros Armen um seine Schultern, um ihm beim Aufstehen zu helfen. „Hyakuhei ist nicht weit und ich muss dich hier wegbringen.“ Seine Augen glänzten in den Farben des Regenbogens, als er versuchte, seine eigenen Tränen zurückzuhalten. Es war zwecklos, denn er konnte schon fühlen, wie sie heiße Spuren auf seinen Wangen hinterließen.
So viel war in nur ein paar tödlichen Stunden verloren worden… er wusste nun, was schwärzer als schwarz war. Er würde nicht auch noch Kotaro verlieren.
„Ich hasste ihn nicht so sehr“, flüsterte Kotaro, als er niedergeschlagen auf die Stelle schielte, wo Toyas Leiche eben noch gelegen hatte. Sie beide hatten Kyoko geliebt und die Frau hatte ihre Liebe zwischen den beiden aufgeteilt… hatte nie einen der beiden gewählt, wenn sie gekämpft hatten… bis heute Nacht. Das Schicksal hatte ihm nur wenige kurze Stunden geschenkt… zumindest hatte Toya nichts davon gewusst.
Seine Hand ballte sich zur Faust. Toya wäre wütend gewesen… aber er wäre am Leben gewesen. „Ich hätte lieber seine Wut gehabt… nicht das hier… nicht das.“ Seine Stimme versagte.
Sie beide hatten versucht, sie zu beschützen, aber jetzt war Toya… Kotaros eisblaue Augen wurden wässrig. „Ich habe ihn nie gehasst.“
„Er weiß das“, sagte Kamui, während er Kotaro in die Richtung des einzig sicheren Ortes führte, den er kannte… das Haus des Zauberers Shinbe. Er musste ihrem Freund von Toyas Schicksal erzählen… und von Kyokos. Shinbe würde wissen, was zu tun war, er wusste immer Rat.
„Ich werde dieses Arschloch Hyakuhei umbringen“, knurrte Kotaro und begann sich gegen Kamuis Halt zu wehren, als sein Lykan-Erbe an die Oberfläche trat. „Er hat sie umgebracht… er hat Toya wegen ihr umgebracht. Wenn ich ihn finde, wird er sich wünschen, dass er ein Mensch wäre.“
Als wäre die Luft aus einem Luftballon ausgelassen worden, zitterte Kotaros Körper. Er wusste, dass Toya viel stärker gewesen war, als er je zugegeben hatte, aber ohne Kyoko, die er beschützen wollte… hatte Toya seinen Willen zum Kämpfen verloren. Hyakuhei hatte das gewusst, bevor der Kampf überhaupt erst begonnen hatte.
Toyas Trauer hatte ihn leichtsinnig gemacht… ungeduldig. „Wenn er nur gewartet hätte… ein paar Sekunden länger. Kyou hätte ihn retten können.“ Traurigkeit schwang in jeder Silbe mit, als Kotaro wütend seine Tränen wegwischte, die still über seine Wangen rollten.
„Ich wollte sie beide retten… Kyoko.“ Der Schmerz seines geschwächten Körpers war zu viel und er schloss seine eisblauen Augen und übergab sich dem Nichts, das den Schmerz eine Weile lang betäuben würde.
Kamui nickte, als er Kotaros schlaffen Körper hochhob und ihn trug. „Du hast genug gemacht. Ruh dich jetzt aus“, flüsterte er. „Nun bin ich an der Reihe, dich zu retten.“
Kapitel 2
In der Stunde vor Sonnenaufgang schwebte Kamui über einem nicht gekennzeichneten Grab. Die beiden Männer, die zu seinen beiden Seiten standen, waren alles, was er jetzt noch hatte. Er hatte zugesehen, wie Shinbe seine telekinetischen Kräfte genutzt hatte, um die Erde aus Toyas Grab zu heben und es zu verbreitern, damit die zweite Leiche hineinpasste.
Shinbe und Kotaro trugen beide denselben Gesichtsausdruck… Trauer und sture Kraft. Kamui wusste, dass sie wegen ihm versuchten, stark zu sein, aber er konnte sie durchschauen, sah die Melancholie, die sie beide versteckten.
Sie alle starrten hinunter auf das Grab… die schmerzliche Realität wurde ihnen langsam bewusst. Es hätte nicht so enden sollen… die Guten sollten doch nicht verlieren… oder sterben. Shinbe hatte ihnen geholfen, eine Entscheidung darüber zu treffen, was sie machen sollten. Nachdem sie Kyokos Leiche aufgestöbert hatten, hatten sie sie zu dem Grab gebracht, in das Kyou seinen Bruder gelegt hatte, und hatten sie gemeinsam begraben.
Toya hätte es so gewollt… es fühlte sich richtig an.
Kamui hatte Kyokos Leiche nicht tragen können, nachdem sie sie gefunden hatten. Das Blut, das an ihr klebte, war nicht das, was ihn störte. Es war einfach herzzerreißend, eine Person zu sehen, die so liebenswürdig und unbefleckt gewesen war, einst so viel Licht in sich getragen hatte, dass es in den Augen schmerzte… wie sie da in der Dunkelheit lag, ihre Augen offen, aber das Augenlicht erloschen.
Als er Kamuis Schock gefühlt und seine Hände zittern gesehen hatte, war Kotaro nach vorne getreten und hatte sie liebevoll in seine Arme hochgehoben, hatte dabei versucht, die Steifheit ihrer Glieder zu ignorieren. Er erlaubte sich in diesem Moment keine anderen Gefühle als Wut und Trauer. Wenn er die anderen zugelassen hätte… wie sehr er sie geliebt hatte, dann hätten seine Beine ihn nicht mehr getragen… die Trauer wog viel zu schwer.
Den Ausdruck auf Kamuis Gesicht zu sehen, hatte ihm geholfen, seine eigenen Emotionen zu kontrollieren… es hatte auch geholfen, dass Taubheit eingesetzt hatte. Kamui war kein Mensch und auch kein Tier… was auch immer er war… sein Herz zerbrach. Kotaro beschloss, dass es seine neue Mission sein würde, Kamui zu beschützen, obwohl der Junge es wahrscheinlich nicht einmal brauchte.
Kamui wischte die Tränen aus seinen Augen, versuchte, so stark zu sein wie Kotaro und Shinbe. Der Wind blies in sein unzähmbares, violettes Haar, als er auf die frisch umgegrabene Erde starrte. Er hatte seinen Umhang ausgezogen und die beiden vorsichtig darin eingewickelt, um die Macht des Zaubers, den er gleich erzeugen würde, zu verstärken.
Seine glänzenden Augen geschlossen verschränkte er seine Finger, als leuchtende Flügel aus seinem Rücken erschienen. Sie glitzerten in Farben, die so intensiv waren, dass sie für menschliche Augen nicht bestimmt waren.
Shinbe und Kotaro machten erschrocken einen Schritt zurück, verstanden plötzlich, was Kamui war. Das Wort Engel blieb ihnen im Hals stecken, denn er sah so traurig aus. Wie ein Engel mit einem gebrochenen Herzen… ein gefallener Engel.
Vorsichtig zog Kamui eine Feder aus seinem rechten Flügel und streckte seine Hand aus, die Handfläche nach oben gerichtet. Der traurige, ernste Ausdruck auf seinem Gesicht veränderte sich nicht. Seine Augen aber, leuchteten mit einem Funken Hoffnung, als er schnell mit dem plötzlich spitzen Ende der Feder über seine Handfläche fuhr, wodurch er einen oberflächlichen Schnitt erzeugte.
Die rote Flüssigkeit sammelte sich in seiner Hand und Kamui schloss seine Finger langsam zu einer Faust, ehe er sie über das Grab streckte. Die heiligen Tropfen seines Lebensblutes fielen auf die Erde, woraufhin der Boden mit einer außerirdischen, elektrisch blauen Macht leuchtete.
Shinbe und Kotaro konnten nur voller Ehrfurcht zusehen, als dies geschah. Sie wagten es nicht, sich zu bewegen, aus Angst, dass sie das Ritual, das Kamui vollzog, stören könnten. Beide verstanden, dass sie etwas Unglaubliches sahen und dass sie so etwas zweifellos nie wieder sehen würden.
Die Luft um Kamui begann sich zu drehen und formte einen Wirbelsturm aus fluoreszierend blauem Licht. Die schallende Stimme, die von seinen Lippen kam, klang älter und weiser, als sie es in ihrer Erinnerung je getan hatte. Sie erhob sich zum Himmel, ein beängstigendes Geräusch, das meilenweit zu hören war, und alle, die es vernehmen konnten, verbeugten sich unbewusst vor seiner Macht.
„Tausend Jahre sollen vergehen…
Solange warten wir dich wiederzusehen…
Wenn das Blut eines Beschützers fließt zu Erden…
Die Prophezeiung erfüllt soll werden…
Es wird nur zwei Seelen wiederbeleben…
Ihnen das Licht zurückgeben…
Gegen die dunkle Macht der Nacht sollen sie kämpfen…
Mit diesem Versprechen werden wir Unsterbliche die Waffen ergreifen…
Denen, die wiedergeboren wurden, Schutz erteilen…
In die Hände von Stein und Marmor wird der Feind geben…
Den einzigen Wunsch, den er hat… im Licht zu leben.“
Der Wirbelwind kreiste um Kamui, als sich zwei schimmernde Federn aus den leuchtenden Flügeln lösten und sich wie zwei kleine Dolche mit den Spitzen nach unten drehten… innerhalb des Zyklons gerade nach unten fielen und auf dem Grab landeten. Die glitzernden Federn steckten kurze Zeit in der Erde, ehe sie sich in den Boden senkten und sich mit den Seelen seiner Freunde verbanden.
Kamuis Knie trafen am Boden auf, als der Zauber verweht wurde, sodass in alle Richtungen eine Schockwelle entstand. „Bis wir uns wiedersehen, Kyoko… Toya“, flüsterte Kamui, als er fühlte, wie die Einsamkeit ihn übermannte. „Vielleicht wird das nächste Leben in einer besseren, viel helleren Zeit sein.“
Shinbe stand still neben ihm, wollte nichts mehr, als selbst auch Tränen zu vergießen… aber konnte sich diesen Luxus nicht leisten. Hyakuhei war noch dort draußen und er wusste, dass der Vampir mit dem schwarzen Herzen ihn letztendlich holen würde. Der Feind würde wissen, was sie getan hatten. Er würde so viele Spuren auslöschen, wie er konnte.
Indem er in seine Tasche griff, holte Shinbe ein kleines, violettes Fläschchen gefüllt mit zeitlosem, magischem Pulver hervor. Er streute es vorsichtig über den Boden, während er im Kreis um das Grab ging, um es vor allen neugierigen Blicken zu schützen. Der Boden wurde sofort wieder fest und verbarg die Stelle des frischen Grabes.
Shinbes Augen leuchteten in derselben violetten Farbe, als er Worte flüsterte, die nur er verstehen konnte.
Er fühlte eine zeitlose Verbindung zwischen Brüdern, die in einer ewigen Schlacht gegen die Finsternis gekämpft hatten, durch seine Seele schweben, um zu einem Symbol des Schutzes über dem Grab zu werden. Über dem Ort, wo seine Freunde ruhten, blühten Blumen, ohne dass Samen gesät worden waren. Blüten in fünf Farben erschienen auf dornigen Stängeln… silbern… golden… eisblau… violett… und glitzernder Regenbogenstaub.
„Ich muss mich verabschieden“, sagte Shinbe nach langem Schweigen. Er wollte nicht, dass seine Anwesenheit den Aufenthaltsort der anderen verriet, und wusste, dass es Zeit war zu gehen. Sein Blick streifte wieder das Gebüsch mit den Blüten in den merkwürdigen Farben. Toya und Kyoko waren nun vor Hyakuhei geschützt und der Zauber würde nicht gestört werden.
Im Augenblick… war das alles, was er ihnen bieten konnte, abgesehen von seiner Trauer.
Kamui sah hoch zu dem Zauberer, erschrocken über die neue Entwicklung. „Was? Aber… wieso?“ Seine Augen weiteten sich in einem panischen Moment… würden ihn nun alle verlassen? War es nicht schon schlimm genug, Toya und Kyoko zu verlieren?
Als er Kamuis Angst fühlte, legte Shinbe eine beruhigende Hand auf die Schulter seines Freundes und versuchte zu erklären: „Du weißt ebenso gut wie ich, dass Hyakuhei irgendwann herausfinden wird, was wir hier getan haben.“ Er blickte über Kamuis Schulter auf Kotaro, wissend, dass der Lykan verstehen würde, wieso er sie verließ.
„Ihr werdet seinem immer aufmerksamen Blick entgehen können… aber ich habe diese Macht nicht. Ich werde mich verstecken können, aber ich weiß nicht wie lange.“ Shinbe ließ ein langes Seufzen hören und sah hoch zu dem Mond, der tief am Himmel stand. „Meine Tage sind nun gezählt…“ Ein weiches Lächeln hob seine Mundwinkel, als ob er ein Geheimnis kannte. „… So soll es sein.“
„Ich werde mit dem nächsten Schiff nach Westen fahren, über den Ozean. Dort werde ich eine bessere Möglichkeit haben, meine Identität vor Hyakuhei geheim zu halten, und vielleicht finde ich sogar einen Weg, um meine eigene Seele gleichzeitig mit unseren lieben Freunden zu reinkarnieren.“ Er hoffte, dass es die Wahrheit war, was er da sagte. Sie würden ihn brauchen, wenn der Tag gekommen war.
Kamui schielte hinunter auf das Grab unter ihm und dann wieder hoch zu seinem Freund, zum ersten Mal, seit dieser Albtraum am Abend begonnen hatte, wieder ruhig. Er wollte nicht, dass Shinbe das nächste Opfer war, also verstand er, ja. Vorsichtig zog er eine Regenbogenfeder aus seinem rechten Flügel und drückte sie an Shinbes Hals.
Shinbe atmete scharf ein, als sie hell zu leuchten begann, ehe sie in seiner Haut verschwand. Er sah hinunter und erkannte den schwachen Umriss der Feder direkt über dem Kragen seines Umhangs.
„Das wird dir helfen, wenn es soweit ist“, sagte Kamui mit einem Lächeln und schenkte Shinbe eine verständnisvolle Umarmung. Er würde Shinbe nicht lange verlieren… egal was geschah.
„Wir werden uns wiedersehen, mein Freund“, flüsterte Shinbe, ehe er sich aus Kamuis Umarmung löste. Er nickte Kotaro zu, wusste, dass der Lykan Kamui für sie alle beschützen würde. Shinbe schielte zurück zu dem Grab, dann riss er seinen Blick los und ließ sein Haar über sein Gesicht fallen, um seine Traurigkeit zu verbergen. „So soll es sein“, flüsterte er wieder und verschwand in der umgebenden Dunkelheit.
„Bereit, mein Junge?“, fragte Kotaro, wobei er dem Grab seinen Rücken zuwandte. Er wusste, dass er nicht bleiben konnte. Shinbe hatte recht… je weiter weg sie waren, umso besser würde der Zauber geschützt sein.
Kamui wollte die Augen verdrehen darüber, wie Kotaro ihn genannt hatte, aber brachte es nicht übers Herz. Sein Herz war begraben in der Erde unter seinen Füßen und auch wenn er bis ans Ende der Zeit warten musste, er würde sehen, wie Hyakuhei für seine Taten büßte.
„Ja“, sagte Kamui und streifte einen Arm über seine Augen. „Ich bin bereit.“
Kotaro legte ihm einen Arm um die Schultern und führte ihn weg. Der Lykan hatte erkannt, dass er keine Tränen mehr für die Frau vergießen konnte, die er mit seinem gesamten Sein geliebt hatte. Seine Seele fühlte sich an, als hätte jemand sie ihm aus dem Leib gerissen, sie in kleine Stücke gerissen und nur die Hälfte davon zurückgegeben.
Wenn der Zauber, den Kamui und Shinbe erzeugt hatten, funktionierte, würde er seine geliebte Kyoko wiedersehen. Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als er daran dachte, welche Streiche er und Toyas Reinkarnation sich überlegen würden, um ihre Liebe zu gewinnen. Er würde mit dem größten Vergnügen wieder um sie kämpfen, wenn es bedeutete, dass Toya zurückkam. Schließlich… hatte sie sie beide geliebt.
Er unterdrückte den Drang, zum Grab zurückzublicken. „Tausend Jahre sind eine lange Wartezeit, aber ich werde für dich da sein… Kyoko.“
*****
Über tausend Jahre in der Zukunft… Heute.
Eine einsame Gestalt stand am Dach des höchsten Gebäudes, betrachtete die dicht bevölkerte Stadt unter ihm. Sein Gesicht zeigte nichts von der herzerweichenden Erinnerung an den Körper seines einzigen Bruders, der vor Jahrhunderten einsam und leblos auf dem kalten, harten Boden gelegen hatte. Sein einst warmes, schlagendes Herz in den Klauen des sadistischen Monsters, das sie beide erschaffen hatte.
Er hatte alles in seiner Macht Stehende getan, um sich selbst von dem Bösen, das ihn still umgab, zu entfernen. Ebenso wie die Menschen dieser Welt, ernährte er sich nur von den Tieren, die die Natur ihnen bot. Obwohl die Dunkelheit alles war, was ihm erlaubt war, so wie es der Fluch eines Vampirs forderte, würde er nie zu dem Dämon werden, den sein Onkel aus ihm machen wollte.
In den letzten Jahren hatte sich etwas in ihm geregt… eine Sehnsucht, die er nicht verstehen konnte, und die er mehr als tausend lange Jahre nicht gefühlt hatte.
Erinnerungen, die er nie vergessen hatte, spielten sich wieder in Kyous Kopf ab, von einem einst unschuldigen, jungen Mann, der sein Leben mit Freude erfüllt hatte, selbst in einer Welt der Dunkelheit. Toya… Er war so voller Leben gewesen… mit lachenden, goldenen Augen und der Unwissenheit eines Kindes. Wieder stach sein Herz vor Schulgefühlen dafür, dass er seinen jüngeren Bruder nicht hatte beschützen können.
Sonnengoldene Augen, die durch die Jahrhunderte der Einsamkeit kalt geworden waren, bluteten rot bei der Erinnerung an ein Versprechen, das er noch erfüllen musste. In jedem Jahrzehnt, das vergangen war, war Kyou viel stärker geworden. Viele Male war er ihm nahe gekommen, aber das Objekt seines Hasses und seiner Rache entwich ihm immer wieder.
Er würde nicht ruhen, ehe die bösartige Kreatur, die er suchte, sich vor Schmerzen zu seinen Füßen wand und seine Seele in die Hölle geworfen wurde, wo sie hingehörte.
Kyous Blick wurde angezogen von dem einzigen ruhigen Ort in der ganzen Stadt… dem stillen Park im Zentrum. „Solche Orte sollten nicht in der Nähe einer solchen Bösartigkeit sein“, murmelte er in die Nacht. Nachdem er von dem Gebäude gesprungen war, setzte Kyou seine Suche fort, so wie er es die letzten Jahrhunderte getan hatte. Hyakuhei würde mit seinem Leben dafür bezahlen, dass er ihm den einzigen weggenommen hatte, der ihm je etwas bedeutet hatte, oder es je tun würde. Sein Bruder war für immer verloren und würde nicht zurückkehren.
„Toya…“, flüsterte Kyou, als er in der Nacht verschwand, das Sinnbild eines Racheengels…
*****
Der Park war um diese Tageszeit immer friedlich. Es war ein ruhiger Nachmittag und die Sonne stand hoch am Himmel. Kotaro spazierte gemächlich zwischen den Bäumen in der Mitte, wo ein großer Marmorblock stand. Er hatte keine Ahnung, woher dieser kam… er war schon immer dagewesen, seit er denken konnte. Er war sogar älter als die Stadt selbst. Alles, was er mit Sicherheit wusste, war, dass er ein überwältigendes Gefühl des Friedens fühlte, wenn er in seiner Nähe war.
‚Wer hätte gedacht, dass so ein rechteckiger Felsbrocken solch beruhigende Gedanken hervorrufen kann?‘ murmelte Kotaro vor sich hin.
Einem kleinen Pfad zwischen den Bäumen folgend ging er zu dem Stein, sodass er ihn ansehen konnte. Obwohl es kein völlig zufriedenstellender Tag gewesen war… mit der Gewissheit, dass der Felsen noch dastand, fühlte er sich gleich viel besser.
Kotaro blieb mitten im Schritt stehen, als er zu der Lichtung kam, und runzelte die Stirn über die Person, die im Schneidersitz auf dem Stein saß, ihre Ellbogen auf die Knie und das Kinn in die Hände gestützt. Kurzes, violettes Haar bewegte sich leicht in der sanften Brise, sodass der Mann fast aussah wie ein Kind.
„Was, zur Hölle, machst du hier?“, fragte Kotaro scharf.
Kamui grinste, ohne ihn anzusehen. Stattdessen nickte er in die Richtung der Uni in der Ferne. „Darauf warten, dass meine Vorlesung anfängt.“
Kotaro schüttelte den Kopf und ging weiter, ehe er wieder stehenblieb und herumwirbelte, um Kamui anzusehen. „Wovon redest du da? Du gehst überhaupt nicht auf diese Uni.“
Kamui zwinkerte ihm zu, ehe er langsam verblasste und dann weg war und nur einen Wirbel aus glitzerndem Regenbogenstaub hinterließ.
Kotaro schaute wütend auf den Staub, der in der Luft schwebte, ehe auch dieser verschwand. „Manchmal ist dieser Junge echt undurchschaubar“, erklärte er der nun verlassenen Lichtung, dann senkte sich sein Blick, als würde er den Stein streicheln. Er hörte das Geräusch schneller Schritte auf dem Asphalt, aber bemerkte es kaum, bis ihm jemand von hinten auf die Schulter tippte. Er zuckte scharf zusammen und wirbelte herum, um Hoto und Toki zu sehen, die vornüber gebeugt standen, ihre Hände auf ihren Knien und schwer um Atem ringend.
„Was ist denn mit euch passiert?“, fragte Kotaro mit einem Grinsen, als er sich wieder von seinem Schock erholt hatte.
Hoto winkte mit einem Blatt Papier vor seinem Gesicht. „Für dich… von der Polizei… wichtig.“
Kotaro griff nach dem Zettel. „Von der Polizei, ja? Muss wirklich wichtig sein, wenn es euch beide dazu bringt, einen Marathon zu laufen.“
Toki nickte, ehe er sich zu Boden fallen ließ und auf die Seite drehte, um sich auszuruhen. Hoto senkte sich nur auf seine Knie und legte seinen Kopf auf das Gras.
„Ihr beide seid die größten Schwächlinge, die ich je gesehen habe“, beschwerte sich Kotaro gutmütig.
„Seitenstechen“, winselte Toki. „Muss zurück… in ein… klimatisiertes… Büro.“
Kotaro seufzte resignierend und ließ die beiden in der warmen Sonne liegen, ehe er den Zettel auseinanderfaltete. Seine Hand ballte sich zur Faust, sodass das Papier zerknüllt wurde, das er gerade von der Polizeistation in der Nähe das Campus bekommen hatte. Ein weiteres Mädchen war spurlos verschwunden. Er war schon eine ganze Weile damit beschäftigt, das Verschwinden von vielen jungen Mädchen zu untersuchen, was ihn letztendlich auch zu der Uni geführt hatte, wo er nun der Chef des Sicherheitsdienstes war.
Seine Gedanken wanderten sofort zu seiner geliebten Kyoko. Er hatte sie wiedergefunden und so wie er es erwartet hatte… war Toya nicht weit. Eine Sache, die ihn überrascht hatte, war die Tatsache, dass Toya normal wiedergeboren worden war… völlig menschlich, oder so schien es wenigstens.
Manchmal konnte er den wahren Toya direkt unter der Oberfläche fühlen… unbemerkt von den anderen, aber bisher war dieser Teil von ihm noch nicht erwacht. „Danke Gott für einen kleinen Gefallen.“ Kotaro fuhr sich nervös mit der Hand durch sein zerzaustes Haar.
Er war froh, dass keiner der beiden sich an die Vergangenheit erinnerte… es waren Erinnerungen, die besser vergessen werden sollten. Er wünschte sich, dass er das Privileg hätte, sie einfach zu vergessen… aber für ihn blieben die Erinnerungen… und führten oft dazu, dass er in Schweiß gebadet nachts aufwachte.
Nachdem er den Park verlassen hatte, fand er sich selbst wieder auf den Pflastersteinen, die den Weg vor dem Campus bedeckten. Kotaro richtete seine eisblauen Augen auf das Gebäude, wo Kyoko lebte. Er runzelte die Stirn, Sorge lag auf seinem Gesicht und er verspürte den plötzlichen Drang, nachzusehen, ob ‚seine Frau‘ in Sicherheit war.
Die langen Haare an seinem Hinterkopf wurden von einem tief sitzenden Gummiband zusammengehalten. Der Rest weiter vorne am Kopf sah immer ein wenig zerzaust aus, sodass er an einen ungezogenen Jungen erinnerte, aber das passte ihm ganz gut so. Dieses Aussehen hatte ihm in den letzten Jahren mehr als nur einmal genützt.
Sein Körper war groß mit schlanken Muskeln… aber man sollte ihn nicht nach dem Aussehen beurteilen. Er hatte kein Gramm Fett und war stärker als 50 Menschen zusammen. Die einzigen Leute, die von seiner unmenschlichen Stärke wussten, waren diejenigen, die ihn zu sehr ärgerten, oder es wagten, sich ihm in den Weg zu stellen. Und diese wenigen hatten zu große Angst, als dass sie etwas darüber gesagt hätten. Niemand am Campus wusste von Kotaros heimlicher anderen Seite und er wollte, dass das auch so blieb.
Kotaro war verantwortlich für die Sicherheit einer jeden Person, die sich am Campus bewegte, egal ob es ein Besucher, ein Student oder ein Professor war. Seit etwa einem Monat waren immer wieder junge Frauen aus dieser Gegend verschwunden, und die meisten davon in der direkten Umgebung der Uni.
Ein tiefes Knurren ertönte in seiner Brust, als er die Gerüche um sich herum einatmete. In der Luft lag ein uralter Geruch… des Bösen. Er näherte sich demjenigen, der für mehr als nur das Verschwinden der Mädchen verantwortlich war… das konnte er fühlen. Nachdem er diese Gedanken vorerst verdrängt hatte, ging er forschen Schrittes zu den Wohnhäusern, in denen viele der unschuldigen Studenten wohnten.
Er würde gehen und nach Kyoko sehen, und wenn sie ihn in ihre Wohnung ließ… seine Augen verdunkelten sich… würde er sie den Rest des Tages nicht mehr alleine lassen… und auch nicht in der Nacht. Er hoffte nur, dass Toya heute nicht wieder in der Nähe war. Er wollte sie für sich alleine haben. Schließlich war sie eigentlich seine Frau und dieser Junge würde sein Leben anders ausfüllen müssen.
Seine Schritte wurden langsamer bei dem Gedanken… er war froh, dass Toya jetzt wenigstens ein Leben hatte. Ein fast belustigtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er innerlich dieses Leben bedrohte, wenn Toya nicht endlich aufhörte, Kyoko auf Schritt und Tritt zu verfolgen.
Allein der Gedanke daran, wie sie neben ihm auf ihrem bequemen Sofa saß, Popcorn aß und irgendeinen romantischen Film ansah, klang für ihn wie der perfekte Abend. So etwas machten sie mindestens einmal pro Woche und für ihn… war das der beste Teil jeder Woche. Dann hatte er seine ungestörte Zeit mit seiner braunhaarigen Schönheit. Es machte keinen Unterschied, ob sie einen Film ansahen, oder nur auf der Couch saßen und quatschten… er liebte einfach das Gefühl, wenn sie sich an ihn kuschelte.
Kotaro grinste zufrieden, fragte sich, wie es wäre, wenn er immer an ihrer Seite wäre… Tag und Nacht.
Sein Grinsen verblasste bei dem nächsten Gedanken… Kyoko hatte ihn noch nicht ausgewählt. Toya war immer noch im Rennen. Zumindest in diesem Leben. „Einige Dinge ändern sich nie.“ Er sah hoch in den Himmel, als wollte er ein sarkastisches Danke an irgendjemanden da oben schicken. Etwas sagte ihm, dass die Götter einen sehr verstörenden Sinn für Humor hatten.
*****
Die Prüfungen waren endlich geschafft und Kyoko sang schon den ganzen Nachmittag diese Worte. Sie war ein braves Mädchen gewesen und hatte gelernt, bis sie ihre Bücher einfach nicht mehr sehen konnte, aber es hatte sich bezahlt gemacht. Sie wusste einfach, dass sie all diese gemeinen Tests gut bestanden hatte. Schon wegen dieses Gedankens wollte sie schon den ganzen Tag einen Freudentanz aufführen.
Tatsächlich war das Erste, was sie gemacht hatte, als sie in ihre Wohnung gekommen war, ihre Bücher quer durchs Wohnzimmer zu werfen, als wären sie ansteckend und dann hatte sie endlich dem Drang nachgegeben… spontan einen Freudentanz im Flur aufgeführt, als wäre sie noch ein kleines Mädchen.
Direkt danach war sie übergegangen zu ihrer eigenen Version des Torjubels, den sie bei Toya einmal gesehen hatte, und so war sie bis in ihr Bad gehüpft, wo sie sich ein heißes Schaumbad gönnen wollte. Kyoko hatte beschlossen, dass, wenn sie das schon machen wollte, dann richtig, und hatte die Stereoanlage aufgedreht und Kerzen geholt.
Sie jubelte immer noch über ihren Erfolg als die Wanne sich gefüllt hatte, und machte kurzen Prozess mit ihrer Kleidung, indem sie sie auszog und einfach in die Luft warf. ‚Wahrscheinlich werde ich meine Unterwäsche am Ventilator wiederfinden, wenn ich fertig bin‘, dachte sie, dann zuckte sie die Schultern und setzte sich in das warme Wasser.
Sie rutschte weiter hinunter in das Bad, sodass die Seifenblasen über ihren Schultern und um ihren Hals schwammen. Ihre smaragdgrünen Augen, die dafür bekannt waren, dass sie von einem Augenblick auf den anderen stürmisch werden konnten, leuchteten zufrieden.
Die nussbraunen Wellen ihres Haares türmten sich ungeordnet auf ihrem Kopf und ihre seidig weiche Haut war unter dem Schaum versteckt. Sie war ein glückliches Mädchen… und alles, was sie jetzt noch tun wollte, war, sich den restlichen Tag zu entspannen. Ein wenig sanfte Musik im Hintergrund, süß duftende Kerzen, die das Badezimmer beleuchteten, und alles war perfekt.
Sie schloss ihre Augen, wusste, dass sein Bild bald in ihrem Kopf auftauchen würde… als wartete er auf sie. Es war ihr kleines Geheimnis.
Eisblaue Augen beobachteten sie aus ihrem Kopf heraus. Sie hatte nachts so oft von ihm geträumt, dass sie sein Bild nun auch im wachen Zustand heraufbeschwören konnte. Je tiefer sie in den Traum eintauchte, umso realistischer wurde er, bis es schien, dass er wirklich da war… neben der Badewanne kniete.
Seine Lippen verzogen sich zu einem sinnlichen Lächeln, als er die Hand ausstreckte und ihr den Waschlappen aus der Hand nahm… während seine Augen so hell leuchteten, wie blaues Feuer.
„Träume sind schön“, flüsterte sie und rollte ihren Kopf zur Seite, ließ ihn tun, was er wollte.
‚Klingeling.‘ Eines der nervigsten Geräusche der Welt hallte durch die Wohnung. Kyoko richtete sich ruckartig auf, sodass das Wasser über den Rand auf den Fliesenboden schwappte. Sie hob ihre Hand zu ihrer Wange und konnte die Hitze dort fühlen, als das Telefon wieder klingelte.
„Verdammt!“ Sie stand schnell auf, wusste, dass das Telefon am anderen Ende des Wohnzimmers stand. Während sie aus der Wanne kletterte, nahm sie ihren seidenen Bademantel von der Kommode und wickelte sich darin ein, während sie lief, um den Anruf entgegenzunehmen.
Als sie erkannte, dass sie eine Spur aus Wasser am Boden hinterließ, beschloss sie, dass sie in Zukunft das Schnurlostelefon mit ins Badezimmer nehmen musste.
Am anderen Ende der Leitung klopfte Suki mit ihren Fingernägeln auf den Küchentisch, wünschte sich, dass Kyoko sich beeilen würde. Sie hatte das sichere Gefühl, dass Shinbe jeden Moment hier auftauchen würde und sie wollte nicht, dass er erfuhr, was sie plante.
Sie hörte das Klicken am anderen Ende. „Endlich!“
Kyoko nahm das Telefon wieder weg von ihrem Ohr, um es wütend anzustarren, dann hob sie es wieder hoch. „Suki, ich war in der Badewanne!“, jammerte Kyoko, während sie sehnsüchtig wieder durch die offene Badezimmertür schielte, denn sie wusste, das Wasser war noch heiß und roch nach Jasmin. Es lockte sie, wieder zurückzukommen, um es zu genießen… ebenso wie ihr Traum. Sie biss sich auf ihre Unterlippe, als sie ihren Blick von dem losriss, was sie so gerne wollte.
„Stehst du da nackt?“, kicherte Suki, die wusste, dass Kyoko immer schnell errötete.
„Suki!“, rief Kyoko vorwurfsvoll. Ihre Freundin hatte einen verrückten Sinn für Humor, was wahrscheinlich daher kam, dass sie viel zu viel Zeit mit Shinbe verbrachte. Sie grinste spitzbübisch und entgegnete. „Wolltest du etwas? Es gibt da ein heißes, duftendes Bad, das meinen Namen ruft, und du unterbrichst unser kleines Date.“
„Date?“ Suki betrachtete das Telefon und verdrehte die Augen. „Du brauchst eindeutig Hilfe, Kyoko. Wer hat denn ein romantisches Bad alleine? Du solltest zumindest deine Einbildungskraft nutzen und dir einen sexy Mann vorstellen, der dir den Rücken schrubbt, wenn du da drinnen bist.“ Sie seufzte resignierend, völlig ahnungslos, wie schockiert Kyoko gerade darüber war, dass diese Aufforderung der Wirklichkeit so nahe kam.
„Egal, jedenfalls werden wir beide gemeinsam ausgehen, um zu feiern, dass die Prüfungen vorbei sind“, verkündete Suki. Sie hatte nicht vor, Kyoko die Gelegenheit zu geben abzulehnen.
„Ich akzeptiere kein Nein, also mach dich schon mal fertig. Und trag die Klamotten, die wir letztes Wochenende gekauft haben. Das mache ich auch.“ Suki holte kurz Luft und sprach dann gleich weiter, bevor Kyoko etwas einwerfen konnte. „Ich hole dich um halb acht ab. Bis dann, Liebling!“
Kyoko blinzelte, als das Telefon klickte, um zu zeigen, dass die Verbindung unterbrochen worden war. Ihre Lippen standen noch offen, weil sie bei der ersten Gelegenheit nein hatte sagen wollen. Sie starrte still auf die Wand, die ihre beiden Wohnungen trennte, fragte sich, ob Suki von dort angerufen hatte, oder von ihrem Handy.
Nach einem kurzen Blick auf das Display seufzte sie. „Handy, klar.“ Dann nützte es wohl nichts, an die Wand zu hämmern. Aber die Vorstellung davon, wie sie Suki erwürgte, zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. „Ich darf es mir ja vorstellen.“
Nachdem sie das Schnurlostelefon wieder zurückgestellt hatte, sah Kyoko hinunter auf ihren seidenen Bademantel, der nun an ihrem nassen Körper klebte, und stöhnte. Das warme Wasser auf ihrer Haut war kalt geworden und sie bekam eine Gänsehaut. Schnell drehte sie sich um, um wieder in die Badewanne zu steigen.
„Klingeling.“ Kyoko zuckte zusammen.
Sie wirbelte herum und ihre linke Augenbraue hob sich genervt. „Ich hoffe, das ist Suki, damit ich ihr sagen kann, wie gern ich es mag, wenn man mir sagt, was ich zu tun habe!“ Mit einer ruckartigen Bewegung hob sie das Telefon wieder hoch und sagte ein wenig zu laut: „Hallo!“
Toya grinste über Kyokos Begrüßung. „Ach komm schon, hat deine Mami dir nicht beigebracht, höflich zu sein, wenn du das Telefon abnimmst?“
Kyoko hatte gute Lust dazu, zum Fenster zu gehen, es zu öffnen und das Telefon aus ihrer Hand in die Tiefe fallen zu lassen. „Wieso will niemand mich mein Bad nehmen lassen?“, jammerte sie und stampfte mit dem Fuß auf, woraufhin sie fühlte, wie die Luft des Ventilators sich einen Weg unter ihren Bademantel bahnte.
Toyas Grinsen verschwand sofort, als seine Vorstellungskraft sich verselbstständigte und sehr eindeutige Bilder in seinem Kopf herumspukten. „Bist du na…“ Er brach ab, konnte sich nicht dazu bringen, sie zu fragen, ob sie nackt war. Wild schüttelte er seine Gedanken aus seinem Kopf und holte tief Luft, um sich zu beruhigen und hoffentlich seine tobenden Hormone wieder unter Kontrolle zu bringen. ‚Mist, das war ein schönes Bild…‘
Kyoko runzelte die Stirn und fragte sich, ob Toya einfach direkt neben Suki stand.
Toya versuchte es noch einmal von vorne. „Lass gut sein. Hör zu, ich komme vorbei, damit wir ins Kino gehen können, also mach dich schnell fertig.“
Kyokos Augen wurden schmal und sie fragte sich, wer bestimmt hatte, dass ihr heute alle sagen durften, was sie zu tun hatte. „Äh, ich habe schon was vor.“ Natürlich war ihr Plan gewesen, in der Badewanne zu bleiben, bis ihre Haut runzelig wurde, und sich dann auf das Sofa zu kuscheln, um einen Film anzusehen. Vielleicht wollte sie dann auch gleich dort einschlafen, aber bestimmt nicht, dass alle ihr sagten, dass sie ausgehen musste.
„Was? Sag ab, denn du kommst mit mir!“, befahl Toya, der sich darüber ärgerte, dass sie nicht machen wollte, was er sagte… als täte sie das jemals.
Kyoko schloss ihre Augen und hielt das Telefon weg von sich, während sie vor sich hinsagte: ‚Ich werde es nicht aus dem Fenster werfen, ich werde es nicht aus dem Fenster werfen.‘ „Klopf, klopf.“ Kyoko wirbelte herum und starrte die Tür an, während sie dachte: „Aber ich WERDE es auf den werfen, der vor der Tür steht!‘ Sie hörte ein verrücktes Lachen irgendwo tief in ihr, wo sie wusste, dass ihre böse Zwillingsschwester wohnte.
Ruhig ging sie zur Tür, schloss auf und öffnete sie einen Spalt breit, um zu sehen, wer es war. „Kotaro“, flüsterte sie ein wenig atemlos, dann presste sie ihre Lippen aufeinander, hoffte, dass er es nicht bemerkt hatte.
Kotaros Augen leuchteten auf und verdunkelten sich gleichzeitig, als die Tür geöffnet wurde. Er war froh, Kyoko gesund und munter zu sehen… und offensichtlich halb nackt. Er hob eine Augenbraue über die Art, wie sie gerade seinen Namen ausgesprochen hatte. Eine Hand an die Tür über ihren Kopf gedrückt, schob er sie auf, sein übliches selbstsicheres Lächeln auf dem Gesicht, und trat an ihr vorbei… berührte sie dabei fast.
„Wie geht es meiner Frau heute?“ Kotaro trat in die Wohnung ein, als wäre er hier zuhause.
‚Ich werde niemanden umbringen, ich werde das Telefon nicht wegschmeißen, ich werde nicht…‘ murmelte Kyokos Kopf noch immer, als Kotaro sie mit seinem üblichen herzerweichenden Grinsen ansah. Sie hatte plötzlich das Gefühl, dass der Ventilator steckengeblieben war.
Wie kam es, dass dieser Mann, den man einfach nur als Sex auf Beinen bezeichnen konnte, so eine Wirkung auf sie hatte? Sie hatte immer das Gefühl, dass sie sich gerade noch davon abhalten konnte, ihn flach zu legen. Kopfschüttelnd sah sie hinunter und kreischte leise, als sie sah, dass ihr Bademantel ein wenig offen stand. Es war nicht genug, als dass man etwas sehen könnte, aber er zeigte so viel Haut, dass sie errötete.
Toya spannte sich an, als er das Klopfen an der Tür im Hintergrund hörte und dann Kotaros Stimme. Er schrie ins Telefon, um Kyokos Aufmerksamkeit zu bekommen. „Verdammt, Kyoko! Was, zur Hölle, macht Kotaro da?“, brachte er wütend heraus, ärgerte sich darüber, dass der Sicherheitstyp wieder in der Wohnung von „seiner“ Kyoko auftauchte.
Kyoko zog den Kopf ein, als das Schreien über das Telefon laut und deutlich im ganzen Wohnzimmer zu hören war. Einen kurzen Blick auf die Uhr über Kotaros Schulter gerichtet, erkannte sie, dass sie sich beeilen musste, sonst würde Suki die nächste sein, die an ihre Tür hämmerte. Genug war genug. Sie drehte sich um und ging zum Tisch, um das Telefon aufzulegen.
Sie hob den Hörer noch einmal an ihr Ohr und schrie: „Wir sehen uns!“ Dann beendete sie das Gespräch. Das wäre erledigt… fehlte nur noch einer.
Kotaro grinste, denn er wusste, es war Toya gewesen, den sie angeschrien hatte. Sein Blick wanderte über die Seide, die an ihrem gut geformten Körper klebte wie eine zweite Haut. Mit aller Macht konnte er sich nicht davon abhalten, vorwärts zu gehen… zu ihr. Langsam schloss er seine Augen nur für eine Sekunde und atmete tief ein, als sein Körper nun weniger als fünf Zentimeter von ihrem entfernt war. Der Gedanke, sie ohne echten Kontakt zu berühren, ließ ihn innerlich seinen Körper um ihren legen und sie festhalten.
Er beugte sich nach vor und brachte seine Lippen nahe zu ihrer Ohrmuschel, ehe er ihren Namen flüsterte. Seine Lippen wurden weich, ebenso wie seine eisblauen Augen. Er wünschte sich oft, dass sie sich an die Vergangenheit erinnern könnte… und wie nahe sie einander einst gestanden hatten. Was würde sie tun, wenn sie sich daran erinnern könnte, dass sie zusammengelebt hatten? Er, sie und Toya, damit sie sie beschützen konnten.
Kyoko vergaß zu atmen und fühlte, wie die Haut an ihrem Hals und ihrer Wange zu kitzeln begann. Es war schon schwer genug, noch zusammenhängend zu denken, wenn er so nahe war, aber jetzt konnte sie sogar fühlen, wie er sie berührte, obwohl er es überhaupt nicht tat. Als sie dann auch noch daran dachte, was genau sie gemacht hatte, ehe das Telefon sie unterbrochen hatte, lief sie knallrot an.
Nachdem sie nicht wollte, dass er ihre Schuldgefühle bemerkte, sah sie weiterhin von ihm weg und versuchte mühsam, die Erinnerung an das Bad zu verdrängen. Sie schloss ihre Augen und kämpfte so stark gegen den Drang an, sich nach hinten an ihn zu lehnen, dass sie den Tisch packte, um sich dort festzuhalten.
Kotaro wollte seine Hände zu ihren beiden Seiten auf den Tisch legen… sie in seinen Armen gefangen nehmen, aber plötzlich hielt er inne. Er konnte die Seife riechen, die sie im Badezimmer benutzt hatte, aber ein Geruch machte ihn neugierig… Erregung? Er trat einen Schritt zurück… fühlte, wie sein bestes Stück sich regte.
Während er sich mit der Hand durch sein zerzaustes Haar fuhr, brachte er einen sicheren Abstand zwischen sie beide und versuchte die Hitze in seinem Magen zu ignorieren… wieso war er noch einmal gekommen?… Es war wichtig gewesen.
Er fühlte, wie seine Schutzinstinkte wieder aktiviert wurden und erinnerte sich an die Meldung, die er vorhin bekommen hatte. „Wirst du den Abend mit mir verbringen?“ Die unschuldige Frage hatte einen doppelten Boden, denn er schmeckte die Lust.
Kyoko beruhigte ihren Atem wieder, bereit, gegen ihre Gefühle anzukämpfen. Sie runzelte die Stirn, wusste, dass es zu gefährlich wäre, mit ihm alleine zu sein. Plötzlich wollte sie Suki dafür danken, dass sie sie gezwungen hatte, mit ihr auszugehen.
Als er sah, dass sie nachdachte, fügte Kotaro schnell hinzu: „Wir können machen, was du willst. Einen Film ausleihen und zu Hause bleiben… oder ausgehen.“
„Einen Film ausleihen und zu Hause bleiben…“, wiederholte Kyoko sehnsüchtig, dachte, dass das genau das war, was sie tun wollte. Als sie erkannte, dass Kotaros Augen hoffnungsvoll leuchteten, erklärte sie schnell: „Das war genau das, was ich tun wollte und wenn ich nicht von jemand anders herumkommandiert worden wäre, hätte ich liebend gerne mit dir einen Film angesehen. Aber es tut mir wirklich leid, Kotaro, ich kann nicht.“ Sie schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln und stampfte innerlich wütend mit dem Fuß auf, als sie daran dachte, dass sie einen sehr warmen Abend mit dem gutaussehenden Security-Mann verpasste.
Kotaros Schultern sackten ab, aber er lächelte trotzdem, wusste, dass sie nicht versuchte, seine Gefühle zu verletzen. Er sah, dass sie wollte, dass er blieb und wunderte sich über die Stärke dieser Sehnsucht… war sie dieselbe wie seine? Für ihn war Kyoko der wertvollste Edelstein auf Erden und er würde alles tun, um sie zum Lächeln zu bringen und sie zu beschützen.
Schließlich hatte er mehr als tausend Jahre gewartet, ehe er sie wiedersehen konnte.
Nachdem es für ihn wichtig war, zu wissen, dass sie in Sicherheit war, fragte er: „Und welche Pläne hast du? Vielleicht kann ich mitmachen?“ Er schenkte ihr sein strahlendstes Lächeln, hoffte, dass es funktionieren würde. Wenn nicht, dann konnte er ihr immer noch nachschleichen… seine perfekten Lippen verzogen sich zu einem geheimen Lächeln.
Kyoko wusste, dass Suki dem nie zustimmen würde. Mädelsabend bedeutete ‚Mädels‘-Abend. Doch sie wusste auch, dass, wenn Kotaro herausfand, dass sie nur mit Suki alleine unterwegs war… er ihnen folgen würde, und dann irgendwann wie zufällig auftauchen. Sie hatte das schon viele Male miterlebt.
Während Toya penetrant war, versuchte Kotaro immer subtil zu sein, obwohl, wenn man die beiden Männer in denselben Raum steckte, dann benahmen sie sich sehr ähnlich und nervten einander die ganze Zeit. Beide hatten sie ein Herz aus Gold und sie wusste das. Irgendwie liebte sie sie beide… so sehr, dass es schmerzte, weshalb sie entschlossen hatte, sich nicht zwischen den beiden zu entscheiden und im Moment einfach single zu bleiben. Ehrlich gesagt, wollte sie einfach keinen der beiden verletzen.
Aber einer Sache war Kyoko sich sicher: wenn Kotaro dachte, dass sie heute Nacht mit Toya ausging… würde er ihnen nicht folgen. Oder zumindest hoffte sie das.
„Es tut mir leid, Kotaro, aber ich bin schon mit Toya verabredet, aber ich verspreche, wir werden ein anderes Mal etwas gemeinsam machen.“ Kyoko senkte ihren Blick, wollte ihn nicht anlügen, aber es war ihre einzige Möglichkeit, ihn loszuwerden. Den Blick zu Boden gerichtet, sah sie, dass er einen Schritt nach vorne machte, woraufhin sie sofort einen Schritt zurück ging, dann biss sie sich auf die Unterlippe, als sie den Tisch hinter sich fühlte.
Kotaro fühlte die Eifersucht in ihm, aber hielt sich zurück. Sein einziger Trost war, dass, wenn sie mit Toya unterwegs war, er sich wenigstens darauf verlassen konnte, dass sie nicht das nächste Mädchen war, das spurlos verschwand.
Außerdem wusste er, dass Kamui insgeheim sowohl Toya, als auch Kyoko im Auge behielt. Innerlich musste er sich eingestehen, dass Toya so überfürsorglich war, dass er sicher sein konnte, dass er sie beschützen würde. Er wollte derjenige sein, der heute Nacht bei Kyoko war und sie beschützte. Aber auch wenn es ihm nicht gefiel, Toya würde sie nicht in Gefahr geraten lassen.
Er sah zu, wie sie langsam ihren Blick zu seinem Gesicht hob, und konnte die Angst sehen, dass er sie davon abhalten könnte… er wollte sie abhalten, aber er würde es nicht tun. Irgendwann würde sie selbst wählen.
Zögernd die Tatsachen akzeptierend, nickte Kotaro leicht und griff dann nach ihrer Hand, um sie kurz festzuhalten, während seine eisblauen Augen ihre stürmisch smaragdgrünen durchbohrten… das hatte er vor über tausend Jahren erkannt. Er wünschte sich nur, dass sie sich erinnern könnte.
„Abgemacht, Kyoko. Ich komme morgen wieder vorbei. Sei vorsichtig, Schönheit.“ Er beugte sich nach vorne, strich mit seinen Lippen sanft über ihre Stirn und ließ dann ihre Hand los, als er sich zum Gehen wandte.
Kyoko lächelte. „Danke, Kotaro.“ Ihre Stirn kribbelte noch, wo seine warmen Lippen sie berührt hatten. Sie war froh, dass er umgänglicher war als Toya. Er küsste oft ihre Wange, ihre Stirn oder ihre Hand, wodurch diese Stellen dann schön warm kribbelten.
Sie fragte sich, was er wohl denken würde, wenn er wüsste, dass sie noch nie jemand auf die Lippen geküsst hatte. Niemand würde das je glauben, bei einem Alter von achtzehn, aber sie war noch immer völlig jungfräulich… nun ja, körperlich zumindest. Sie errötete wieder, wusste, dass ihre Gedanken nicht ganz so unschuldig waren. Sie schob die Schuld dafür auf den Verräter, der in ihrer Brust lebte und jedes Mal an die Oberfläche kam, wenn sie an ihn dachte.
Kotaro öffnete die Tür, um hinauszugehen, ehe er ihr noch ein Lächeln über die Schulter zuwarf und hinzufügte: „Aber vergiss nicht, du bist immer noch meine Frau.“ Er ging schnell hinaus und schloss die Tür hinter sich, ein wölfisches Grinsen auf seinem Gesicht über den Kommentar.
Er wusste, sie würde mit Toya nicht zu weit gehen, also machte er sich keine Sorgen. Selbst in der Vergangenheit, wenn Toya und er sich die Köpfe eingeschlagen hatten, war sie immer für ihn eingestanden, nicht für Toya. Sie hatte Toya immer geliebt, aber Kotaro wusste, dass sie in Wirklichkeit in ihn verliebt war. Die Höhe ihres Pulses, wenn er in ihrer Nähe war, hatte ihre wahren Gefühle immer verraten… in diesem Leben ebenso wie im letzten. Er musste nur darauf warten, dass sie sich wieder darüber klar wurde.
Kotaro atmete tief ein, genoss ihren Duft. Selbst jetzt noch konnte er ihre Reinheit riechen und wusste, dass sie nicht jemand war, der in einer solchen Sache leichtsinnig handelte. Sie war so ahnungslos, was die wahre Welt betraf.
Bei dem Gedanken verblasste Kotaros Lächeln. Er war nicht sicher, ob er wollte, dass sie jemals etwas über die dunkle Seite dieser Welt herausfand… wollte ihre Fröhlichkeit nicht riskieren. Nicht einmal er selbst war, wer sie glaubte, dass er war. Er wusste, dass sie ihn trotzdem akzeptieren würde, aber die Erinnerung daran, wie er sie begraben hatte, verschloss seine Lippen, wenn es um die Vergangenheit ging. Einige Dinge sollten besser einfach für immer vergessen bleiben.
Als Kotaro aus dem Gebäude auf den Gehsteig trat, blickte er hoch zu ihrem Fenster und fragte sich, was sie wohl tun würde, wenn sie die Wahrheit über ihn herausfand. Und ja, er würde es ihr erzählen… aber jetzt noch nicht. Wie erklärte man schon, dass man älter war als jeder normale Mensch, und dass man Mächte hatte, die sie nur aus Filmen kannte?
Kotaro schüttelte seinen Kopf und ging zurück zur Uni, während er sich überlegte, wie er in der Sache der vermissten Mädchen weiter vorgehen sollte.
Er wusste, was mit ihnen geschah, und dass sie höchstwahrscheinlich schon tot oder zumindest untot waren. Seine Augen blitzten einen Moment lang wütend und offenbarten dabei die dunklere Seite seiner Lykan-Seele. Er musste die verdammten Blutsauger und denjenigen, der sie anführte, aufspüren, bevor sie Kyoko wiederfanden.
Kapitel 3
Kyoko kramte in ihrem Schrank, suchte nach den Klamotten, von denen Suki sie letztes Wochenende dazu überredet hatte, sie zu kaufen. Sie kicherte, als sie sich daran erinnerte, wie Shinbe mit ihnen einkaufen gegangen war und ihnen angeboten hatte, dass sie alles anprobieren sollten, zu dem sie seine Meinung haben wollten. Was alles noch auf die Spitze getrieben hatte, war gewesen, als er in die Frauen-Umkleide gekommen war und durch den Vorhang mit Suki gesprochen hatte.
Shinbe hatte mit verstellter Stimme gesprochen, sodass Suki dachte, dass er eine Verkäuferin war, und hatte ihr angeboten, den Reißverschluss für sie zu schließen.
Suki hatte das Angebot angenommen und hatte ihren Rücken zum Vorhang gedreht. Kyoko wäre fast umgefallen vor Schreck, als Shinbe durch die Umkleidekabine geflogen und an die gegenüberliegende Wand geprallt war.
Sie hatte Suki gefragt, woran sie erkannt hatte, dass es Shinbe war, und Suki hatte geantwortet: „Ich glaube nicht, dass sie Lesben in der Damen-Umkleide arbeiten lassen würden, also, als er seine Hand in mein Kleid steckte, anstatt den Reißverschluss zu schließen… war das irgendwie offensichtlich.“
„Armer Shinbe“, seufzte Kyoko, als sie die gerüschte, weiße, bauchfreie Bluse mit Seidenärmeln, die vom Ellbogen bis zum Handgelenk ausgestellt waren, hervorholte. Sie fand sie wirklich richtig hübsch. Sie erinnerte sie ein bisschen an das Kleid eines Engels, aber sexy. Sie war kurz genug, um ihren Bauchnabel zu zeigen, wenn sie dazu den tief sitzenden Minirock trug, den sie gekauft hatte.
Nachdem sie die Kleider angezogen und die richtigen Schuhe dazu gefunden hatte, steckte sie das Haar um ihre Ohren und einen Teil von hinten hoch und ließ den Rest offen herunterhängen. Sie trug ein wenig Make-Up auf und hängte sich eine Halskette mit einem kleinen Kristall um und beschloss, dass sie bereit war, für was auch immer Suki mit ihr vorhatte.
Insgeheim wünschte sie sich, dass sie Kotaro hätte sagen können, wo sie hingingen, aber sie wusste es ja selbst nicht. Sie kaute auf ihrer Unterlippe, als ihr klar wurde, dass sie ihn schon vermisste, dann bemühte sie sich, das melancholische Gefühl zu verdrängen, denn sie wusste, dass Suki es bemerken würde.
Das Allerletzte, was sie heute brauchte, war, dass ihre beste Freundin eine Million Fragen stellte, die sie nicht beantworten wollte.
*****
Shinbe fuhr mit seinen Fingern durch die blauen Strähnen, die aus seinem dunklen Haar herausleuchteten, als er sich grinsend in den Türstock lehnte. Er hatte sich beeilt, zu Suki zu gehen, als er ihren Anruf erhalten hatte, in dem sie ihm erklärt hatte, dass sie heute Abend ausgehen wollte und er nicht zu ihr kommen sollte.
„Sie hat Wahnvorstellungen, wenn sie meint, dass sie mich so einfach loswerden kann.“ Shinbe hob eine Augenbraue, als er wartete.
Als sie die Tür öffnete, ihr Haar immer noch in ein Handtuch eingewickelt, waren Shinbes erste Worte: „Oh… hab ich dein Bad verpasst, Suki?“ Er grinste, als er sah, wie Sukis Augenbraue zuckte. Vom ersten Moment an, als er Suki und Kyoko kennengelernt hatte, hatte er den Drang verspürt, immer in ihrer Nähe zu bleiben. Er hatte schon oft mit Toya und den Mädchen ein Doppeldate gehabt.
Suki wusste, dass Shinbe meinte, dass er ihr ‚Freund‘ war, weil sie sich nicht mit anderen Männern traf, aber Suki wollte sich nicht mit den Fesseln abfinden, die eine richtige Beziehung bedeuten würde. Sie versuchte, nicht zu erröten, und gab schnell zurück: „Man bräuchte Bleichmittel und eine Abrissbirne, um so schmutzige Gedanken wie deine jemals sauber zu bekommen.“
Er beugte sich nach vor, sodass sie nichts Anderes mehr sehen konnte, und seine violetten Augen verdunkelten sich etwas. „Wenn du mich hereinkommen lässt… denke ich, könnten wir einen Grund finden, weshalb du noch ein Bad nehmen solltest.“
Suki fühlte, wie ihr Herz beim Klang seiner heiseren Stimme zu rasen begann, und machte ein paar Schritte zurück, als er einige Schritte vorwärts machte und die Tür hinter sich schloss. Mit dem Entschluss, zu verhindern, dass er sich durchsetzte, warf Suki ihm einen warnenden Blick zu und war froh, als er stehenblieb. Wenn er je herausfinden würde, wie sehr er sie wirklich in der Hand hatte… dann hätte sie echt ein Problem.
„He Shinbe, schau, ich muss mich schnell fertigmachen, denn ich habe für heute Abend Pläne mit einer Freundin. Das habe ich dir schon am Telefon gesagt, erinnerst du dich?“ Sie hatte gewusst, dass er trotzdem kommen würde… und wenn nur, um herauszufinden, wohin sie ging.
Während sie das Handtuch von ihrem Kopf nahm, um ihre langen Haare zu befreien, ging Suki schon zum Badezimmer und sprach so laut, dass er sie hören konnte: „Wir können morgen etwas unternehmen, okay?“
Shinbe lehnte sich an die Bar, die die Küche vom Wohnzimmer trennte. Er wollte sich gerade beschweren, als sein Blick auf einen Flyer fiel, der dort lag. Er hob ihn hoch und überflog schnell den Text. Seine beiden Augenbrauen hoben sich, als er eine Erleuchtung hatte.
DER GRÖSSTE UND HEISSESTE CLUB DER STADT
MIDNIGHT CLUB
FREITAG LADIES NIGHT
Die Worte Ladies Night waren eingekreist. Shinbe hob eine Augenbraue, während er den Zettel wieder hinlegte und zum Badezimmer ging. Er verbarg sein Lächeln, als er ohne Anklopfen eintrat und sich hinter Suki stellte, die gerade mit der Bürste durch ihr Haar fuhr.
„Dann morgen“, flüsterte Shinbe verführerisch in ihr Ohr, dann senkte er seine Lippen und küsste ihre Schulter. Er drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort… sein wissendes Grinsen gut versteckt.
Suki stand regungslos da und starrte den Spiegel an. Irgendetwas stimmte nicht. Es passte überhaupt nicht zu Shinbe, dass er nicht bittend und bettelnd versuchte, doch mitkommen zu können. Aber einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul und so beeilte sie sich, sich fertigzumachen. Nachdem sie nun Angst hatte, dass Shinbe irgendetwas vorhatte, beschloss Suki, dass sie lieber schon früher als geplant bei Kyoko auftauchen wollte.
*****
Mehrere Kilometer entfernt starrten leuchtend rote Augen aus dem Fenster einer Dachgeschoßwohnung, von der aus man die ganze Stadt überblicken konnte. Lange Wellen seidig schwarzen Haares flossen über einen nackten Rücken, bildeten einen starken Kontrast zu der Haut, die so blass war wie der Mond. Sein engelhaftes Gesicht war beeindruckend mit feinen Gesichtszügen und sein Körper war so schlank und kräftig, wie der des mystischen Gottes Adonis.
Sein nackter Körper glänzte im Mondlicht, Muskeln tanzten bei jeder seiner Bewegungen. Er war schön anzusehen, aber seine dunkle Seele war böse und tödlich. Ein Lächeln hob seine perfekten Lippen, als seine Gedanken zu den Ereignissen der letzten Nacht zurückwanderten.
Nachdem er sich vom Fenster abgewandt hatte, begann er sich auf den Abend vorzubereiten. Sein Blick streifte den barocken Polstersessel neben dem Feuer und die junge Studentin, die leblos darin saß. Hyakuhei grinste, als er an das frische Blut dachte, das sein gestriges Abendessen gewesen war.
‚Schade darum, sie war so ein hübsches Mädchen.‘ Er leckte über seine Lippen, als er sich daran erinnerte, wie er die Frau genommen und getrunken hatte. Er würde nie der jungen Frauen müde werden, die er verführte und dann nahm.
Heute Nacht würde er in einen bekannten Nachtclub gehen, um seine Beute zu jagen, und er musste sichergehen, dass seine ‚Kinder‘ gut versorgt waren. ‚Ladies Night‘ bedeutete immer erntereife Früchte und war ein Buffet aus endlosem Fleisch für die Nachtwandler.
Er war ein mächtiger Vampirlord und niemand würde es wagen, sich ihm in den Weg zu stellen oder seine Macht infrage zu stellen. Die letzten tausend Jahre hatte er nur den Genuss gewollt, aber jetzt wollte er mehr. Er wollte, was ihm rechtmäßig zustand. Falten erschienen auf seiner Stirn, als er an das Objekt dachte, von dem er besessen war, und von dem er ungeduldig wartete, dass es wieder in diese Welt geboren wurde. Der legendäre Schützende Herzkristall.
Der heilige Kristall war ein Juwel, von dem man sagte, dass es einem Vampir die Fähigkeit gab, im Tageslicht zu überleben. Der Legende zufolge sollte ein Mädchen mit reinem Blut und dem Herzen eines Kindes das Juwel in ihrem Körper tragen. Sie wäre eine Priesterin höchsten Ranges und mit großer Macht, die Beschützerin des Schützenden Herzkristalls.
Sein finsterer Blick richtete sich noch einmal auf den Himmel, wo ein blutroter Mond hoch stand. „Ich habe dich schon einmal verloren, liebe Priesterin, aber keine Sorge, ich werde dich wiederfinden.“ Seine Augen wurden schmal, als er der Nacht versprach: „Diesmal werde ich euch beide besitzen: dich und den Kristall…“
*****
Suki hatte Kyoko letztes Wochenende aus genau diesem Grund zum Einkaufen mitgenommen, nur hatte sie ihrer Freundin nichts davon erzählt. Suki hatte sich auch selbst ein Outfit gekauft. Nachdem sie es aus dem Schrank geholt hatte, zwängte sie sich aufgeregt hinein. Es war ein komplett schwarzes, sehr enges, kurzes Kleid. Sie hatte sich sofort darin verliebt, als sie es gesehen hatte.
‚Zum Glück ist Shinbe nicht hier‘, dachte Suki innerlich mit einem wissenden Grinsen, als sie sich im Spiegel betrachtete. Das Kleid war kurz, aber es zeigte nicht viel… nur genug, um jemanden zu verführen und die Vorstellungskraft anzufachen. Nachdem sie ihr dunkles Haar hochgesteckt hatte, trug Suki noch ein wenig Make-Up auf, packte ihre Schlüssel und ging eine Tür weiter zu Kyokos Wohnung.
Kyoko kam aus ihrem Schlafzimmer, hoffte, dass sie noch Zeit hatte, kurz etwas zu essen, bevor sie ausgehen musste, aber sie schaffte es nicht einmal bis zur Küche, ehe jemand an die Tür hämmerte.
„Oh Gott, ich hoffe, das ist nicht Toya“, murmelte sie und fragte sich, ob sie überhaupt aufmachen sollte. Sie hatte noch zwanzig Minuten, bevor Suki kommen sollte, also beschloss Kyoko, die Tür im Moment zu ignorieren, aus Angst davor, wer auf der anderen Seite stehen könnte.
Es war beeindruckend, wie Angst einen dazu bringen konnte, sich zu fühlen wie ein kleines Kind, und Kyokos Augenbrauen zuckten, als sie die Luft anhielt.
Das Hämmern wurde lauter und diesmal hörte sie auch eine Stimme. „Gut, Kyoko, ich weiß, dass du da drinnen bist. Bring mich nicht dazu, die Tür einzuschlagen!“ Ein Kichern war auch zu hören.
Kyoko verdrehte die Augen, dachte, dass Suki klang wie die Polizei. Sie öffnete die Tür und grinste ihre beste Freundin an, die sie sofort am Arm packte, und sie hinauszog. „Komm, lass uns los. Ich habe so ein Gefühl, dass, wenn wir nicht gleich abhauen, Shinbe auftauchen könnte.“ Kyoko hatte kaum noch die Zeit, die Tür abzuschließen, ehe Suki sie den Gang entlang schob.
*****
Kyou zog die schweren, schwarzen Vorhänge zurück, jetzt, wo die Abenddämmerung gekommen war. Seine lange, silbrig-weiße Mähne breitete sich um ihn aus, als er das Fenster öffnete und dem Wind erlaubte, sein engelsgleiches Gesicht zu streicheln. So wie er ganz in Schwarz gekleidet war, sah er aus wie ein gefallener Engel.
Geld hatte ihm die Freiheit gebracht, seine Arbeitszeit selbst zu bestimmen, und Macht hatte dafür gesorgt, dass er nicht gestört wurde. Indem er die gesamte oberste Etage eines der teuersten Hotels der Stadt gekauft hatte, hatte er die Einsamkeit, die er brauchte, und den Ausblick, den er wollte. Als er hinunter auf die Straße blickte, sah er, dass gegenüber vor dem Eingang des Midnight Clubs die Leute schon Schlange standen. Es war der berühmteste Club der Stadt und das perfekte Nahrungsgebiet für die Wesen der Nacht.
In der Schlange standen eine Menge verzogener, junger Studentinnen und junge Punks, die ihnen folgten. Kyous nervöse Augen waren voller Abscheu, als er die Frauen musterte und sich fragte, welche von ihnen wohl die Aufmerksamkeit von demjenigen erregen würde, den er jagte. Wer würde Hyakuheis nächstes Opfer sein?
Kyou konnte Hyakuhei in der Stadt fühlen und fragte sich, ob Hyakuhei fühlte, dass ihm der Tod auf den Fersen war. Dieses Mal standen die Dinge anders. Kyou hatte ihn viel zu einfach gefunden, als hätte Hyakuhei ihm extra eine Spur gelegt. Die Tode und das Verschwinden der Studentinnen von der Uni hier, waren ein plumpes Signal für Kyou, konnten nur auf eine Person weisen.
Der Gedanke, dass Hyakuhei ihn hierher gebracht hatte, gefiel ihm nicht. „Ich gehorche nicht mehr deiner Kontrolle“, knurrte Kyou, als Blut zwischen den Fingern seiner geballten Faust hervortropfte und seine Augen sich pink färbten. „Du hast keine Macht über mich… nicht mehr!“ Nachdem er seine Wut wieder beruhigt hatte, setzte Kyou wieder seine ausdruckslose Maske auf sein Gesicht und schirmte seine Aura ab. Es war Zeit, dass das Raubtier zur Beute wurde.
Wenn er Hyakuheis Lebensenergie fühlen konnte, dann würde Kyou Vorsicht walten lassen müssen, um zu verhindern, dass sein Macher auch ihn aufspüren konnte.
*****
Kyoko war überrascht, wie groß der Nachtclub war. Ihre Lippen öffneten sich, als Suki auf den riesigen Parkplatz abbog. Suki hatte früh kommen wollen, damit sie nicht Schlange stehen mussten, aber soweit Kyoko das sehen konnte, gab es schon eine lange Schlange, also beeilten sie sich, auszusteigen und sich anzustellen. Kyoko erblickte einige bekannte Gesichter von der Uni und lächelte, als sie erkannte, dass ihr langjähriger Freund Tasuki einer von ihnen war.
Tasuki erhaschte plötzlich einen Blick auf Kyoko und Suki. Er hatte sich von seinen Freunden dazu überreden lassen mitzukommen, und nachdem er nichts Besseres zu tun hatte, jetzt wo die Examen vorbei waren, hatte er zugestimmt. Er war gutaussehend und gut gebaut, sein braunes Haar schulterlang, und hatte braune Augen, die die Herzen aller Frauen schmelzen ließen.
Er war auch einer der beliebtesten Jungs am Campus, aber Tasuki war hauptsächlich für seine guten Noten bekannt und dafür, dass er netter war als die meisten anderen. Natürlich trug die Tatsache, dass er einer der reichsten Leute hier war, auch zu seinem Status bei, aber er benahm sich überhaupt nicht so.
Nachdem er sich einen Weg durch die Menschenmenge gebahnt hatte, kam Tasuki mit einem warmen Lächeln auf Kyoko zu. Er kannte sie schon seit der Mittelschule und war schon immer insgeheim in sie verliebt gewesen. Sie waren manchmal miteinander ausgegangen, aber nichts Ernstes… mehr wie beste Freunde eigentlich und das letzte Mal war auch schon eine Weile her.
Er würde ja gerne öfter mit ihr ausgehen, aber dieser Typ, Toya, und der andere, der Sicherheitschef, sie waren in letzter Zeit immer in ihrer Nähe. Er hätte schwören können, dass er letztes Mal, als er sich ihr genähert hatte, wo einer der beiden dabei war, ein Knurren gehört hatte.
Diese Tatsache im Hinterkopf sah er sich nervös um, hoffte, dass sie alleine war. Nicht, dass er Angst vor denen hatte… nein… nie im Leben…
Suki konnte Tasukis Nervosität sehen und lachte laut. „Keine Sorge, Tasuki. Wir sind alleine gekommen.“
Sie grinste über Kyokos verwirrten Blick, dann packte sie Tasuki am Ellbogen und zog ihn mit sich zurück in die Schlange. Sie und alle anderen, die ihn kannten, wussten, dass er eigentlich in Kyoko verknallt war… nun, jeder, außer Kyoko selbst wusste das.
Kyoko errötete, als Tasuki sie ansah. Es war ihr noch nie aufgefallen, wie viel größer als sie er nun war. „He, Tasuki, lange her. Ich habe gehört, dass du schon wieder so tolle Noten bekommen hast.“ Ihr Gesicht hellte sich auf, als ihr klar wurde, dass es schon viel zu lang her war, dass sie zuletzt miteinander ausgegangen waren. Sie hatte sich in seiner Nähe immer so sicher gefühlt… wie bei einem besten Freund. Sie hatte ihn vermisst.
Ein weiches Lächeln erschien auf Tasukis Lippen, denn es gefiel ihm, dass sie sich noch für ihn interessierte, wenn auch nur aus der Ferne. Vielleicht hatte er doch noch eine Chance bei ihr. Er wollte wirklich noch eine Chance, ihr zu zeigen, wie sehr er sie mochte, und dass er mit ihr zusammen sein wollte, dass er nicht zu reich für sie war, auch wenn sie das immer zu denken schien.
Aus irgendeinem Grund schien sie zu meinen, dass er sich nur deshalb um sie bemühte, weil er sie schon so lange kannte. Er wollte dieses Missverständnis aus dem Weg räumen. „Ja, Kyoko, wenn du irgendwann mal Nachhilfe brauchst, kann ich es dir gerne anbieten.“ Innerlich wollte er seinen Kopf an die Wand schlagen dafür, dass er schon wieder klang wie ein bester Freund und nicht jemand, der ‚ihr Freund‘ sein wollte.
Suki schüttelte den Kopf, erkannte in Tasukis Augen, wie er litt, als er Kyoko anlächelte. ‚Armer Junge‘, dachte sie, aber dann erschien ein spitzbübisches Grinsen auf ihren Lippen. Er brauchte nur ein wenig Hilfe.
*****
Kyous Augen wurden schmal, als die Menschenmenge voller naiver Kinder anwuchs. ‚So viele, aus denen Hyakuhei auswählen kann‘, überlegte er. Es war immer dasselbe. Das Nehmen von Leben und damit davonkommen… so wie das Monster in der Vergangenheit damit davongekommen war. Die Klauen seiner Finger gruben sich frustriert in die Fensterbank, als er sich fragte, ob er das Morden beenden konnte.
Er würde näher hingehen und sich unter die Menge mischen müssen. Grinsend fragte er sich, wie er mit seinem silbrigen Haar und seinen goldenen Augen unter den Studenten nicht auffallen sollte, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Menschenschlange, die auf Einlass wartete.
Sein Blick glitt noch einmal über den Parkplatz und hielt plötzlich überrascht an, als er eine Gruppe von drei Freunden sah, die ein wenig abseits stand. Die Aura, die die drei umgab, war sehr anders als die der Menschen. Ein schwacher Schein reinweißen Lichts, der die Gruppe umgab, verwirrte das innere Auge des Vampirs.
Mit weniger Intensität schaute Kyou noch einmal auf die Gruppe. Sogar wenn er sich nicht anstrengte, konnte er das schwache Licht um die drei Gestalten tanzen sehen. Ein schwaches Glitzern von Regenbogenstaub kam von direkt über ihnen und schwächte damit das Licht ab, als wollte er es vor seinen Augen verbergen.
Kyou durchsuchte den Himmel über ihnen, aber sah nur die Nacht. Seine Augen wurden wieder schmal, denn er verstand mehr, als er sollte, ehe er seinen Blick wieder auf die Gruppe richtete.
Er hatte so etwas in seinem endlosen Leben noch nie gesehen. Eine entfernte Erinnerung nagte an seinem Gehirn, sodass er mit großen Augen die Gestalten betrachtete. Er erinnerte sich an die Worte seines jüngeren Bruders, ehe Hyakuhei ihn so brutal ermordet hatte.
„… Wenn wir nur den Schützenden Herzkristall finden könnten… dann könnten wir uns vielleicht von der Dunkelheit befreien, mein Bruder…“
Kyou hatte abschätzig das Gesicht verzogen, Toya gesagt, dass der Edelstein nur ein Mythos war und selbst die Legenden sagten, dass es unmöglich war, ihn zu finden. Toya hatte seine Antwort ignoriert. „Die Aura derjenigen, die den Kristall beschützt, wird mit einem heiligen Licht leuchten. Möchtest du nicht frei sein?“
Ein melancholisches Gefühl ergriff Kyou, als er sich an die Frage seines Bruders erinnerte. Er hätte alles getan, um seinen Bruder aus dem Leben zu befreien, das Hyakuhei ihm beschert hatte. Ein leichter Wind blies durchs Fenster und wehte sein langes Haar aus seinem Gesicht, als wollte er ihm sagen, dass er gehen sollte, als würde Toya selbst ihm sagen, dass er gehen sollte.
Die Dunkelheit um seinen tödlichen Körper geschlungen erschien Kyou unbemerkt in der Menge der ahnungslosen Jugendlichen, wobei er das reinweiße Licht, das dort schien, nie aus den Augen ließ.
*****
Kyoko kicherte, als Suki hinter Tasukis Rücken ihr wild zuzwinkerte. Suki verbrachte in letzter Zeit eindeutig zu viel Zeit mit Shinbe. Sie verdrehte die Augen und streckte Suki die Zunge heraus, sodass Suki sich vor Lachen fast nicht mehr auf den Beinen halten konnte, aber das Lachen verstummte sofort, als Tasuki sich umdrehte, um zu sehen, worüber Suki lachte.
Suki stützte sich schnell an der Wand ab, um nicht zu straucheln und Kyoko zuckte nur die Schultern und sagte zu Tasuki: „Wer weiß, was sie wieder hat. Sie war noch nie normal.“ Sie hob eine Augenbraue und fügte hinzu: „Ich muss sie mindestens einmal die Woche aus dem Irrenhaus herausholen, sonst wird sie nur noch schlimmer und versucht, sich durch die Bäume vor dem Studentenheim zu nagen.“
Tasuki grinste und beugte sich zu Kyoko, als wollte er ihr ins Ohr flüstern, aber sagte dann laut genug, sodass auch Suki es hören konnte: „Vielleicht solltest du sie später wieder dorthin zurückbringen.“
Kyoko nickte belustigt, doch dann fühlte sie, wie die Haare in ihrem Nacken sich aufstellten, als würde jemand sie beobachten. Betend, dass es nicht Toya war, der ihnen gefolgt war, versuchte sie, das Gefühl zu ignorieren und sich auf Suki und Tasuki zu konzentrieren.
Suki bekam endlich wieder so viel Luft, dass sie Kyoko daran erinnern konnte, dass sie heute Nacht eine Pyjama-Party in der Gummizelle feiern wollten, dann fragte sie Tasuki, ob er nicht auch kommen wollte. „Wir haben sogar eine Zwangsjacke für dich übrig.“ Sie streckte den beiden die Zunge entgegen.
„Nimm das Ding weg, bevor du jemanden verletzt“, entgegnete Kyoko, woraufhin Suki der Mund offen stehenblieb.
Als sich die Schlange langsam vorwärts bewegte, schielte Kyoko über ihre Schulter, fragte sich, wer sie beobachtete. Sie konnte nur die Lichter des Parkplatzes und die Menschenmenge hinter ihr sehen, also ärgerte sie sich darüber, dass sie so paranoid war. Doch das nervöse Gefühl, dass sie beobachtet wurde, blieb und bereitete ihr immer mehr Sorgen. Sie erinnerte sich an Kotaros Warnung, dass es einen Stalker am Campus gab, und plötzlich wünschte sie sich, dass sie ihm einen Tipp gegeben hätte, wohin sie gehen wollten.
Suki packte ihre Hand und zog sie mit sich, nachdem sie sonst die Schlange aufhielten. Kyoko schüttelte das gruselige Gefühl ab, als sie in das Gebäude eintraten und ihre Aufmerksamkeit von dem riesigen Tanzclub in Beschlag genommen wurde.
Kyou hatte gesehen, wie sie sich umgedreht hatte, als hätte sie ihn gefühlt, und wunderte sich darüber. Ihr Blick war langsam über genau den Punkt geglitten, wo er gestanden hatte, aber er hatte gewusst, dass sie ihn nicht sehen konnte. Unter dem Mantel aus Dunkelheit folgte er ihr in den Club und ließ sie nicht aus den Augen.
Sein goldener Blick wanderte durch den Raum, er wusste, dass es mehr als nur Menschen in den schwach erleuchteten Räumen gab, aber sie waren keine große Gefahr und seine Aufmerksamkeit nicht wert.
Suki führte sie zu einem Platz in der Nähe der Bar, damit sie nicht zu weit gehen mussten, um Getränke zu holen, aber immer noch die Tanzfläche sehen konnten. Die Musik war schon laut, aber noch nicht so schlimm, dass man schreien musste, um sich verständlich zu machen.
Kyoko war beeindruckt davon, wie schön der Club drinnen war. Sie war mittlerweile froh, dass sie sich von Suki dazu zwingen hatte lassen, herzukommen. Schließlich musste es noch andere Dinge im Leben geben, außer lernen, und sie hatte schon viel zu lange keinen Spaß mehr gehabt. Die Atmosphäre hier drinnen riss sie sofort mit und sie lächelte aufgeregt. Es war einer der seltenen Momente, wo sie das Gefühl hatte, dass alles möglich war.
Statt Tischen und Stühlen gab es hier drinnen verstreut weiche Sofas mit Glastischen, wo man die Getränke abstellen konnte. Alles war in violett, blau und schwarz gehalten, sodass es schien, als läge Magie in der Luft und mit den Lichtern, die ständig die Farben wechselten, erschien es wie ein Hexentanz. Die Atmosphäre des Clubs war irgendwie berauschend.
Tiefe Schatten boten denen eine Privatsphäre, die sie suchten, und Kyoko errötete, als sie an all die Dinge dachte, die dort wohl vor sich gingen… Dinge, die sie selbst noch nicht ausprobiert hatte. Ihre Gedanken wanderten wieder zu Kotaro, als sie sich fragte, was er gerade machte, ehe sie schuldbewusst ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Freunde richtete.
Kyou setzte sich in eine dunkle Nische nahe der überwältigend reinen Aura. Als er die Gruppe beobachtete, erkannte er, dass das Leuchten nur von einer Person kam. Sein Blick wurde zum ersten Mal in unzähligen Jahren einen Moment lang weich, als er sah, wie sie lächelte, als sie ihre Umgebung auf sich wirken ließ. Es war, als würde er einen Sonnenaufgang sehen, und das war etwas, das er schon seeehr lange nicht mehr gemacht hatte.
Sie war schön mit ihrem langen, nussbraunen Haar, das einen Kontrast zu ihrer weißen Seidenbluse bildete.
Sein Blick wanderte über ihren perfekten Körper, betrachtete die nackte Haut an ihrer Hüfte und den kurzen Minirock, der gefolgt wurde von einem Paar sehr wohlgeformter Beine, ehe er wieder auf ihren Hals schaute… der frei zugänglich war. Er folgte der Kurve hoch zu ihrem Gesicht mit einem missbilligenden Knurren. Sie schaute von ihm weg und er fühlte den Drang, ihre Augen zu sehen… die Augen waren der Spiegel der Seele.
Seine Instinkte reagierten auf eine Art, die er nie zuvor erlebt hatte. Dieses Gefühl, das er nicht beschreiben konnte, machte ihn nervös und irgendwie erinnerte es ihn an seinen Bruder. Das Unbekannte gefiel ihm nicht.
Er verdunkelte die Schatten um sich, als sie den Kopf drehte und ihr Blick an ihm vorbeiglitt, aber er hatte sie gesehen. Bei dem Anblick war ihm der Atem weggeblieben. Sie hatte Augen wie Smaragde eingehüllt in Unschuld… aber er konnte auch den Schalk und die Macht sehen, die dort verborgen lagen.
Kyou ballte seine Faust so fest, dass er Blutstropfen fühlte, wo seine scharfen Fingernägel in sein Fleisch einschnitten. Wieso war eine solche Unschuld hier an einem Ort wie diesem? Es sollte verboten sein. Er fühlte, wie ein Knurren sich in seiner Brust aufbaute, und versuchte es zu unterdrücken.
Wenn sein Verdacht stimmte und Hyakuhei hier auftauchen sollte, dann konnte es sehr schnell sehr gefährlich werden. War sie diejenige, die den Schützenden Herzkristall in sich trug? Die Worte seines Bruders kamen wieder zurück, suchten ihn noch einmal heim.
„… Bruder, wenn wir ihn finden, können wir uns von ihm befreien…“
Die anderen Geräusche in dem Club ignorierend konzentrierte Kyou all seine Sinne auf sie, damit er mehr über sie herausfinden und sich vorbereiten konnte. Seine traurigen, goldenen Augen begannen fast zu leuchten, als er in die Gedanken der Gruppe eindrang, die da an ihrem Tisch saß. Die Gedanken von Sterblichen zu belauschen, war ein Laster, dem er schon lange nicht mehr gefrönt hatte.
Tasuki bot sich an, die erste Runde zu bezahlen, nachdem der Barkeeper sein Cousin war. Er würde seine Chance, Kyoko zu beeindrucken, nicht ungenutzt liegenlassen. Er wusste, dass sie ihn einfach als einen Freund sah, aber er wollte so viel mehr sein, wenn sie nur die Augen öffnen würde und die Zuneigung sehen könnte, die er für sie empfand. Es konnte nie einen Mann geben, der sie mehr liebte als er. Das war einfach nicht möglich.
Suki lächelte, als sie hörte, dass er den Barkeeper kannte, und bat Tasuki, ihnen allen einen Long-Island-Eistee zu bringen. Tasuki zwinkerte Kyoko leicht errötend zu und nickte dann, sagte, dass er gleich zurücksein würde. Er ging weg, um den Frauen so schnell wie möglich ihre Getränke zu holen.
Kyokos Augen wurden groß, als sie Suki anstarrte. „Long-Island-Eistee? Aber wir sind…“ Suki winkte mit einer schnellen Handbewegung ab.
„Komm schon, Kyoko. Du musst das Leben genießen! Die Prüfungen sind vorbei und außerdem… haben wir früher auch schon getrunken.“ Suki versuchte, Kyoko aufzuheitern, indem sie doof grinste und ihre Augen verdrehte. In der Hoffnung, damit das Thema zu wechseln, fügte sie hinzu: „Ich muss zugeben, Kyoko, dass du mit dem Outfit und deinen Kurven… schon viel erwachsener aussiehst, als du bist.“ Sie lachte laut über den erschrockenen Ausdruck auf Kyokos Gesicht.
Kyoko betrachtete Suki skeptisch. „Zweimal, Suki. Ich habe zweimal etwas getrunken und ich kann mich kaum daran erinnern… und es sind nicht meine Kleider, die mich erwachsen aussehen lassen.“ Kyoko errötete, als sie an das dachte, woran sie sich von ihrem letzten Geburtstag noch erinnern konnte. Wegen Suki erinnerte sie sich an kaum etwas von ihrer eigenen Party.
Sie erinnerte sich an die riesige Schüssel mit Früchten, die Suki ihr mit einem so unschuldigen Lächeln übergeben hatte. Sie kannte Kyokos Schwäche für Obst und nutzte sie schamlos aus. Kyoko hatte die halbe Schüssel leergegessen und nicht einmal bemerkt, dass die Früchte in Alkohol getränkt gewesen waren.
‚Sie wird mich wieder in Schwierigkeiten bringen… ich weiß es einfach!‘, jammerte Kyoko innerlich und übergab sich schließlich missmutig ihrem Schicksal. Die anderen hatten über jene Nacht nur Witze erzählt, etwas darüber, wie Kyoko verlernt hatte zu gehen… und zu sprechen!
Suki grinste, zuckte ihre Schultern. „Dann wird das jetzt das dritte Mal.“ Sie lächelte glücklich, als Tasuki mit den Getränken kam, und nahm ein Glas für sich selbst.
Kyoko biss sich auf ihre Lippen, dann murmelte sie etwas wie ‚beim dritten Fehler bist du draußen‘, aber lächelte trotzdem Tasuki an, als er die Getränke hinstellte. Schließlich war auch sie nicht immun gegen den Gruppenzwang und nachdem sie immer schon ein Feigling gewesen war, gab sie nach.
„Dreimal Long-Island-Eistee, wie bestellt.“ Tasuki setzte sich zwischen die beiden Mädchen und nahm einen Schluck aus seinem Glas. Plötzlich erschien es ihm, als würde die Temperatur im Raum ansteigen, weil das Getränk so stark war. Er schielte an Kyoko vorbei auf seinen Cousin hinter der Bar. Das spitzbübische Grinsen auf dessen Gesicht zeigte ihm, dass die Mischung stärker war als normal.
Tasuki schüttelte den Kopf und widmete sich wieder den beiden Frauen. „Auf die Prüfungen, auf dass wir sie alle gut bestanden haben“, sagte er, während er das letzte Glas hochhob. Dann sah er Kyoko in die Augen und fügte hinzu: „Und auf dass wir immer in Kontakt bleiben, egal was passiert.“
Kyoko errötete und lächelte schüchtern, als sie das Glas aus seiner Hand nahm. Nachdem sie schnell einen Schluck genommen hatte, wurden ihre Augen groß, als sie beschloss, dass es richtig lecker schmeckte. „Wenn du sie nicht schlagen kannst, dann misch dich unter sie.“ Sie zwinkerte Suki gutmütig zu.
Sie saugte noch einmal an ihrem Strohhalm und nach zehn Minuten voller Lachen und Quatschen war der Eistee weg. Die Farbe leuchtete in Kyokos Wangen, als der Alkohol durch ihren Körper floss.
Tasuki, der ebenso schnell getrunken hatte wie Kyoko, fühlte sich nun entspannter und mutiger und fragte die Mädchen, ob sie tanzen wollten. Seine Augen wurden ein wenig dunkler, als er Kyokos Hand ergriff und sie zur Tanzfläche führte, während Suki Kyokos andere Hand hielt.
Er wusste einfach, dass dies die beste Nacht seiner Studentenzeit werden würde, und er würde sich an jeden Moment davon erinnern wollen.
Kaum zwei Meter entfernt beobachtete Kyou, wie der junge Mann, der Tasuki hieß, seine Hand ausstreckte und das grünäugige Mädchen zum Tanzen aufforderte, und musste den Drang unterdrücken, die bösen Finger des jungen Mannes auszureißen, die es wagten, sie zu berühren. Die unschuldigen Gedanken des Mannes standen unmissverständlich in seinen Augen und in seinem Kopf, aber Kyou vertraute ihm trotzdem nicht.
Kyou hatte das schon oft gesehen, wenn er das Nachtleben beobachtet hatte. Ein junger Mann zahlte einer Frau Getränke und nutzte ihre Naivität aus. Seine Augen wurden rot, als er zusah, wie der Junge die Mädchen auf die Tanzfläche führte. Kyou verspürte das Bedürfnis, das braunhaarige Mädchen zu nehmen und sie vor allen zu verstecken, die sie verletzen könnten, oder sie besitzen wollten.
Er wunderte sich über seine eigenen besitzergreifenden Gefühle für das Mädchen. Wenn sie diejenige war, die den Schützenden Herzkristall besaß, was sollte er dann tun? Einer Sache war Kyou sich sicher: bevor er zuließ, dass Hyakuhei sie bekam, würde er sie noch eher mit seinen eigenen Händen umbringen.
Wenn die Legende wahr war und Hyakuhei die Macht des Schützenden Herzkristalls in die Finger bekam, würde niemand ihn mehr aufhalten können.
*****
Kamui saß unsichtbar auf einem der riesigen Lautsprecher vor dem DJ, während er die Tanzfläche beobachtete, wo Kyoko und Suki mit einem jungen Mann tanzten. Er hob eine Augenbraue, als er erkannte, wer genau der Typ war. Ein geheimnisvolles Lächeln hob seine Mundwinkel, als er den violetten Schimmer sah, der den Jungen umgab.
Seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf den anderen Mann, der die Priesterin beobachtete. Er hatte schon versucht, die Anziehungskraft zu brechen, als Kyoko noch draußen gewesen war, aber der älteste Beschützer war stur wie eh und je. Die Energie, die er von Kyou fühlte, war schwer und ein wenig böse.
„Kyou, was hast du nur vor?“, fragte Kamui sich selbst laut, wissend, dass er weder gehört, noch gesehen werden konnte. Als er zusah, wie Kyou Kyoko beobachtete, erkannte er das Schicksal. Das Schicksal hatte die Beschützer noch immer zu ihrer Priesterin gebracht… egal in welcher Welt oder in welchem Leben.
Insgeheim wünschte er sich, dass er es arrangieren könnte, dass Toya Kyou sehen könnte, aber er wusste, dass er seine Mächte besser nicht an Kyou verwenden sollte. Alleine der Gedanke daran, den gefährlichen, goldenen Beschützer zu verärgern, rief schon eine Gänsehaut bei ihm hervor.
Sein Blick wanderte weiter durch die Menschenmenge, denn er wusste, Kyou war nicht derjenige, wegen dem er sich Sorgen machen musste. Es gab andere hier, die keine Menschen waren, aber er konnte fühlen, wie sich die wirkliche Finsternis Sekunde um Sekunde näherte. Er fragte sich, ob Kyou das auch fühlen konnte.
Kamui nickte sich selbst bestätigend zu. Das Beste, was er jetzt machen konnte, war, Kyokos Mächte vor allen neugierigen Blicken zu verbergen. Mit diesem Entschluss sprang er von dem Lautsprecher, aber seine Füße trafen nie am Boden des Tanzclubs auf.
Kapitel 4
Als das Trio sich auf die Tanzfläche drängte, begannen Suki und Kyoko sofort, ihre Körper zum Rhythmus der Musik zu bewegen, sodass Tasuki nur noch fasziniert zuschaute. Die erhitzten Körper um sie herum und der Alkohol in ihrem Blut hatten ihre Haut gerötet.
Sukis Körper näherte sich dem von Kyoko, als beide ihre Arme um den Hals der jeweils anderen legten und sich aneinander rieben. Lachend tanzten sie wie Liebhaber, verloren sich ganz im Rhythmus der Musik. Schon in der Schule hatten sie gelernt, so zu tanzen.
Die Frauen gingen ganz auf in ihrem unschuldigen Spaß und vergaßen einen Moment lang ihren männlichen Begleiter.
Tasuki schaute mit großen Augen zu, wie seine Freundinnen leidenschaftlich miteinander tanzten, und fühlte, wie seine Wangen heiß wurden. ‚Wow!‘ Sein Körper reagierte auf die Szene vor seinen Augen. Er fühlte sich, als könnte er keine Luft mehr bekommen. Zuzusehen, wie Kyokos Körper sich an Suki rieb und ihre Hände über ihren Körper streiften, war fast mehr, als er ertragen konnte.
Schnell entschied er, dass er auch Spaß haben wollte, und zwang seine Füße, sich zu bewegen, bevor er seine Nerven wegwerfen konnte.
Er blieb direkt vor Kyoko stehen, sodass er sehen konnte, dass ihre Augen geschlossen waren, während sie mit Suki tanzte. Sein Blick traf den von Suki, als diese grinste, und hinter Kyoko in die Hocke ging, woraufhin sie langsam wieder nach oben tanzte, während ihre Hände die Oberschenkel ihrer Freundin streichelten. Sie hoffte, dass Tasuki sich trauen würde, so mit Kyoko zu tanzen.
„Wieso tanzt du nicht mit uns? Es macht so viel Spaß!“ Sie lachte, als sie Tasukis Gürtelschlaufe packte und ihn an Kyoko zog.
Kyokos Augen wurden groß vor Schreck, als sie einen muskulösen, eindeutig männlichen Körper auf sehr intime Art und Weise gegen sie stoßen fühlte. Sie lief knallrot an, als sie erkannte, dass Tasuki sie an sich zog. „Hey.“ Sie lächelte schüchtern, beschloss, dass es ihr gefiel, wie sich sein Körper anfühlte. Sie wusste, dass sie ihm vertrauen konnte, dass er keine Grenzen übertreten würde. Er war immer ein Gentleman.
Mit neuem Mut tanzte Kyoko weiter mit Suki hinter ihr und legte eine Hand auf Tasukis Schulter… ermutigte ihn damit wortlos.
Tasuki brauchte keine weitere Einladung, er ergriff Kyokos Hüften und bewegte sich mit ihrem Körper. Er fühlte sich wie im Himmel, als die Frau seiner Träume verführerisch an ihm tanzte. Jede ihrer Kurven an seinem Körper reiben zu fühlen, war eine süße Folter, die er noch nie zuvor erfahren hatte.
Seine braunen Augen wurden weich, als sein gesamter Körper sich anfühlte, als würde er brennen, und er wollte so viel von ihr spüren, wie er nur konnte. Er drückte sich fester an Kyoko und rieb seinen erhitzten Körper an ihr wie ein lange verlorener Liebhaber.
Kyoko sah hoch in Tasukis Augen und bemerkte zum ersten Mal die hübschen, violetten Flecken in seinen braunen Iris. ‚Wunderschön…‘, war das einzige Wort, das ihr dazu einfiel. Je genauer sie schaute… umso mehr erinnerte er sie an Shinbe.
*****
Toyas Laune hatte sich nicht verbessert, obwohl er in den Sportsaal der Uni gegangen war, in der Hoffnung, dass er seinen Frust dort ablassen konnte. Er hatte beschlossen, dass er besser schnell abhauen wollte, nachdem er den fünfhundert Dollar teuren Boxsack kaputt gemacht hatte. Es war nicht seine Schuld gewesen, aber er hatte sich Kotaros Gesicht vorgestellt, als er ihn geschlagen hatte.
„Dummes Mädchen!“, knurrte er. ‚Wieso musste sie immer so kompliziert sein?‘ Er starrte wütend vor sich hin, als er an den nervigen Sicherheitstypen dachte, mit dem Kyoko ausgegangen war.
Er wurde immer noch rot vor Wut, als er daran dachte, wie er Kotaros Stimme vorhin in Kyokos Wohnung gehört hatte. Er hatte sehr gute Lust dazu, dem Typen den Kopf abzureißen und ihn wohin zu schieben, wo die Sonne nie schien. Toya hatte schon immer einen sechsten Sinn gehabt und dieser Sinn sagte ihm, dass Kotaro nicht war, wer er vorgab zu sein.
„Ein Wolf im Schafspelz, sozusagen.“ Er grinste, doch dann fühlte er sich sofort schuldig, weil auch er Kyoko einige Dinge verschwieg. Dinge, die er selbst nicht erklären konnte.
Er hatte als kleines Kind gelernt, seine unüblichen Fähigkeiten vor anderen zu verstecken, etwa seine unmenschliche Kraft, seine Schnelligkeit und den außergewöhnlichen Seh- und Geruchssinn. Das einzige Problem war, dass sie manchmal da waren und manchmal nicht, wie es ihnen gerade beliebte. Er konnte sie nicht einfach nutzen, wann immer er sie brauchte, und vielleicht war das auch gut so.
Ganz in Gedanken verloren begann Toyas Haut plötzlich zu kribbeln, als er den Sicherheitschef erblickte, der an der Tür des Wachzimmers lehnte. ‚Wenn man vom Teufel spricht…‘ Toya starrte Kotaro wütend an, wollte schon vorbeigehen, doch dann blieb er abrupt stehen. „Was machst du hier?“, knurrte er.
Kotaro richtete sich auf und ging hinüber zu Kyokos angeblichem Date, der ihn anknurrte. Nachdem er sich schnell umgesehen, aber sie nirgendwo erblickt hatte, spannte er sich an und spießte Toya mit einem wütenden Blick auf. „Wo ist Kyoko? Ich dachte, sie wollte heute mit dir ausgehen.“
Wenn es eine Sache gab, die Toya hasste, dann war es, verwirrt zu sein, und im Moment war er wirklich nicht in der Laune dazu. „Du Vollkoffer… ich dachte, sie hat ein Date mit dir“, fauchte er, ohne nachzudenken.
Kotaro machte sich nun ernsthafte Sorgen. Kyoko hatte ihm erzählt, dass sie mit Toya ausgehen wollte, und das war eine Lüge gewesen. „Verdammt!“
Ohne Toya noch eines Blickes zu würdigen, lief er in die Richtung, wo Kyoko wohnte, wobei er sich nur mühsam davon abhalten konnte, seine übernatürliche Schnelligkeit zu gebrauchen. Wieso hatte sie ihn angelogen? Wenn er gewusst hätte, dass dieser Trottel nicht bei ihr war, dann wäre er ihr gefolgt.
Toya fühlte Panik in sich aufsteigen, als er die Sorge in den Augen seines Rivalen sah, und als dieser dann Hals über Kopf weglief, machte es das auch nicht besser. Etwas in ihm vertraute Kotaro völlig, aber das würde er nie zugeben.
Ohne noch einmal nachzudenken, rannte er hinter Kotaro her, um zu sehen, was dieser machen würde. Toya konnte locker mit Kotaro Schritt halten, aber ihm fiel sehr wohl auf, dass sie eigentlich viel zu schnell waren, sodass einige seiner Vermutungen bestätigt wurden. Kotaro war mehr als das, was er zu sein schien… hatten sie dieselben Gene oder so? Er knirschte mit den Zähnen, denn dieser Gedanke gefiel ihm überhaupt nicht.
Eine Minute später hämmerte Kotaro an die Tür von Kyokos Wohnung, hoffte entgegen aller Wahrscheinlichkeit, dass sie doch da war. Dann schlug er beide Handflächen gegen die unschuldige Tür und rief: „Verdammt, Kyoko! Wo bist du?“ Angst und Sorge durchströmten seinen ganzen Körper. „Das ist nicht gut“, knurrte er.
„Was ist nicht gut?“, fragte Toya scharf, während er hinter Kotaro trat.
Die Energie, die er von Kotaro spürte, ließ Toyas Brust sich schmerzhaft verkrampfen. Wenn er gewusst hätte, dass Kyoko nicht mit Kotaro unterwegs war, dann wäre er gekommen, nur um in ihrer Nähe zu sein. Er hätte einfach auf seine Instinkte hören und trotzdem kommen sollen. Früher oder später würde er das Mädchen noch an eine Leine legen müssen.
Kotaro wirbelte herum, hatte Toya ganz vergessen, in seiner Sorge um Kyoko. Aber jetzt, wo er jemanden hatte, an dem er seinen Frust auslassen konnte, machte er das auch: „Ich dachte sie ist mit dir aus!“ Kotaro ballte seine Hand zur Faust und unterdrückte seinen Zorn schnell wieder, bevor er zu weit ging. „Und wie, zur Hölle, warst du jetzt so schnell? Lass gut sein, beantworte das nicht.“
Toya starrte ihn an, war überrascht, dass der Sicherheitstyp das überhaupt bemerkt hatte, aber wollte nicht weiter darüber nachdenken. „Ich bin genauso schnell wie du, du Idiot.“
Nachdem er seine dominante Hälfte wieder beruhigt hatte, öffnete Kotaro seine stechend blauen Augen und hielt den Blick der Person, die ihm helfen würde, ‚seine Kyoko‘ zu finden, fest. Es war schon schlimm genug, dass Toya nicht als Vampir wiedergeboren worden war, sodass sie um sie kämpfen konnten, aber jetzt schien Toya seine Fähigkeiten aus der Vergangenheit wiederzuerlangen, und er hatte keine Ahnung, wieso. Um es noch komplizierter zu machen, war Toyas bester Freund Shinbe und auch Shinbe wusste nichts mehr von der Vergangenheit.
Kotaro drückte seine Handfläche gegen seine Schläfe, fragte sich, wieso, um alles in der Welt, er Toya vertrauen sollte, sie zu beschützen… noch einmal, wo er beim ersten Mal doch versagt hatte. Die Tatsache, dass Toya sich nicht daran erinnerte, bedeutete, dass Kotaro seine Hasstirade nicht laut aussprechen konnte. Er holte tief Luft, als er sich die Wahrheit eingestand… sie beide hatten versagt. Seine Lippen wurden schmal, als er still vor sich hinstarrte.
Toya grinste halbherzig. „Also hat sie dich angelogen und dir einen Korb gegeben, indem sie dir weismachte, dass sie mit MIR ausgeht. Ha!“ Obwohl er wusste, dass sie praktisch genau dasselbe mit ihm gemacht hatte, würde er das Kotaro nicht unter die Nase reiben.
Kotaro atmete noch einmal tief durch, um sein Temperament zu beruhigen. Es war, als würde er mit einem verdammten Kind sprechen. „Das hier ist kein Spiel, du Trottel. Seit über einem Monat verschwinden Frauen fast jede Nacht hier am Campus und in der ganzen Stadt. Und jetzt weiß keiner von uns, wo Kyoko ist.“ Kotaro konnte die Panik in seiner eigenen Stimme hören, aber ignorierte sie. „Hast du irgendeine Ahnung, wo sie sein könnte?“
Toya konnte fühlen, wie seine Brust immer enger wurde, als er daran dachte, dass Kyoko in Gefahr sein könnte. „Verdammt!“ Er ging zu Sukis Tür und hämmerte so lange darauf ein, bis sie leicht knackte, woraufhin er lieber aufhörte. Keine Antwort.
„Fuck!“ Bevor ihn die Panik ganz überkam, kramte Toya schnell sein Handy hervor und hoffte, dass Shinbe vielleicht wusste, wo die Mädchen waren. „Nimm schon ab, du Frauenheld!“ rief er beim zweiten Klingen. Nach dem vierten Klingeln nahm Shinbe endlich ab.
„Shinbe! Weißt du, wo Suki und Kyoko sind?“ Er schielte hoch zu Kotaro, als dieser näherkam, als wollte auch er die Antwort hören.
Am anderen Ende der Leitung erschien ein überhebliches Lächeln auf Shinbes Gesicht. „Vielleicht…“
*****
Kyou hielt sich in der Dunkelheit verborgen, als er das Mädchen und ihre Freunde beobachtete. Nachdem er ihrer Konversation gelauscht hatte, wusste er jetzt, dass ihr Name Kyoko war. Bisher hatte der Junge, der Tasuki hieß, seine Hände bei sich behalten, was gut war, nachdem Kyou beschlossen hatte, ihn leben zu lassen, solange er ihr nicht zu nahe kam. Er schien harmlos zu sein… nur ein wenig zu vernarrt in sie.
Sie waren auf die Tanzfläche gegangen und das Mädchen und ihre Freundin hatten miteinander zu tanzen begonnen. Die Art, wie sie tanzten, war anrüchig. ‚Es muss der Alkohol sein, den sie so schnell getrunken hat.‘ Er wollte nichts Anderes glauben.
Ein leises Knurren erklang in seiner Brust, als seine Sicht von einer Gruppe von menschlichen Punks verstellt wurde. Nachdem sie seine Warnung hörten und dann den eiskalten, goldenen Blick sahen, den er ihnen zuwarf, suchten sie schnell das Weite und verzogen sich in eine andere Ecke des Clubs. Kyous Mundwinkel deuteten ein belustigtes Lächeln an, weil sie sich so eilig aus dem Staub gemacht hatten.
Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Tanzfläche und konzentrierte sich auf die junge Frau, die ihn so in ihren Bann gezogen hatte. Der Anblick, den er nun zu sehen bekam, ließ sein Blut vor Wut kochen. Ein wildes Fauchen kam irgendwo aus dem Ungewissen, als wütend goldene Augen sich rot verfärbten.
Der harmlose Junge, Tasuki, tanzte nun mit Kyoko, als wollte er sie verführen.
*****
Kyoko verlor sich ganz in dem Gefühl von Tasukis Händen um ihre Hüften, wie sie die nackte Haut an ihrer Taille streichelten, als er die Führung im Tanz übernahm. Er sah richtig sexy aus, mit seinem Haar so zerzaust, wie er mit ihr tanzte. Ein Kichern entkam ihren Lippen, weil sie plötzlich so von ihm dachte.
Als sie fühlte, wie er die Haut in ihrem Unterrücken streichelte, bemerkte sie, dass seine Augen sich fast vollständig violett verfärbt hatten.
Suki, die beschlossen hatte, dass sie etwas Erfrischendes brauchte, gab Kyoko einen Klaps auf den Hintern. „Kommt schon, ihr beide! Ich brauche Nahrung!“ Sie lachte über ihre dumme Aussage, als sie die beiden zurück zu dem Tisch zerrte, wo sie vorhin gesessen hatten, in der Hoffnung, dass sie noch einen Drink spendiert bekam.
*****
Kyou stand da und versuchte verzweifelt, sein tobendes Blut zu beruhigen. Sein normalerweise unbeirrbares, kaltes Auftreten war völlig verschwunden, als er gesehen hatte, wie der Junge Tasuki mit Kyoko tanzte, als wäre er ihr Liebhaber.
Tief in seinem Kopf wusste er, dass er sich beruhigen musste, sonst würde Hyakuhei seine Anwesenheit fühlen, wenn er das nicht schon getan hatte. Tief einatmend schalt er sich selbst für seine Dummheit.
Jahrhundertelang war er ein kalter, gefühlloser Dämon der Nacht gewesen. Seine Entschlossenheit war wie ein Berg, der nie wackelte, und der nicht unterzukriegen war. Seine Gefühle hatte er aus gutem Grund hinter einem undurchdringlichen, kalten Äußeren versteckt… damit er seine Aura vor dem wahren Feind verstecken konnte.
In einer Nacht hatte die Anwesenheit eines Mädchens, das mehr als nur rein und unschuldig war, ihn dazu gebracht, zum ersten Mal in seinem untoten Leben zu schwanken.
Sich des wütenden, silberhaarigen Vampirs in keinster Weise bewusst, hatte das Trio sich den Weg zurück zu ihren Sitzen von vorhin gebahnt. Kyokos unschuldiges Lachen floss zu ihm, konnte seine Rage kaum zähmen. Seine Spannung nahm ein wenig ab, als er sich fragte, wieso er überhaupt so besitzergreifend reagiert hatte.
Seine Augen wurden wieder schmal und er spießte den Jungen neben ihr mit seinem Blick auf, versprach ihm einen langsamen, schmerzhaften Tod, wenn er auch nur noch einmal die Grenze antastete. Sie brauchte einen Beschützer.
Kyou konnte nicht verstehen, wieso sie eine solche Wirkung auf ihn hatte, aber sie zu beobachten, war zu einer Sucht geworden. Ihre Schönheit und ihre Unschuld zogen ihn in ihren Bann und er wollte plötzlich wissen, ob ihre Haut so weich war, wie sie aussah. Als er ein weiteres Glas voll verdorbener Flüssigkeit vor ihr auftauchen sah, wurde er wieder wütend.
Mit jedem Schluck, den sie trank, schien das reine Licht, das sie umgab, ein wenig schwächer zu werden. Es war schon viel schwieriger, es zu erkennen. Wenn sie dieses Teufelswasser, das vor sie hingestellt worden war, weiterhin trank, dann würde sie bald der Dunkelheit verfallen.
Als wollte sie ihm trotzen, sah er, wie die Frau ihren Strohhalm aus dem Glas nahm und den Becher an ihre Lippen hob, um den Rest der schmutzigen Flüssigkeit zu leeren.
Kyou machte etwas, was er seit Jahrhunderten nicht mehr gemacht hatte… er lächelte, wusste, dass ihr Geheimnis nun sicher war, vor dem Bösen, das gerade in den Nachtclub gekommen war. Vielleicht war es doch keine so schlechte Idee gewesen, die reine Aura von einem solch unglaublich unschuldigen Mädchen zu verbergen.
Kyou trat wieder zurück in die Dunkelheit, im gleichen Moment, wie sein Feind daraus hervortrat.
*****
Hyakuhei spazierte durch die Tür und achtete nicht auf die Lakaien, die ihm in seinem Schatten folgten. Sie konnten sich für heute Nacht ihr eigenes Vergnügen suchen. Sie würden seine Pläne für seinen Abend nur behindern, wenn er ihnen erlauben würde, mit ihm zu gehen. Seine roten Augen betrachteten das Schauspiel von hitzigem Fleisch vor ihm interessiert.
Er hatte Leben hier gefühlt, irgendwo zwischen den Menschen. Es hatte nach ihm gerufen, wie eine Liebhaberin, die sich nach seiner Berührung sehnte, aber nun war das streichelnde Gefühl fast weg, als wäre es erstickt.
Er hatte in der letzten Nacht ein reichhaltiges Mahl gehabt und brauchte nicht schon wieder zu trinken. Nein… heute Nacht hatte er etwas Anderes vor.
In dieser Stadt war die Macht des legendären Schützenden Herzkristalls, dessen war er sicher. Alle Wege, denen er auf der Suche nach dem verborgenen Licht gefolgt war, hatten ihn hierher geführt. Selbst jetzt konnte er das geheimnisvolle Licht fühlen, irgendwo, verborgen unter der Dunkelheit, als er sich an die Wand lehnte und die Menschen beobachtete.
Einige der ahnungslosen Sterblichen hatten ihn schon bemerkt und er wusste, sie würden zu ihm kommen, ihm irrtümlicher Weise ihre Seele anbieten.
Die Attraktivität von einem großen, dunkelhaarigen und gutaussehenden Mann machte es für ihn einfach, seine Beute zu fangen. Sein langes, dunkles Haar floss in Wellen um ihn, und bildete einen guten Hintergrund für sein unvergleichlich schönes Gesicht. Er konnte die Lust von den Menschen ausströmen fühlen, aber heute Nacht ignorierte er sie einfach.
Heute Nacht würde er jemanden suchen, den er seiner Kontrolle unterwerfen konnte. Manchmal verwandelte er eine ahnungslose Seele nur, um sie in der nächsten Nacht umbringen zu können. Er schenkte das ewige Leben nur, wenn es ihm passte, und das war weniger als einmal pro Jahrhundert. Aber heute Nacht würde er jemanden suchen, der ihm helfen würde, diejenige zu finden, die den Schützenden Herzkristall trug.
Hyakuheis Augen verdunkelten sich bei diesem Gedanken. Das letzte Mal, als er dem mysteriösen Kristall nahegekommen war, hatte das Mädchen, das den mächtigen Edelstein in sich trug, sein Vorhaben gespürt. Ehe er sie hatte aufhalten können, hatte sie sich selbst umgebracht… den Kristall mit sich genommen, wo er wieder einmal außerhalb seiner Reichweite war.
Seine Gedanken wanderten sehnsüchtig zurück in der Zeit. Es war so eine Verschwendung gewesen… denn das Mädchen war unvergleichlich schön und unbefleckt gewesen. Sein schlanker Körper stand regungslos, während sein Blick aus tiefschwarzen Augen über die Menge glitt.
Den alten Schriftrollen zufolge, die er dem Zauberer Shinbe weggenommen hatte, ehe er ihm das Leben genommen hatte, erschien der Kristall nur einmal alle tausend Jahre. Seine Lippen verzogen sich zu einem grausamen Grinsen, als er sich an diesen speziellen Mord erinnerte… wirklich sehr lecker.
Wenn er die Jahre seit dieser Zeit zählte, dann sollte die auserwählte Jungfrau, die nun den Kristall dicht bei ihrem Herzen trug, einundzwanzig Jahre alt sein, vielleicht ein wenig jünger. Hyakuhei hatte die Macht des Kristalls in der Nähe der Universität gefühlt, und nun hier zwischen den vielen Studenten in dem Club.
Die Tatsache, dass diese Stadt an derselben Stelle erbaut worden war, wo der Kristall damals verschwunden war, war nur ein weiterer Grund, zu vermuten, dass er hier wiederauftauchen würde.
Wenn er nicht diejenige finden konnte, die den Schützenden Herzkristall in sich trug, dann würde er jemanden rekrutieren, der bei den Studenten akzeptiert war und der ihm bei seiner Suche helfen konnte. Ein Nicht-Mensch, ein Wesen der Nacht, konnte die Macht, die er wollte und nach der er sich sehnte, fühlen.
Ein böswilliges Lächeln erschien auf seinen perfekten Lippen in Vorfreude auf die Jagd. Seine Lieblingskinder hatte er schon gerufen, damit sie ihm folgten, und dieses Mal würde er bekommen, was er haben wollte. Er war schon zu lange in der Dunkelheit gewesen und selbst die tollsten Dinge langweilten ihn inzwischen.
Hyakuhei wollte etwas Neues und eine Herausforderung war genau das, was er brauchte, um ihn aus seinem lebenslangen Schlaf zu erwecken. Er konnte ganz schwach eine Unebenheit in der Luft fühlen und lächelte wissend. Er hatte keine Eile… denn was bedeutete Zeit schon… für einen Vampir.
*****
Tasuki sah erstaunt zu, wie Kyoko den Rest ihres Long-Island Eistees in einem Zug leertrank. Seine nun hellbraunen Augen blickten zurück auf sein eigenes Glas, das noch voll war, ein besorgter Blick stand auf seinem Gesicht. „He, Kyoko, wenn du Durst hast, dann kann ich dir einen normalen Eistee von der Bar holen, wenn du willst?“ Er grinste, als er sah, wie Kyoko errötete, nachdem sie erkannte, was sie gerade gemacht hatte.
Suki hob eine Augenbraue, als sie Kyokos leeres Glas bemerkte und zog innerlich den Kopf ein, wusste, dass Kyoko sie morgen genüsslich umbringen würde, weil sie ihr die Schuld für ihren Kater gab. Innerlich zuckte sie die Schulten und überzeugte sich selbst davon, dass sie heute einfach feiern wollte, und dass Kyoko ihr schon vergeben würde… irgendwann.
Mit einem „Bitte-hilf-mir-sonst-krieg-ich-ein-Problem“-Blick an Tasuki gewandt, stimmte Suki zu: „Ich glaube, das wäre eine gute Idee.“ Sie zwinkerte ihm auffordernd zu, während sie spitzbübisch grinste.
Sie hatte Tasuki schon immer gemocht und sich oft gewünscht, dass Kyoko öfter mit ihm ausgehen würde, statt mit Toya, den sie auch mochte, aber er behandelte Kyoko nicht immer so nett, wie er sollte. Sie war froh, dass Kyoko auch selbst austeilen konnte und nicht zuließ, dass Toya mit ihr machte, was er wollte.
Dann war da noch Kotaro, der Kyoko wegnehmen und sie sofort heiraten würde, wenn er die Chance bekam. Er war nett und behandelte sie wie eine Göttin, aber Suki wollte auch nicht so einfach ihre beste Freundin verlieren.
Sukis Augen leuchteten, als sie sich überlegte, dass es das Beste war, Tasuki und Kyoko zu verkuppeln, vor allem nach der Vorstellung, die sie gerade auf der Tanzfläche geliefert hatten. Aber sie wollte sich auch nicht zu sehr auf die Idee versteifen, weil sie wusste, dass Kyoko auch beängstigend wütend werden konnte. Ein Mädchen musste wirklich Mumm haben, wenn es mit den beiden Hitzköpfen ausging, die Kyoko um sich versammelt hatte. Sukis Lächeln wurde weich, als sie an ihren eigenen Freund dachte, obwohl sie natürlich nie zugeben würde, dass sie eine Beziehung hatten.
Shinbe war mindestens so verrückt, wie die beiden, mit denen Kyoko ausging, wenn nicht noch schlimmer.
Die Gedanken wieder auf das Hier und Jetzt gerichtet, stand Suki mit einem Grinsen auf. „Ich werde den DJ dazu überreden, mein Lieblingslied zu spielen. Bin gleich zurück!“ Damit überließ sie die beiden ihrem Schicksal. Insgeheim hoffte sie, dass, wenn sie alleine waren, die Flamme von Tasuki auf Kyoko überspringen würde.
Kyoko schaute wieder Tasuki an, fühlte sich übertrieben sorglos und lächelte. „Ich hätte wirklich gerne einen Tee… oder Kaffee wäre noch besser. Obwohl, manchmal macht es das Koffein nur noch schlimmer.“ Sie grinste schuldbewusst. „Wenn du so nett wärst, mir einen zu holen, während ich zur Toilette gehe…“ Sie nahm Tasukis ausgestreckte Hand und ließ sich von ihm beim Aufstehen helfen.
Kyoko blinzelte schnell, als ihre Umgebung ein wenig nebelig wurde, dann kicherte sie. „Ich bin gleich zurück!“ Sie sah sich nach den Toiletten um. Als sie sie in der Nähe der Eingangstür erblickte, ging sie los und hoffte, dass sie nicht so wackelig aussah, wie sie sich fühlte. Vielleicht würde alles wieder gut werden, wenn sie sich das Gesicht mit kaltem Wasser wusch und heute keinen Alkohol mehr trank.
Kyous Körper spannte sich an, als er zusah, wie das Mädchen in genau die Richtung ging, wo er sie am wenigstens wollte: zum Eingang… und dem Feind. Seine besorgten, goldenen Augen nahmen einen rosa Unterton an und mit einem nervösen Knurren verschwand seine Gestalt, als wäre sie nie dagewesen.
Kyokos benebeltes Gehirn fragte sich, wieso die Toiletten denn so nahe beim Eingang waren, während sie zusah, wie die Massen immer noch in den Club strömten. Einige der Neuankömmlinge schienen schon vorgefeiert zu haben und der Geräuschpegel hier drinnen war deutlich angestiegen.
Yohji, einer der Jungs von der Uni kam hereingestolpert, schaute gar nicht, wohin er lief. Sein Bruder hatte ihn davor schon überredet, noch ein paar der Bars näher am Campus zu besuchen, und so hatten sie sich den Weg bis hierher vorgearbeitet. Als er sich umdrehte, um seinen jüngeren Bruder Hitomi zu rufen, stieß er in einen weichen, warmen Körper.
Als er eine weibliche Stimme aufschreien hörte, griff Yohji sofort zu und fing sie auf. Als sein Blick auf ihr Gesicht fiel, breitete sich ein raubtierhaftes Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Kyoko?“
Als der Raum aufhörte, sich zu drehen, und sie wieder aufrecht stand, sah Kyoko hoch zu dem Typen, der sie zuerst umgestoßen und dann den Helden gespielt hatte, alles in einer gelogenen Bewegung. „Yohji… hallo…“ Kyoko errötete, als er sie fester an sich drückte, und versuchte sofort, sich loszureißen.
‚Nicht gut! Nicht gut!‘, wiederholte eine Stimme in ihrem Kopf… sie konnte die Warnung laut und deutlich hören.
Sie hatte Yohji auf der Uni schon oft getroffen, und obwohl alle Mädchen auf ihn zu fliegen schienen, nachdem er sehr gut aussah und ein guter Sportler war, war sie ihm immer so gut es ging aus dem Weg gegangen. Er war viel zu aggressiv für ihren Geschmack und sie wollte nichts mit ihm und seinen Freunden zu tun haben.
„Ich bin in Ordnung, Yohji, du kannst mich wieder loslassen“, sagte sie lächelnd, um ihre Nervosität zu verbergen und in dem Versuch, einen kühlen Kopf zu bewahren.
Yohji ließ sie nicht gehen und grinste über ihre Nervosität. „Wieso sollte ich dich loslassen, wenn ich dich endlich in meinen Armen halte, Kyoko?“
Seine Augen waren schon voller Leidenschaft, als sein Gesicht den Ausdruck eines Raubtiers annahm. Er war schon lange hinter ihr her und sie hatte ihn nie beachtet. Nun, jetzt wo ihre beiden Leibwächter nicht anwesend waren und ihn nicht aufhalten konnten, würde er sie nicht so einfach gehen lassen.
Hyakuhei beobachtete die Szene, die sich weniger als zwei Meter vor ihm abspielte, interessiert. Er konnte den Mann gut erkennen, aber von der Frau nur den Rücken sehen. ‚Dieses Mädchen…‘ Seine Augen begannen gespenstisch zu leuchten, als er sie beobachtete. Er konnte ihre Nervosität und ihre Reinheit riechen, so stark, dass sie seine Sinne überwältigten.
Was den Jungen betraf, der sie festhielt, so lag seine Lust so dicht in der Luft, dass er sie sogar schmecken konnte. Hyakuheis Augen wurden schmal, als der Drang, den Typen umzubringen, so stark wurde, dass sein Blut zu brennen begann. Er machte einen Schritt vorwärts, aber plötzlich war da eine Wand aus Regenbogenstaub, die ihm den Weg versperrte. Der bunte Glitzerstaub senkte sich zu Boden, als er sich wieder an die Wand lehnte und seine Augenbrauen misstrauisch zusammenzog. Sie wurde von den Unsterblichen beschützt?
Er streckte die Hand aus und berührte das, was von dem Schutzschild noch übrig war, ließ das beruhigende Gefühl über ihn strömen. So ein beruhigender Effekt würde seine bösen Absichten nicht lange unterdrücken. „Kleine Jungen und ihre Spielchen“, grinste er, als seine schwarzen Augen sich wieder auf das Mädchen richteten.
Ihre Aura hatte ihn völlig unvorbereitet getroffen. Sein Blick glitt über ihren hübschen Körper und ihre Haut leuchtete wie Tau auf einer Blume vor dem Morgengrauen. Das Bedürfnis, sie zu berühren, überwältigte ihn, als er wieder einen Schritt auf sie zuging… dieses Mal ignorierte er den Schild aus schützendem Glitter, den der nervige Unsterbliche erzeugte.
Gerade als er das Mädchen in seine eigenen Arme schließen wollte, traf ihn eine weitere Welle aus Besitzeswillen wie ein Schlag ins Gesicht. Die bekannte Aura streichelte seine Sinne, eine Aura, die er seit Jahrzehnten nicht mehr gefühlt hatte. Mit einem letzten Blick auf das Mädchen, das er in Gedanken schon in Besitz genommen hatte, wurden seine dunklen Augen kurz weich, als er seine Entscheidung traf. Er würde sie haben… bald.
Ein Lächeln hob seine trügerischen Lippen, als er sich auf die neue Aura konzentrierte, während er in der Dunkelheit verschwand. „Also hat mein abtrünniger Kyou sich dazu entschieden, wieder zurück ins Spiel zu kommen… wollen wir sehen, was er wirklich vorhat.“
******
Toya stürmte in die Wohnung, die er sich mit Shinbe teilte, aber als er seinen Freund nicht gleich sah, begann er sofort zu schreien: „Shinbe, wo bist du, verdammt!“ Seine Wut war groß und aus offensichtlichen Gründen hatte er ein sehr ungutes Gefühl bezüglich Kyokos Sicherheit, vor allem nachdem Kotaro ihm von den vermissten Mädchen erzählt hatte… so vielen.
Seine Nerven waren schon mehr als nur angespannt und wenn er Kyoko nicht bald zu Gesicht bekam, würde er etwas zerstören. Andererseits, wenn er sie zu Gesicht bekam, musste sie froh sein, wenn er sie wieder aus seinen Augen ließ… jemals. Wenn er seinen Kopf durchsetzen könnte, würde er sie einfach an sich ketten, damit sie in Sicherheit war.
Shinbe kam aus dem Badezimmer, knöpfte gerade sein hellblaues Hemd zu und sah aus, als hätte er sich herausgeputzt um auszugehen. „Ich bin hier, wo ist das Feuer?“ Er setzte sich auf das Sofa und zog sich seine Schuhe an, als hätte er keine Sorge auf der ganzen Welt.
Kotaro stand hinter Toya, wartete, um zu sehen, ob Shinbe ihnen irgendwelche Informationen über Kyokos Aufenthaltsort geben konnte. Er lehnte sich an einen Küchenschrank und sah zu, wie Toya sich vor Shinbe aufbaute.
Wenn Toya sich daran erinnern könnte, was Shinbe in der Vergangenheit für ihn getan hatte, dann würde er den Mann mit mehr Respekt behandeln. Kotaro legte seinen Kopf schräg zur Seite, als er das noch einmal überdachte. ‚Nein, würde er nicht‘, korrigierte er sich selbst. Zuzusehen, wie der Junge richtig wild wurde, wäre lustig gewesen, wenn Kyoko nicht vermisst worden wäre.
„Ich habe Kyoko verloren und jetzt kann ich Suki auch nicht mehr finden!“ Toya zuckte, als Shinbe ihn nicht einmal ansah.
Shinbes arrogantes Lächeln kostete Toya den Rest seiner Nerven. Wenn Shinbe nicht schon halb hirntot wäre, weil Suki ihn immer wieder auf den Kopf schlug, dann hätte Toya jetzt zu dem Gehirnschaden beigetragen. Aber im Augenblick brauchte er seinen Freund bei Bewusstsein, damit er seine Fragen beantworten konnte.
Shinbe band seine Schnürsenkel, wusste, dass Suki ihn hierfür hassen würde, aber das störte ihn nicht. Er würde es wiedergutmachen. Sie hatten immer Spaß, wenn sie sich nach einem Streit versöhnten… sein Blick wurde unscharf bei diesem angenehmen Gedanken. Sich versöhnen würde lustig werden…
Als er ein gefährliches Knurren hörte, riss Shinbe seine Gedanken schnell wieder zurück in die Gegenwart und sah seinen Freund mit erhobener Augenbraue an. „Was?“
„Shinbe, verdammt noch mal! Ich mache keine Scherze! Wo, zur Hölle, sind Suki und Kyoko?“, fragte Toya laut, während sein goldener Blick seinen Freund wie ein Messer durchbohrte. Wenn Shinbe nicht gleich antworten würde, würde er sich nicht mehr zurückhalten können.
Shinbe runzelte verwirrt die Stirn, als er Kotaro am Küchenschrank lehnen sah. Toya und der Sicherheitschef mochten einander nicht, und schon gar nicht waren sie je zusammen unterwegs. Seine Brust verkrampfte sich. „Ich weiß es nicht sicher, aber Suki hat mir heute Abend einen Korb gegeben und gesagt, dass sie mit einer Freundin ausgehen wollte, aber sie hat nicht gesagt mit wem.“
Als Toya zu fluchen begann, stand Shinbe auf. „Warte, ich bin noch nicht fertig, also behalt deine Hosen an. Als ich vorhin in ihrer Wohnung war, sah ich einen Flyer vom Midnight Club dort liegen und das heutige Datum war eingekreist.“ Er grinste anzüglich. „Ich wollte gerade hingehen, um zu sehen, ob ich sie dort finden kann.“
Kotaro seufzte, während Toya eine Hasstirade über dumme Mädchen begann. Nachdem er keine Zeit verschwenden wollte, ging er zur Tür. „Danke, Shinbe“, sagte er noch über die Schulter, bevor er wegging, nun noch besorgter als zuvor. Er konnte nur hoffen, dass Kamui bei ihr war… sie irgendwie beschützte.
Shinbe legte den Kopf zur Seite und sah Kotaro über Toyas Schulter nach, dann richtete er sich wieder auf und sah Toya fragend an. „Was geht hier vor und wieso war Kotaro hier?“ Sorge leuchtete in seinen violetten Augen. Er hatte Kotaro schon immer gemocht, aber das konnte er vor Toya nicht zugeben, sonst würde er zum Verräter ernannt werden.
Toya packte seine Autoschlüssel, während er antwortete: „Ich erzähle es dir unterwegs.“
Er drehte sich um und verschwand durch die Tür, schaute nicht einmal, ob Shinbe ihm folgte. Er hasste es, von Kyoko getrennt zu sein. Er hatte dann immer das Gefühl, dass er verwirrt herumirrte. Es war Zeit, sie zu finden und zurück an ihren Platz zu bringen… an seiner Seite.
Kapitel 5
Kyoko gefiel die Art, wie Yohji sie fest an sich gedrückt hielt, nicht und langsam verlor sie die Geduld. Sie drückte mit ihren Handflächen so fest sie konnte gegen seine Brust und ihre Augen funkelten gefährlich, als sie versuchte, ihn dazu zu bringen, sie loszulassen.
„Komm, Yohji, lass mich einfach los, ja? Ich muss zurück zu meinem Freund.“ Ihre Augen wurden groß, als er sie einfach nur selbstgefällig ansah und sie wieder fester an sich zog. ‚Verdammt!‘ Kyoko dampfte vor Wut und stampfte mit ihrem Fuß auf, in dem Versuch, ihn auf Yohjis Zeh landen zu lassen.
Auf der anderen Seite des großen Raums hatte Tasuki eine Tasse Tee geholt und ihn auf den Tisch gestellt. Als er zur Tür blickte, um zu sehen, ob Kyoko zurückkam, verdunkelten sich seine Augen, denn er erkannte, wie Yohji sie belästigte. Die meisten Leute dachten, dass Tasuki nur ein Gentleman war, ein süßer, braver Junge und der Streber der Uni… aber auch er konnte die Geduld verlieren.
Yohji stand kurz davor, seine Wut zu spüren, wenn er Kyoko nicht gleich in Ruhe ließ.
Tasukis Zorn stand auf seinem Gesicht geschrieben, als er durch die Menschenmenge schritt, um seine süße Kyoko zu retten. Er wusste von dem, was man auf der Uni so erzählte, dass Yohji und sein Bruder mit Frauen sehr aggressiv umgingen und dass ihnen mehrfach Vergewaltigungen vorgeworfen worden waren.
Als er sich näherte, erblickte er Yohjis Bruder, Hitomi, in dessen Nähe, aber davon ließ er sich nicht beirren. Diese beiden Typen waren Gift und das wusste er. Tasukis Augen leuchteten violett, als er sich ihnen näherte. Adrenalin durchströmte ihn und er knirschte mit den Zähnen, als er erkannte, dass Kyoko versuchte, sich zu befreien.
Kyokos Augenbrauen zuckten, als Yohjis Hand nach unten rutschte, und ihren Hintern fest ergriff, sodass er ihre Mitte in ihn drückte. Sie konnte seine Lust fühlen, als er sie teuflisch angrinste.
„Das reicht!“ Sie hob ihre Hand so schnell, dass Yohji es nicht kommen sah, bevor er das Echo des Klatschens in seinem Ohr hörte.
Yohjis Bruder, Hitomi hatte das Geräusch gehört und drehte sich um, um die rote Wange seines Bruders zu begutachten. Er grinste wissend, aber dann fiel sein Blick an ihm vorbei auf den Jungen namens Tasuki, der mit einem wütenden Gesichtsausdruck geradewegs auf seinen Bruder zu marschierte.
Nachdem er wusste, dass sein Bruder das aufmüpfige Mädchen alleine unter Kontrolle bringen konnte, ging Hitomi um ihn herum, um sich Tasuki in den Weg zu stellen. „Was genau hast du vor, kleiner Junge?“
Tasuki schaute an Hitomi vorbei und sein Blick traf sofort brutal auf den von Yohji. Er konnte sehen, wie Yohjis Hand auf Kyokos… ohne zu denken konzentrierte er all seine Kraft in seiner Faust, als er sie in Hitomis Magen boxte. Zu seiner Überraschung bewegte sich der andere Junge nicht einmal wirklich.
Hitomi war so viel größer als der Streber und mit einem Schlag von ihm wurde Tasuki gegen die Wand geschleudert. Er zuckte nur die Schultern, ging davon aus, dass der Junge nicht mehr aufstehen würde, und wandte sich wieder um, um zuzusehen, wie sein Bruder mit seinem neuen Spielzeug spielte.
Als er sah, wie das Mädchen sich gegen den Typen wehrte, hoben sich Hyakuheis Lippen zu einem Lächeln. ‚Also dieses Mädchen möchte aufmüpfig sein. Es wird Spaß machen, sie zu unterwerfen.‘ Nachdem er dem jungen Mann zugesehen hatte, der gekommen war, um ihre Ehre zu verteidigen, entschied Hyakuhei, wer sein neuester Rekrut sein würde.
Schnell fing er Tasuki in seinen Armen auf, ehe der Junge in die Wand krachte, und zog ihn mit sich in die Dunkelheit.
Seine Sinne sagten ihm, dass der Junge noch rein war… eine Jungfrau… wie merkwürdig. Er hatte zugesehen, wie er mit dieser Frau und anderen umgegangen war. Er war eine gute Wahl.
„Willkommen in der Dunkelheit, mein Sohn…“, flüsterte er, bevor er seine Reißzähne in Tasukis Halsschlagader bohrte. Hyakuheis Augen wurden groß, als er das Blut des Jungen schmeckte. Verborgene Macht? Sie schmeckte nach Amethyst. Er hielt den Jungen fester, wollte mehr davon.
Tasuki hatte einen Schlag ins Gesicht einstecken müssen, aber ließ keine Schwäche erkennen, nachdem so viel Adrenalin durch ihn strömte. Er wollte gleich wieder aufstehen und zurückschlagen, aber dann packten ihn Arme von hinten und alles um ihn wurde schwarz. Er war plötzlich starr vor Angst. Eine weiche, fast verführerische Stimme hieß ihn in der Dunkelheit willkommen.
Er atmete zischend ein, als er fühlte, wie sich scharfe Zähne in seinen Hals bohrten. Als sein Leben aus ihm gesogen wurde, waren seine letzten Gedanken an Kyoko gerichtet, er musste ihr doch helfen. Er hob suchend eine Hand, wollte noch einmal nach ihr greifen, als das Bewusstsein ihn verließ und er seinen letzten Atemzug tat.
*****
Kyokos Hand brannte noch immer von der Ohrfeige, die sie Yohji verpasst hatte. Sie wollte am liebsten im Boden versinken, jetzt wo sie viele interessierte Augenpaare auf sich gerichtet fühlte. Es hatte auch nicht geholfen, dass die Ohrfeige fast so laut wie ein Schuss geklungen hatte.
‚Verdammt!‘ Das war genau das, was sie hatte vermeiden wollen, aber Yohji war so ein Arschloch. Apropos Arsch, er hatte immer noch seine Hand auf ihrem. Langsam hob sie ihren Blick wieder zu seinem Gesicht. Nach dem wütenden Ausdruck auf seinem Gesicht zu schließen, nahm sie nicht an, dass er vorhatte, sie gehen zu lassen.
Sie erwiderte seinen wütenden Blick, wartete darauf, zu sehen, ob er es ihr zurückzahlen oder sie gehen lassen würde. Wenn sie wetten müsste… würde sie auf die erste Option setzen.
Kyou wusste, dass das zarte Mädchen keine guten Karten gegen die Lust, die er von dem Typen fühlte, der sie festhielt, hatte. In seinem Kopf hatte er den übergriffigen Mann schon in tausend Stücke gehackt, weil er es gewagt hatte, das zu berühren, was er selbst besitzen wollte. Plötzlich war es ihm egal, ob Hyakuhei ihn bemerkte oder nicht, als er seine Entscheidung traf. Gerade in dem Moment, als Kyou aus den Schatten treten wollte, um sie von dem Übeltäter wegzuholen, hörte er ein tiefes Knurren.
Einen Moment lang erstarrte Kyou, denn er wusste, dass ein solches Knurren nur von einem Lykan kommen konnte. Seine goldenen Augen suchten die Quelle des Geräuschs, das noch immer vom Eingang her ertönte, nur ein paar Meter von der Frau entfernt. Der Zorn des Wolfs strömte durch den Gang.
Kyous Augen wurden schmal, als er zusah, sich fragte, ob er einer solch alterslosen Kraft so dicht bei dem Mädchen vertrauen konnte. Er hatte seit seiner Verwandlung keinen Lykan mehr gesehen, und selbst damals hatte er sie nur aus der Ferne beobachtet. Er erinnerte sich daran, wie er Toya einst erzählt hatte, dass Vampire und Werwölfe nicht zusammengehörten. Toya hatte ihn gefragt wieso, und er hatte ihm nicht geantwortet, weil er nur Hyakuheis Worte wiederholt hatte, aber den Grund dafür nicht kannte.
Es brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, als Kotaro sah, wie Yohji ‚seine Frau‘ unsittlich berührte, und er verlor jede Beherrschung. Im Handumdrehen krachte Yohji gegen die Wand, Kotaros Hand um seine Kehle, so fest, dass er einige Zentimeter vom Boden hochgehoben wurde. Er hatte schon früher mit diesen Lustmolchen zu tun gehabt, und wo ein Bruder war… war der andere nicht weit.
Seine Sinne waren in Alarmbereitschaft, als er Hitomis Gestank roch und er wusste, dass der Typ von hinten kam. Mit einem gut gezielten Tritt von Kotaro flog Hitomi rückwärts durch die Luft und landete in einem Häufchen am Boden. Die Passanten verflüchtigten sich schnell und der Gang leerte sich.
Kyoko saß dort, wo sie gerade am Boden gelandet war, ihre Augen weit aufgerissen… hatte fast nicht bemerkt, was vorgefallen war, weil es so schnell geschah. Ihr Blick schoss von der schlaffen Gestalt von Hitomi zu der wilden Gestalt von Kotaro, der noch immer den Hals von Yohji festhielt, der langsam blau anlief.
Wissend, dass sie Kotaro aufhalten musste, ehe er jemanden ernsthaft verletzte, schrie Kyoko leise und drückte sich schnell vom Boden hoch. Dann stolperte sie unsicher hinter Kotaro und legte eine Hand auf seine Schulter in dem Versuch, ihn zu beruhigen.
„Danke, Kotaro, aber mir geht es jetzt wieder gut, also kannst du Yohji loslassen. Okay?“ Ihre Stimme war weich, aber ihre Panik wuchs, als Kotaros Finger nur noch fester gegen Yohjis Hals drückten. Kotaro drehte den Kopf, um Kyoko anzusehen, und sie machte erschrocken einen Schritt zurück, als sie den roten Schimmer in seinen eisblauen Augen sah.
„Ich habe gesehen, wo seine Hand war, Kyoko, und ich denke, es ist an der Zeit, diesen Müll zu entsorgen!“, knurrte Kotaro, als er sich wieder Yohji zuwandte und mit morbider Faszination zuhörte, wie dieser gurgelnde Geräusche von sich gab, während er beängstigend blau wurde.
Kotaros Temperament freute sich über den Blauton, sodass er genug von seiner Kontrolle wiedererlangte, um zu bemerken, wie Kyoko ihn voller Schrecken betrachtete. Nachdem er ihre Angst beruhigen wollte, packte er Yohji am Kragen und ging mit ihm zur Tür, um ihm draußen Manieren beizubringen. Sie brauchte den Rest nicht zu sehen.
Kyoko blinzelte, als die Tür hinter Kotaro zugeschlagen wurde. In ihrem Schock war sie einfach nur sprachlos. Wow, Kotaro konnte echt beängstigend sein, wenn er wütend war. Sie hatte einen Moment lang sogar Mitleid mit Yohji.
Mit einem kurzen Blick über ihre Schulter sah sie Yohjis Bruder Hitomi, der noch immer am Boden lag, wo Kotaro ihn hingeschleudert hatte. Dieses eine Mal war sie sogar froh darüber, wie überfürsorglich Kotaro war. Sie erzitterte und versuchte, nicht daran zu denken, was hätte passieren können, wenn Kotaro nicht in diesem Moment aufgetaucht wäre.
Kyou beobachtete, wie sie an ihrer Unterlippe kaute, als wüsste sie nicht, was sie machen sollte. Als ihr Blick wieder zur Tür wanderte, wurde er nachdenklich. Also stand sie unter dem Schutz des Lykan. Er fragte sich, welche Mysterien das Mädchen noch umgaben. Dies war nicht ein normaler Wolf. Derjenige, den sie Kotaro genannt hatte, war so alt wie er selbst. Das konnte er fühlen.
Kyoko trat näher an die Glastüren, durch die man auf den Parkplatz sehen konnte, wollte wissen, wo Kotaro hingegangen war. Sie hob ihre Hand zum Türgriff, wollte die Tür öffnen, aber ein Junge trat vor sie und versperrte ihr den Weg. Sie stand einen Moment lang völlig regungslos da, als das Kind ihr in die Augen sah. Es war das gespenstischste Gefühl, das sie je erlebt hatte.
Der Junge hatte schneeweißes Haar und seine Haut war fast ebenso hell. Aber das war nicht das Schlimmste. Seine Augen waren so schwarz, dass es schien, als wären sie endlos, sodass Kyoko fast das Gefühl bekam, dass sie sich darin verlor. Der Junge lächelte sanft, wodurch seine unmenschlichen Fangzähne kaum sichtbar wurden, aber einen Moment lang hatte Kyoko das Gefühl, dass sie sie wirklich sah.
Eine Hand kam aus dem Nichts und packte Kyokos Schulter, sodass sie panisch aufschrie, als sie sich umdrehte, um zu sehen, zu wem die Hand gehörte.
*****
Kyou trat aus der Dunkelheit hinaus, als er Hyakuheis Jünger auf der anderen Seite des Glases sah. Er kannte diesen trügerischen Jungen. Der Jüngste, der so unschuldig aussah, war auch der Tödlichste.
Schnell trat er hinter Kyoko, seine Augen blutrot und seine Fangzähne verlängert, sodass der Geist des Jungen wusste, dass er sein eigenes, unsterbliches Leben verlieren würde, sollte er das Mädchen beißen.
Kyokos Hand hielt am Türgriff inne, unsicher, ob sie öffnen wollte oder nicht. Etwas an dem Jungen machte ihr wirklich Angst. Gerade als sie einen Schritt zurück machte, kam eine schwere Hand aus dem Nichts und packte ihre Schulter. Ein panischer Schrei entkam ihrer Kehle, als sie sich umdrehte, um zu sehen, wer es war.
Kyoko vergaß zu atmen, als sie in die Augen aus reinem Gold hochsah. Langes, weißes Haar umrahmte das Gesicht und die Schultern. Er war ein wenig älter und seinem Haar fehlte die Dunkelheit zwischen den silbernen Strähnen, aber er sah fast genauso aus wie…
„Toya?“, flüsterte Kyoko zögernd, wissend, dass sie sich irrte, aber nebenbei bemerkt… wieso drehte sich der Raum?
Sobald sich ihre Blicke trafen, verlor Kyou sich in ihren Augen. Sie schaute ihn an, als würde sie ihn kennen. Aber das war bei Weitem nicht so verwirrend, wie die Tatsache, dass sie den Namen seines toten Bruders flüsterte. Seine Arme schlossen sich um sie, als er sah, wie sie wankte, wegen der verdorbenen Flüssigkeit, die sie vorhin konsumiert hatte.
Als seine Hände über die nackte Haut strichen, wo ihre kurze Bluse sie nicht bedeckte, fühlte er, wie sein Vampirblut in Aufregung geriet, ihm zuflüsterte, dass er sie behalten sollte.
Kyokos Augen hatten beschlossen, dass sie im Moment ihre Dienste nicht verdiente. Es schien, dass der Mann einfach verschwamm, als sie neugierig zu ihm hochsah. Selbst wenn sie nicht scharf sehen konnte, so konnte sie aber doch noch den Körper fühlen, der sie festhielt.
Sie hob ihre Hand, um seine Wange zu berühren, und fragte: „Du bist nicht Toya… wer bist du?“ Ehe sie eine Antwort erhalten konnte, schaltete der Gott, wer auch immer es war, der sich über sie lustig machte, das Licht aus, als sie das Bewusstsein verlor.
Kyou zog sie fest an sich, als ihr Körper in seinen Armen erschlaffte. Sie war bewusstlos geworden, aber wenigstens nicht in den Armen des Feindes. Ihr Kopf fiel zurück, wodurch sich ihm die glatte Haut an ihrem Hals einladend präsentierte und Kyou musste gegen seine Instinkte ankämpfen. Im Stillen fragte er sich, ob sie nicht doch noch in den Armen des Feindes war. Seine Fangzähne waren gewachsen und er unterdrückte das Gefühl… diese hier war zu rein für eine solche Finsternis.
Dann fühlte er, wie seine Wut über das naive Mädchen zunahm. Wenn er nicht hier gewesen wäre, um sie zu beschützen, was wäre dann mit ihr geschehen? Seine eigenen Bedürfnisse von eben vorhin vergaß er lieber einmal. Wenn der Wolf ein geeigneter Beschützer gewesen wäre, dann hätte er sie nicht einfach zurückgelassen. Er sah sich um und erkannte, dass die Freunde, mit denen sie hergekommen war, sie auch alleingelassen hatten.
Als er seine Sinne ausschweifen ließ, konnte Kyou seinen eigenen Erzfeind, Hyakuhei, noch in demselben Gebäude fühlen. Das Böse kam von über ihm und er wusste, Hyakuhei war irgendwo in den Räumen im Obergeschoss des Clubs.
*****
Shinbe sprang aus dem Auto, bevor es überhaupt stehenblieb. Eine Sache trieb ihn an und ließ ihn so schnell er konnte zum Eingang des Clubs rennen. Der Gedanke, dass Suki oder Kyoko eine dieser vermissten Frauen werden könnten, ging ihm nicht mehr aus dem Kopf und er war fast panisch vor Angst.
Toya hatte ihm erzählt, was er von Kotaro erfahren hatte, und wenn er Suki wieder in die Hände bekam, dann würde er sie nicht mehr loslassen. Wo auf ihrem Körper er seine Hände lassen würde, das wusste er noch nicht, aber zuerst musste er sie finden.
Shinbe blieb wie angewurzelt stehen, als er durch die Eingangstür des Midnight Clubs stürmte. Dort, mitten am Gang stand ein Mann und hielt Kyoko in seinen Armen, und sie sah nicht so besonders gut aus. Sie regte sich nicht und war viel zu blass. Andererseits sah der Mann auch nicht wirklich normal aus. Blass war für ihn eine grobe Untertreibung… weshalb Shinbe nervös stehenblieb, als ihm klar wurde, dass der Mann ihn an seinen besten Freund erinnerte.
Das silberne Haar und die goldenen Augen… Toyas Haar war schwarz wie die Nacht, aber er hatte dieselben silbernen Strähnen wie der Mann vor ihm. Das waren doch recht ungewöhnliche Merkmale und er hatte diese Kombination bisher nur an Toya gesehen.
Als er bemerkte, dass der Mann sich regte, um mit ihr zu verschwinden, verdrängte Shinbe seine Angst. Toya würde ihn umbringen, wenn er Kyokos Entführung nicht unterband.
„Was, zur Hölle, machen Sie da mit Kyoko?“ Violette Augen leuchteten, als Shinbe den Mann zur Rede stellte und seine Füße sich wieder bewegten, ohne dass sie dazu einen Befehl erhalten hatten. Sie war zwar nicht seine Freundin, aber er mochte sie sehr gerne… lieber als er zugeben konnte, und außerdem war sie Sukis beste Freundin. Auf gar keinen Fall würde er zulassen, dass dieser Typ mit Kyoko abhaute.
Kyou senkte einen Arm unter Kyokos Knie und hob sie mühelos hoch. Er hielt sie wie ein Baby, legte ihren Kopf an seine Schulter, bemüht, ihren Schlaf nicht zu stören. Sobald ihr Kopf seine Schulter traf, schmiegte sie sich in seine Umarmung und seufzte zufrieden.
Er konnte ihr Vertrauen und ihre Ruhe in ihrer Aura fühlen, als sie es sich in seinen Armen gemütlich machte. Dieses Menschenkind verstörte ihn zunehmend und je länger er ihr beim Schlafen zusah, umso mehr wollte er sie vor allen anderen verstecken. Er wusste, dass er es konnte… wenn er wirklich wollte, und die Versuchung war tatsächlich sehr groß. Er hatte noch nie jemanden in das verwandelt, was er war… aber wenn er es wollte… konnte er.
Seine beschützenden Instinkte für das Mädchen, sowie die eifersüchtigen Gefühle verwunderten ihn und Kyou knurrte leise über seine eigenen Taten. Wie konnte dieses Mädchen ihn so durcheinanderbringen? Nachdem er endlich seinen Blick von ihrem engelsgleichen Gesicht losgerissen hatte, sah er hoch zu dem Mann, der ihn anschrie. Es schien, dass da immer mehr Männer waren, die sie wollten und die ihn aufhalten wollten.
Ein goldener Blick traf die amethystfarbenen Augen und er fühlte eine merkwürdige Vertrautheit. „Du hast hier nichts zu entscheiden, Zauberer“, warnte Kyou mit tödlicher Stimme.
In diesem Moment wusste er, dass nicht einmal Hyakuhei selbst sie ihm wegnehmen konnte. Sie gehörte ihm. Seine Arme schlangen sich fester um sie, denn ihm gefiel die Liebe für das Mädchen nicht, die er von der mächtigen Aura des anderen Mannes fühlen konnte.
Seine eigenen abtrünnigen Gedanken zurückweisend knurrte Kyou leise. Er würde nicht zulassen, dass das Mädchen seine Sinne verwirrte, aber… er war noch nicht fertig mit ihr. Er hatte zu viele Fragen und sie würde sie beantworten, ob sie wollte oder nicht.
Als er sicher war, dass er sich wieder unter Kontrolle hatte, beschloss Kyou zu gehen.
Shinbe ging auf Kyoko zu, als der Mann sich bewegte. Bewegte? Das war vielleicht nicht das richtige Wort. Verblasste und verschwand, und dann aus dem Nichts wiedererschien, traf es eher.
„Was zur…“ Shinbe blieb stolpernd stehen, als er in das Gesicht hochsah, dessen Blick ihn töten wollte.
Seine Augen weiteten sich vor Schreck, er fühlte sich, als hätte sein Herz gerade seinen Dienst versagt. So nahe… konnte er deutlich sehen, dass die Haut des Mannes praktisch weiß wie Porzellan war und er sah Toya so ähnlich, dass es kein Scherz sein konnte. Blinzelnd hätte er schwören wollen, dass er Fangzähne aus dem Mund des Mannes hervorragen sah, als ein warnendes Knurren sie umgab.
Shinbe blieb wie angewurzelt stehen, als der Mann einen Finger hob und ihn gegen seine Brust drückte. Das nächste, was Shinbe mitbekam, war, dass er mitten am Boden saß. Er blinzelte noch einmal und schaute verwirrt zu, als der schwarz gekleidete Mann einfach an ihm vorbeiging und dann plötzlich verschwand.
Suki erreichte den Flur gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Shinbe nicht so sanft am Boden landete und ein großer, silberhaariger Mann mit Kyoko verschwand. Sie zwinkerte einmal und weg waren sie… zuerst da, dann weg.
Shinbe, der aussah, als hätte er ein Gespenst gesehen, saß noch einen Moment lang verwirrt blinzelnd da. „Was, zur Hölle?“
Mit eiligen Schritten kam Suki angelaufen, ihre Hände zitterten, als sie ihm beim Aufstehen half. „Wer war der Mann, der mit Kyoko verschwunden ist?“ Sie betrachtete Shinbe besorgt, als sie beide zur Tür liefen, um sie zu finden. ‚Hat er sich wirklich einfach in Luft aufgelöst?‘
Sie verließen das Gebäude und sahen sich überall um, aber konnten von dem Mann oder Kyoko keine Spur finden.
Als sie wieder zu Shinbe blickte, glänzten Sukis Augen. Sie fühlte sich, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. „Wo sind sie hin? Der Mann hat Kyoko entführt!“ Sie zitterte vor Angst. Was als eine lustige Feier begonnen hatte, war nun zu einem Albtraum geworden.
„Beruhige dich, Suki. Wir werden sie finden. Toya ist auch hier.“ Shinbe sah sich nervös nach seinem Freund um, der nun auch noch fehlte. „Ich dachte, dass er gleich hinter mir war!“
Seine Sorge verwandelte sich schnell in Wut, jetzt, wo er wusste, dass Suki in Sicherheit und in seiner Nähe war. Ein Schatten von Mitleid erschien kurz in seinen besorgten Augen, als er an die Vergangenheit dachte. „Und was, zur Hölle, hast du dir dabei gedacht? Es hätte dir etwas zustoßen können und ich hätte nie erfahren, wo du bist!“ Er packte sie grob an den Armen, als seine violetten Augen sich verdunkelten.
Sukis Lippen wurden schmal, als sie seine Wut fühlte. Was war das Problem? Es war doch nicht so, als wäre sie noch nie mit Freundinnen ausgegangen. Ihr Blick traf den seinen, als ihr eigener Zorn wuchs. „Was meinst du dammmf…?“ Ihre Worte wurden abgeschnitten, als seine Lippen sich in einem wilden, herzhaften Kuss auf ihre drückten.
Shinbe war so besorgt gewesen, dass er nicht verhindern konnte, dass seine Gefühle sich nun zeigten. Er wollte, dass sie jede einzelne seiner Emotionen fühlte, die im Moment durch seine Adern strömten. Er umarmte sie fest, schwor sich selbst, dass er sie nie wieder aus den Augen lassen würde.
Suki winselte leise über die Intensität von Shinbes Kuss. Es war als würde er jede rohe Emotion in seiner Seele mit ihr teilen. Sie konnte sie praktisch in ihren Fingerspritzen fühlen, als sie seine Schultern umklammerte. Wissend, dass sie nicht mehr stehen konnte, wenn sie losließ, angesichts der Tatsache, dass ihre Beine gerade butterweich geworden waren, hielt sie sich trotzdem an ihm fest.
Ihre Gedanken verstummten völlig und sie vergaß, dass sie sauer auf ihn war, und dass Kyoko gerade verschwunden war. Alles, was sie fühlen konnte, war Shinbe und eine Liebe, die zweifellos länger leben würde, als sie beide.
Langsam entspannte er seine Arme und beendete den Kuss, rieb seine Nase an ihrer. Seine Augen waren voller Erleichterung aber immer noch dunkel vor Verlangen. Er schüttelte leicht den Kopf, als er versuchte, sich wieder auf das Problem zu konzentrieren, und ausnahmsweise einmal die schmutzigen Gedanken und das Gefühl von Sukis weichem Körper in seinen Armen zu verdrängen… schließlich war sie schon in vielen Leben dagewesen.
„Es sind einige Dinge vorgefallen, und du musst davon erfahren. Es war zu gefährlich, dass du und Kyoko heute alleine hierher gekommen seid. Ich werde es dir erklären, während wir Toya suchen. Ich glaube, Kotaro ist auch hier irgendwo.“ Shinbe legte einen schützenden Arm um sie, als sie in die Richtung des Parkplatzes gingen, um Toya zu finden.
Suki war so sprachlos, dass sie im Moment nur nicken konnte.
*****
Toya raste über den Parkplatz und verfluchte Shinbe dafür, dass er schneller gewesen war als er. Er hatte durch die Beifahrertür aussteigen müssen, nachdem er erkannt hatte, dass er die Fahrertür nicht weit genug öffnen konnte. In seiner Eile hatte er zu nahe an der Mauer geparkt. Natürlich war ihm das erst aufgefallen, als er die Tür aufgestoßen hatte, sodass sie gegen die Mauer knallte, und jetzt hatte sein Baby eine Delle auf der Seite.
Das war aber nicht das, was ihn aufgehalten hatte. Als er in Windeseile über den Parkplatz gerannt war, war ein kleiner Junge aus dem Nichts aufgetaucht und er war mit ihm zusammengestoßen. Der Aufprall war so unerwartet gekommen, dass er zu Boden gegangen war. Als er wieder aufgestanden war, streckte er dem Jungen schnell die Hand hin, um ihm zu helfen.
„He, Junge… bist du in Ordnung?“ Toya riss seine Hand erschrocken zurück, als der Junge ihn anzischte und in die entgegengesetzte Richtung raste, als wäre der Satan selbst hinter ihm her.
Toya schüttelte das gespenstische Gefühl ab, das der Junge bei ihm hinterlassen hatte, und sah hoch zu dem zweistöckigen Nachtclub. Das unheimliche Gefühl wurde nur noch stärker, als er im oberen Stockwerk durch ein Fenster den Schatten eines Mannes sah, der jemanden vorbeitrug. Diese kleine Szene hatte einfach zu viele Fehler.
Seine Augen glitzerten silbern… seine Sinne wussten Dinge, die er selbst noch nicht verstand. Das alles hinterließ in ihm das Gefühl, als wäre gerade jemand über sein Grab spaziert.
Als er sich dem Club näherte, knurrte Toya genervt, als er erkannte, dass es zwei Eingänge gab. Einer schien der Haupteingang zu sein, aber vor dem anderen standen ebenso viele Leute. Nachdem er sich für den Haupteingang entschieden hatte, drängte er sich durch die Menschenmenge davor.
‚Ich hoffe, es geht ihr gut… Wenn ich sie finde, werde ich sie für immer an mich ketten, egal, ob es ihr gefällt, oder nicht…‘ Die silbernen Flecken in seinen Augen breiteten sich aus, als er nach Kyoko suchte.
*****
Kyou bahnte sich seinen Weg durch eine kleine Straße hinter dem Club, Kyoko fest in seinen Armen. Er hatte seine Entscheidung getroffen und würde das Mädchen in seine derzeitige Wohnung bringen, damit sie sich erholen konnte. Er sah hoch zu der Dachgeschosswohnung auf der anderen Straßenseite. Dort war sie sicher vor ihm… aber er würde vorsichtig sein müssen. Er konnte Hyakuheis Diener in der Dunkelheit fühlen, die den Club umgab.
Seine Zähne knirschten, als er einen entfernten Schrei hörte und wusste, dass ein weiteres Opfer gefunden worden war. Seinen Blick auf das schlafende Mädchen in seinen Armen gerichtet, wurden seine goldenen Augen weich. Vorerst… war sie sein Geheimnis. Sie fühlte sich so leicht an, wie eine Feder, und erschien so fragil.
Er konnte nicht verstehen, wie dieses kleine Mädchen, so ein feuriges Temperament haben konnte, und dennoch eine so reine Seele. Und ‚Toya‘, sie hatte den Namen seines toten Bruders ausgesprochen, als würde sie ihn kennen. Wie war das möglich?
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als er ein mächtiges Wesen der Nacht vor sich fühlte, im selben Moment, wie der schwere Geruch von Blut auf seine Nase traf. Angespannt erkannte er die Aura des Lykan, der Kyoko vorhin vor dem Punk beschützt hatte, nur um sie dann alleine zu lassen… in großer Gefahr.
Nachdem er nicht riskieren wollte, dass das Mädchen verletzt wurde, falls er kämpfen musste, legte Kyou sie vorsichtig auf den Boden und folgte dem Geruch des Blutes um die Ecke. Wenn der Wolf einen Menschen abgeschlachtet hatte, dann war die Frau in seiner Nähe vielleicht in Gefahr. Es war bekannt, dass einige Werwölfe nicht mehr sie selbst waren, wenn sie sich ihrem Zorn hingaben, und er würde nicht zulassen, dass das Mädchen von einem so gefährlichen Wesen beschützt wurde.
Als er um die Ecke gebogen war, erblickten Kyous Augen eine Szene, die er seit Jahrhunderten nicht mehr miterlebt hatte. Der Wolf, noch in seiner menschlichen Gestalt, stand da, knurrend mit gefletschten Zähnen. Seine tiefblauen Augen leuchteten, als er wild etwas anfauchte, das wie ein lebloser Körper in seinen Händen aussah.
*****
Toya hielt inne, als er sich dem Eingang näherte. Er atmete konzentriert ein und lief plötzlich in die andere Richtung, weg vom Eingang. Er konnte sie riechen… obwohl er in seinem Hinterkopf nicht verstehen konnte, wie er das können sollte. So schnell er konnte, rannte er in eine Straße, die hinter dem Club entlang führte. Sein Herz hämmerte wild in seiner Brust, als seine morbiden Gedanken durch seinen Kopf flogen.
Verschwundene Mädchen und dunkle Orte… Kyoko war hoffentlich gesund und munter, sonst…
Als er in den Schatten ankam, blieb Toya schlitternd stehen, als die Angst ihm den Atem raubte. Da, in einem Häufchen an der schmutzigen Ziegelmauer… war Kyoko. Dieselbe Angst, die ihn wie angewurzelt stehenbleiben ließ, ließ ihn weiterrennen. Eine Sekunde später war er neben ihr.
Er kniete sich hin, berührte sie, suchte nach dem Lebenszeichen, das seinem Herzen wieder erlauben würde weiterzuschlagen.
Erst als seine Finger ihren Hals berührten, schlug sein eigenes Herz wieder weiter, synchron mit dem ihren, und er atmete wieder. Gott sei Dank… sie lebte. Er erlebte ein Déjà-vu, als eine ungewollte Erinnerung auftauchte, aber er schob sie schnell zurück, hatte plötzlich Angst davor. Nachdem er fühlte, dass andere in der Nähe waren, verschwendete er keine Zeit, hob sie hoch, um sie in Sicherheit zu bringen. Als er sie in seinen Armen hielt, nutzte Toya seine unnatürliche Geschwindigkeit, um sie beide aus der Dunkelheit wegzubringen.
*****
Kotaro hielt Yohji an die Ziegelmauer gedrückt, während er versuchte, seinen Blutdurst zu unterdrücken. Es hatte keinen Sinn mehr, mit seiner Bestrafung weiterzumachen, angesichts der Tatsache, dass der Junge schon wieder bewusstlos war. Als er ihn nicht sehr sanft zu Boden fallen ließ, fühlte er eine Veränderung in der Energie um ihn herum.
Sein Kopf hob sich ruckartig, seine eisblauen Augen wurden schmal.
Kyou beobachtete, wie der Wolf den Jungen fallenließ, ohne ihn zu töten. Er erkannte sofort den Menschen, der Kyoko belästigt hatte. Plötzlich änderte er seine Meinung von eben erst, und seine Lippen verzogen sich bösartig. Wenn er es gewesen wäre, der den Jungen am Hals gehalten hätte, dann wäre der Typ nicht mehr in einem Stück.
Als würde er ihn fühlen können, drehte der Lykan seinen Kopf und ihre wütenden Blicke trafen sich. Kyou konnte die riesige Macht fühlen, die der Wolf ausströmte. Er zeigte sie als Warnung.
In der Vergangenheit hatten Wölfe und Vampire einander immer gemieden. Keine Seite kümmerte sich um die andere und sie ließen einander in Ruhe. Beide waren ähnlich stark und keine der beiden Rassen wollte die andere unbedingt dominieren. Sie existierten einfach nebeneinander in derselben Welt, gingen einander aus dem Weg und kümmerten sich nur um ihre eigenen endlosen Leben.
Alle von Kotaros Instinkten erwachten zum Leben, als er den Vampir dort in den Schatten stehen sah… der ihn beobachtete. Er konnte ihn nicht deutlich genug sehen, um sein Gesicht zu erkennen, aber seine Instinkte sagten ihm, dass der Blutsauger eine Gefahr darstellte. Er musste immer noch ein wenig Dampf ablassen und ließ seine Fingerknöchel knacken, dachte, dass es vielleicht einer von Hyakuheis Untertanen war.
Gerade als er beschlossen hatte, sich umzudrehen und anzugreifen, wurde das Bild schärfer, dann flimmerte es und verschwand. „Goldene Augen?“ Kotaro richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf, als ihm klar wurde, dass er gerade fast Kyou angegriffen hätte. „Was macht er hier?“
„Verdammt!“, zischte Kotaro und rannte los, fürchtete, dass Kyoko nicht dort sein würde, wo er sie zurückgelassen hatte. Er musste schnell zu ihr… Blutsauger waren hier heute Nacht unterwegs und er durfte nicht zulassen, dass sie eines ihrer Opfer wurde. Und wenn Kyou hier war… war absolut nicht vorauszusehen, wie gefährlich es wirklich werden konnte.
Kyou tauchte wieder auf, stand vor derselben Mauer, wo er das Mädchen zurückgelassen hatte. Als er sah, dass sie nicht mehr da war, bluteten seine Augen rot und ein wütendes Knurren ertönte in der leeren Seitenstraße und das Echo davon hallte bis in die angrenzenden Straßen.
*****
Suki und Shinbe trafen Kotaro an der Eingangstür des Clubs. Während er Shinbe an der Schulter packte, fragte Kotaro drängend: „Ist Kyoko noch drinnen?“ Seine übermenschlichen Sinne ließen alle Alarmglocken läuten und seine Instinkte sagten ihm, dass sie nirgendwo in der Nähe war.
Suki machte schnell zwei Schritte vorwärts und packte Kotaros Hemd, woraufhin sie seine Befürchtungen bestätigte. „Ein Mann hat sie vor vielleicht zehn Minuten mitgenommen. Du musst sie finden!“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie fortfuhr: „Wir können sie nirgendwo finden!“
Nachdem er noch nicht bereit dazu war, Suki ihre Freiheit wiederzugeben, zog Shinbe sie an der Hand zurück, bis sie an seine Brust gedrückt war. Er schlang seine Arme wie Stahlseile um sie. Einen bedeutungsvollen Blick auf Kotaro gerichtet, korrigierte er: „‘Etwas‘ hat sie mitgenommen.“
Shinbe sah hinunter auf Suki, die nun zitterte, und versuchte, sie zu beruhigen. Sie würde ihn nie einfach machen lassen, was er wollte, ohne zu widersprechen. „Ich verspreche, wir werden sie finden!“ Nachdem er sein Versprechen gegeben hatte, hob er seinen Kopf wieder, um wieder mit Kotaro zu sprechen, aber der Sicherheitschef war schon weg.
„W… wo ist er hin?“, stotterte Shinbe und sah sich um, aber sah keine Spur von dem Wachmann. Kopfschüttelnd seufzte er. Er hatte für eine Nacht genug absurde Dinge gesehen.
Als Suki endlich aus ihrer Schreckensstarre erwachte, schnaubte sie genervt. „Ich wünsche ihm, dass er Kyoko findet… sonst esse ich Kotaro-Kebab zum Abendessen…“ Shinbe hinter sich herziehend, als hätten sie plötzlich die Rollen getauscht, sagte sie: „Mein Auto, jetzt, komm!“
Shinbe sah sich suchend am Parkplatz um, als wäre ihm plötzlich etwas Wichtiges eingefallen. „Wo wir von Autos sprechen… Toya ist auch verschwunden.“
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