Ndura. Sohn Des Urwalds

Ndura. Sohn Des Urwalds
Javier Salazar Calle
Der beste Jugendroman des Jahres 2014 in Spanien! Ein Mann ohne besondere Kenntnisse findet sich allein mitten im Urwald wieder, nachdem sein Flugzeug abgestürzt ist. Er muss schnell lernen, um die Herausforderungen, die auf ihn warten zu überleben. Eine Geschichte, die zeigt, wozu man in der Lage ist, wenn man an seine Grenzen gezwungen wird. Bester Jugendroman des Jahres 2014 in Spanien. Wenn sich ein ganz normaler Mensch, wie du und ich, auf einmal in einer Situation auf Leben und Tod inmitten des Urwalds befindet. KANN ER DAS ÜBERLEBEN? Das ist das Dilemma, in dem sich die Hauptfigur dieser Geschichte befindet, als sie von einem beschaulichen Namibia-Urlaub, einer typischen Fotosafari, zurückkehrt. Unerwartet sieht sie sich einem extremen Überlebenskampf im Urwald von Ituri, in der afrikanischen Republik Kongo ausgesetzt, als ihr Flugzeug von Rebellen abgeschossen wird. An einem Ort, an dem die Natur nicht der einzige Feind und überleben nicht das einzige Problem ist. Ein Abenteuer, wie in den alten Klassikern, das einem eine ausgezeichnete Möglichkeit bietet, um der Wirklichkeit zu entfliehen. Man kann die Todesangst und die Verzweiflung der Hauptfigur am eigenen Leib spüren angesichts der Gefahren, denen sie sich stellen muss. In diesem Buch vermischen sich auf natürliche Weise Emotionen und Spannung, in Anbetracht des Überlebenskampfes und der Verschlechterung des psychischen Zustands der Hauptfigur im Laufe der Geschichte. Auch die gründlichen Recherchen des Autors zum Thema Urwald, seinen Tieren, seinen Pflanzen und seinen Menschen trägt dazu bei. Es wird gezeigt, dass die Wahrnehmung unserer Grenzen oft falsch ist. Manchmal zum Guten, manchmal zum Schlechten. Das macht das Buch ganz sicher zu einer empfehlenswerten Lektüre.


Umschlaggestaltung © Sara García

Originaltitel: Ndura. Hijo de la selva.
Copyright © Javier Salazar Calle, 2020
übersetzt von Sabine Stork

1. Auflage

Dem Autor folgen:

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Ndura.
Sohn des Urwalds.

von
Javier Salazar Calle

Aus dem Spanischen von Sabine Stork
All jenen gewidmet, die wie ich Abenteuer erleben und reisen können, ohne sich von der Stelle zu bewegen; denn sie sorgen dafür, dass die Vorstellungskraft in dieser Welt überdauert.

Ganz besonders widme ich dieses Buch meinem besten Freund, der vor vielen Jahren gestorben ist und meinem Sohn Álex, der seinen Namen trägt und von dem ich Großes erwarte.


Inhaltsverzeichnis

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NACHWORT (#ulink_79199545-f86a-583f-b37c-0de5e0fd53b9)
ANHANG I: Glossar der Pflanzennamen (#ulink_7ad40db4-1d25-5d2f-961e-80497a7a48fb)
ANHANG II: Glossar der Pygmäensprache (#ulink_bd1c4c00-7f88-59f0-aa7e-b205042ef572)
ANHANG III: Überleben im Urwald (#ulink_78a0cda2-6990-5b6a-a5df-728c5c4354e8)
BIBLIOGRAFIE (#ulink_ab7c78e7-1423-524f-a700-013bb7cf3b58)
WEITERE BÜCHER DES AUTORS
Über den Autor (#ulink_1b1aed8c-0e97-560b-9ba1-4a293b7dfab3)
Das Abenteuer beginnt…



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Ich bin mitten im tiefsten Afrika. Ich sitze mit dem Rücken an einen Baum gelehnt. Das Fieber ist in die Höhe geschossen, ich habe Krämpfe und Schüttelfrost, der immer häufiger kommt, ein Schmerz, den ich nicht lokalisieren kann, ist das einzige, was ich von meinem Körper wahrnehme. Ich kann nicht aufhören zu zittern. Ich befinde mich oben auf einem Hügel. Hinter mir ist der Urwald, ein dicht belaubter, wilder und unerbittlicher Dschungel. Vor mir verschwindet er wie durch Zauberhand, nur einige vereinzelte Baumstümpfe, Überbleibsel einer intensiven Forstwirtschaft, lassen erahnen, was hier früher einmal war. In der Ferne kann man die ersten Häuser, die Ausläufer einer Stadt erkennen. Lehm, Blätter und Ziegelsteine wild durcheinander. Die Zivilisation.

Ich bin tausende Kilometer von meinem Zuhause entfernt, von meinen Leuten, meiner Familie, meiner Freundin, meinen Freunden… ich vermisse sogar meine Arbeit. Das bequeme Leben, trinken können, in dem man einfach den Wasserhahn aufdreht und essen können, in dem man einfach etwas in irgendeiner Bar bestellt. … und schlafen in einem Bett, warm, trocken und sicher, vor allen Dingen sicher. Wie ich diese Ruhe vermisse! Als die einzige Ungewissheit darin bestand, herauszufinden, womit man abends nach der Arbeit seine Freizeit verbringen sollte. Wie absurd mir jetzt meine Sorgen von vorher erscheinen: die Hypothek, das Gehalt, der Streit mit dem Freund, das Essen, das ich nicht mochte, das Fußballspiel! Aber vor allem die Sache mit dem Essen…

Selbstverständlich ändert der Kampf ums Überleben den Standpunkt der Menschen. Zumindest ist es mir so ergangen. Was tue ich hier, so weit von Zuhause entfernt, sterbend, am Rande des zentralafrikanischen Urwalds? Wie bin ich in diese danteske und offensichtlich aussichtslose Lage gekommen? Wo liegt der Ursprung dieser Geschichte?

Im Kopf gehe ich die verhängnisvollen Umstände durch, die mich an den Rand des Todes gebracht haben, auf die Transitautobahn ins Jenseits, zu der mehr als wahrscheinlichen Auslöschung meiner Geschichte im Buch des Lebens…


TAG 1
WIE DIESE ERSTAUNLICHE GESCHICHTE BEGANN

Ich sah auf die Uhr. Unser Rückflug nach Spanien ging in zwei Stunden. Alex, Juan und ich waren schon im duty-free-Bereich des Flughafens von Windhoek. Wir hauten das letzte Geld in Landeswährung auf den Kopf und kauften bei der Gelegenheit die letzten Geschenke, die man sich immer bis zum Schluss aufsparte. Wir hatten schon etwas gegessen und nun blieb uns nur noch der Einkaufsbummel. Für meinen Vater kaufte ich ein Taschenmesser mit einem Holzgriff, der in Form des Landesnamens Namibia geschnitzt war, und für alle anderen besorgte ich verschiedene kunstvoll geschnitzten Tierfiguren aus Holz. Für meine Freundin Elena hatte ich eine wunderschöne Giraffe, die in einem typischen Dorf der afrikanischen Savanne handgeschnitzte worden war, ausgesucht. Alex kaufte sich ein Blasrohr und viele Pfeile. Er wollte damit auf die Dartscheibe schießen, um das Spiel zu variieren und ihm dadurch einen, sagen wir mal, volkstümlicheren Anstrich zu geben. Eine Stunde lang schlenderten wir hierhin und dorthin, den Rucksack auf der Schulter und genossen die letzten Momente in diesem Land, das sich für uns als so exotisch herausgestellt hatte. Bis man uns zum Boarding aufrief. Da wir unser Gepäck schon aufgegeben hatten, gingen wir direkt zum entsprechenden Gate und saßen schnell auf unseren Plätzen in einer alten viermotorigen Propellermaschine, nicht ohne vorher noch ein paar Fotos davon gemacht zu haben. Unsere vierzehntägige Safari im Geländewagen durch die raue afrikanische Savanne ging ihrem Ende zu und obwohl uns dieses Land fehlen würde, freuten wir uns schon auf eine warme Dusche und ein anständiges Essen nach spanischer Art. Tatsächlich war es Schade zum jetzigen Zeitpunkt abzureisen, denn man hatte uns gesagt, dass es in einigen Tagen eine der beeindruckendsten Sonnenfinsternisse der letzten Jahrzehnte geben würde und dass man sie in dem Teil Afrikas, in dem wir uns befanden, am deutlichsten sehen könnte.

Ich war der draufgängerischste und abenteuerlustigste von uns dreien und am Ende hatte ich sie soweit eingewickelt, dass sie bereit waren mit mir hierherzukommen, es ist eine Sache den Geist eines Abenteurers zu haben und eine andere, allein zu reisen. Anfangs widerstrebte es ihnen, ihre Pläne für einen entspannten Urlaub in Norditalien gegen eine offensichtlich unbequeme Fotosafari einzutauschen, an einem Ort mit ganztägigen Temperaturen über 40°C und ohne Schatten, in den man flüchten konnte. Nach dem sie diese Erfahrung gemacht hatten, bereuten sie es überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, sie würden es, ohne nachzudenken wiederholen. Die Maschine würde uns mehr als tausend Kilometer nach Norden bringen bis zum nächsten internationalen Flughafen, wo wir Anschluss an die modernen und bequemen europäischen Fluglinien hätten, um nach Hause zurückzukehren.

Nach dem Start des Flugzeugs sahen wir uns auf Alex Digitalkamera die Fotos von der Reise an. Da war ein urkomisches Foto von Alex und Juan, die entsetzt vor einem schlecht gelaunten Gnu wegrannten, das sie auf die Hörner nehmen wollte. Während sie sich die Fotos zu Ende ansahen, lachten und in Erinnerungen schwelgten, schaute ich in Gedanken versunken aus dem Fenster und sah den Wolken zu, die an uns vorbeizogen. Ich genoss es, mit meinen beiden besten Freunden, die ich seit unserer Schulzeit kannte, von diesem wunderbaren Abenteuer in einem unglaublichen Land nach Hause zurückzukommen. Es war, als wären wir in einer dieser Nation Geographic Reportagen gewesen, die ich mir so gerne beim Essen im Fernsehen ansah. Eine Safari im Geländewagen inmitten der wilden afrikanischen Savanne, auf den Spuren der großen Gnuwanderungen, bei der wir Elefantenherden fotografiert oder beeindruckende Löwen in wenigen Metern Entfernung gesehen hatten. Wir hatten kämpfende Nilpferde gesehen, lauernde Krokodile auf der Suche nach Beute, nach Aas gierende Hyänen, Geier, die über irgendeinem Kadaver kreisten, einige fremdartige Reptilien, alle möglichen Arten von Insekten. Wir hatten in Zelten inmitten des Nirgendwo übernachtet, im Schein des Lagerfeuers unter einem klaren sternenübersäten Himmel zu Abend gegessen… eine wunderbare Erfahrung. Vor allen Dingen der Blick auf den Etosha Nationalpark.

Im Gegensatz zu dem, was wir bisher gesehen hatten, befand sich unter uns ein einziger riesiger grüner Fleck, wir überquerten gerade die äquatorialen Gebiete. Der Urwald bedeckte alles. Ein endloses üppiges grünes Blattwerk. Etwas in der Art würde unser nächstes Reiseziel sein, eine Bootsreise den Amazonas hinauf mit Aufenthalten, um die vielfältigen Lebensformen der Gegend zu genießen. Wir hatten bereits die Weite der baumlosen Savanne gesehen und jetzt wollte ich das überwältigende Meer aus Bäumen mit seiner unglaublichen Vielfalt an Leben sehen. Sich mit Machetenhieben einen Weg durch den fast unpassierbaren Urwald bahnen, lernen, wie man Nahrung findet, von der Zivilisation vergessene Urvölker treffen, exotische Tiere und Pflanzen sehen… Na gut, das wäre erst im nächsten Jahr, wenn ich es wieder schaffen sollte, meine Freunde zu überzeugen, und wenn nicht, dann wäre Norditalien auch gar nicht schlecht.

Ein lautes Geräusch, wie eine Explosion, gefolgt von einer heftigen Bewegung des Flugzeugs holte mich aus meinen Träumereien. Die Maschine begann Bocksprünge in der Luft zu machen und plötzlich hatte ich den Eindruck, ich befände mich in einer Achterbahn. Ich fiel mitten im Gang auf den Boden, über eine Frau. Ich stand so gut es ging auf, versuchte nicht wieder zu stürzen und kehrte zu meinem Platz zurück. Von allen Seiten erklangen Panikschreie. Es herrschte ein totales Durcheinander.

“Feuer, Feuer, sie haben die Tragfläche getroffen!“, rief jemand auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges.
„Auf der rechten Seite!“, ein anderer Passagier deutete in die Richtung.

Zuerst wusste ich nicht, was er meinte, aber als ich aus dem Fenster an der rechten Seite sah, konnte ich eine dichte Rauchwolke sehen, die den Himmel verdunkelte als wäre es Nacht, eine tragische Nacht. Das Flugzeug hüpfte immer heftiger. Einige Passagiere begannen zu schreien. Aus dem Lautsprecher erklang die nervöse und kaum verständliche Stimme des Piloten, der uns mitteilte, dass wir eine Notlandung machen würden, weil wir von einer Boden-Luft-Rakete einer kongolesischen Miliz getroffen worden seien, deren Gebiet wir gerade überflogen. Eine Frau bekam einen hysterischen Anfall und man musste sie zwischen zwei Flugbegleiterinnen und einem Mann, der seine Hilfe anbot, setzen und sie festschnallen. Wir drei setzten uns schnell hin, legten die Sicherheitsgurte an und nahmen die Position ein, die uns die Flugbegleiterin beim Einsteigen gezeigt hatte, den Kopf auf den Knien mit Blick auf den wenig beruhigenden Metallboden. Wir hatten Todesangst. Während ich in dieser unbequemen Position verharrte, erinnerte ich mich, dass sie in den Nachrichten von diesen Rebellen berichtet hatten. Sie finanzierten sich durch die Kontrolle einiger Diamanten- oder Coltan-Minen des Kongo. Coltan, ein wertvolles Roherz, das ein für die Fertigung von Handy-Platinen, Microchips oder Bauelemente für Kernkraftwerke unerlässliches Metall enthält. Es handelte sich um eine Art blutigen Bürgerkrieg, in dem alle umliegenden Länder wirtschaftliche und militärische Interessen hatten, der schon mehr als zwanzig Jahre andauerte und der nie zu enden schien.

Das Gerüttel war so heftig, dass ich immer wieder mit solcher Wucht nach vorne geschleudert wurde, dass der Sicherheitsgurt mir den Magen quetschte, so dass mir die Luft wegblieb und mein Kopf gegen den Sitz vor mir schlug. Ich bemerkte, wie sich die Nase des Flugzeugs nach unten neigte und ein schwindelerregender Sinkflug begann. Der Lärm war ohrenbetäubend, wie von tausend Motoren, die alle gleichzeitig mit voller Kraft arbeiteten. Kurz bevor wir den Boden erreichten, machte der Pilot eine letzte Lautsprecherdurchsage, er würde eine Notlandung auf einer Lichtung, die er entdeckt hatte, versuchen. Wir würden alle beim Aufprall sterben, war das Letzte, was ich dachte. Danach herrschte völlige Verwirrung, laute Geräusche, Stöße, Dunkelheit…

Als ich wieder zu Bewusstsein, kam hatte ich fürchterliche Kopfschmerzen. Ich hob die Hand an die Stirn und stellte fest, dass sie blutete. Außerdem hatte ich am ganzen Körper Prellungen und Kratzer und vor allen Dingen eine große Schürfwunde und sehr geröteter Haut, dort, wo mich der Sicherheitsgurt zurückgehalten hatte. Ich fuhr mit den Fingern darüber und spürte ein heftiges Brennen, so dass ich die Zähne fest zusammenbeißen musste. Ich sah zu meinen Freunden. Juan schien unter Schock zu stehen, er stieß so etwas wie ein klagendes Wimmern aus und bewegte sich ein bisschen. Alex, … Alex bewegte sich kein bisschen, sein Gesicht, das sonst immer so fröhlich und voller Leben war, war kalkweiß, der Gesichtsausdruck starr, das Blut lief ihm in Strömen vom Nacken. Voller Verzweiflung rief ich seinen Namen, wieder und wieder. Ich berührte sein Gesicht, es war ganz steif, ich nahm ihn an den Schultern und schüttelte ihn sachte, rief ihn, flehte ihn an. Alex war tot, tot. Dieses Wort hallt in meinem Kopf wider, als wäre es sein eigenes Echo. Tot.

Verängstigt und von der Situation überwältigt, versuchte ich zu reagieren. In meinem Kopf dröhnte ein Bum-Bum-Bum, wahrscheinlich vom Aufprall. Augenblick! Das war nicht in meinem Kopf, in der Ferne hörte ich den Klang von Trommeln mit einer wiederkehrenden Melodie. Jemand schien in einiger Entfernung zu kommunizieren.

“Scheiße!”, dachte ich.

Ich stand taumelnd auf. Ein Gedanke machte sich in meinem Kopf breit. Wenn wir von Milizen abgeschossen worden waren, würden sie hierkommen und uns gefangen nehmen und vielleicht sogar töten. Wir mussten sofort weg von hier. Mein erster Gedanke war, Alex Bescheid zu sagen, aber als ich den Kopf drehte und ihn wieder ansah, wurde mir erneut bewusst, dass er tot war. Einige Sekunden lang war ich wie erstarrt, bis ich es schaffte mich wieder loszureißen. Ich ging zu Juan, der noch immer auf seinem Platz saß und sich ein paar Mal geschüttelt hatte, wie jemand der schläft und einen Albtraum hat.

“Juan”, stammelte ich, “wir müssen von hier verschwinden.“
„Und Alex?“ murmelte er, ohne die Augen zu öffnen.
“Alex, … Alex ist tot, Juan.”, antwortete ich und versuchte nicht zusammenzubrechen. „Komm, Alex ist tot und wir werden es auch sein, wenn wir nicht gehen. Er ist tot.“

Stolpernd suchte ich in dem Chaos solange nach meine Rucksack, bis ich ihn endlich fand. Ich nahm ihn und ging in den hinteren Teil des Flugzeugs. Hier hinten brannte eine Seite und es war sehr heiß. Im ganzen Flugzeug lagen Menschen in unnatürlichen Positionen, einige verletzt, andere versuchten etwas zu unternehmen und wieder andere waren tot. Von überall her hörte man Schreie, Stöhnen, Gemurmel. Ich erreichte die Bordküche und stopfte alles, was ich finden konnte in den Rucksack: Dosen mit Erfrischungsgetränken, belegte Brötchen, Päckchen, mit undefinierbarem Inhalt, eine Gabel. Als er voll war, ging ich zu Juan zurück und nahm mir seinen Rucksack, der auf einer Frau lag und packte einige Flugzeugdecken hinein. Dann erinnerte ich mich an den Verbandskasten und kehrte noch einmal in die Bordküche zurück. Da war er, auf dem Boden, geöffnet und der Inhalt auf der Erde verstreut. Ich sammelte alles ein, was in meiner Nähe war und ging Juan holen.

“Komm, Juan, lass uns von hier abhauen.“
„Ich kann nicht”, flüsterte er, „mir tut alles weh.“
„Komm schon Juan, du musst aufstehen oder sie werden uns alle töten. Ich bringe die Rucksäcke raus und dann komm ich dich holen.“
„Okay, okay, ich versuche es“, antwortete er mir und rutschte ein bisschen auf seinem Platz herum.

Ich nahm die beiden Rucksäcke und ging nach draußen, wegen der Erschütterung durch den Aufprall taumelte ich dabei immer noch ein bisschen. Ich musste mich sehr anstrengen, nicht stehen zu bleiben, um den anderen Menschen zu helfen, aber ich wusste nicht, wie viel Zeit mir blieb und ich wollte nur leben. Einen weiteren Tag leben, um die nächste Morgendämmerung zu erleben. Wir befanden uns auf einer Seite der Lichtung inmitten des Waldes. Offensichtlich hatte der Pilot versucht hier zu landen, weil hier keine Bäume standen, aber er war etwas vom Weg abgekommen. Das Flugzeug hatte die linke Tragfläche verloren, als es gegen die großen Bäume gestoßen war. Eine dichte Rauchwolke, die jeder in einem Umkreis von vielen Kilometern sehen konnte, stieg aus dem Flugzeug auf. Ich ging ein Stück weit in das Dickicht und stellte die Rucksäcke am Fuß eines großen Baumes ab. Dann drehte ich mich um, um zum Flugzeug zurückzugehen, aber in diesem Augenblick stürmte eine Gruppe bewaffneter schwarzer Männer von der mir gegenüberliegenden Seite her auf die Lichtung. Schnell ging ich in die Hocke und versteckte mich hinter einem Baumstamm. Ein heftiger Schmerz stach mir in den Magen. Die Milizen, von denen einige Tarn- und andere Zivilkleidung trugen, umzingelten das Flugzeug, zielten mit ihren Waffen darauf und schrien pausenlos. Ich verstand nichts von dem, was sie sagten, aber wenn man berücksichtigte, in welchem Gebiet wir uns befanden, musste es Suaheli sein, oder wer, weiß was sonst.

“Nitoka!”, schrien sie immer wieder, “Enyi!, nitoka!, maarusi!


Sofort begannen einige bestürzte und verwirrte Passagiere das Flugzeug zu verlassen. Sie wurden rücksichtslos auf den Boden geworfen und gründlich durchsucht. Weitere Rebellen tauchten auf. Einer der Passagiere, der Mann, der vor mir gesessen hatte, wurde nervös, stand auf und versuchte wegzulaufen. Die Milizen schossen mehrere Maschinengewehrsalven auf ihn ab, so dass er fast augenblicklich tot zusammenbrach. In diesem Moment der Verwirrung kam Juan aus dem Flugzeug und rannte in die gegengesetzte Richtung, weg von dem Ort, auf den alle ihre Aufmerksamkeit gerichtet hatten.

”Basi!2, Basi!”, riefen einige der Rebellen als sie ihn entdeckten.
„Nifyetua!3” schrie der, der anscheinend der Anführer war, als Juan fast den Rand der Lichtung erreicht hatte.

Da nahmen zwei von ihnen ihre Maschinengewehre und schossen ihm, ohne zu zögern in den Rücken. Eine der Kugel flog pfeifend direkt an mir vorbei. Ich zog den Kopf ein und kniff ganz fest die Augen zu, in dem aberwitzigen Glauben, dass mich das vor den Kugeln retten könnte. Knapp fünf Meter von der Stelle, von der aus ich alles beobachtete, sank er auf die Knie und bevor er vollständig zusammenbrach, sah er mich zusammengekauert dahocken und schenkte mir sein letztes Lächeln.

“Nitoka, maarusi!”, schrien sie weiter in Richtung Flugzeug.

Es kostet mich keine große Anstrengung nicht zu schreien, denn ich war gänzlich verstummt und wie gelähmt. Ich weiß nicht, wieviel Zeit ich so zubrachte, aber als ich wieder reagieren konnte, wusste ich, dass es nur einen Ausweg gab: fliehen, um mein Leben zu retten. Ich ergriffe die beiden Rucksäcke und entfernte mich, drang in das dicht belaubte Dickicht des Urwalds ein, so vorsichtig, wie es mir eben möglich war, was nicht viel war, denn ich taumelte, hatte Schmerz am ganzen Körper und war unfähig ihn vollständig zu kontrollieren. Ich wusste nicht, in welche Richtung ich mich wenden sollte, aber mir war klar, dass meine Überlebenschancen umso größer wurden, je mehr Entfernung ich zwischen diese Barbaren und mich bringen konnte.

Ich ging fast zwei Stunden lang, angetrieben von dem Schreck und der Todesangst, bis meine Beine nachgaben und ich erschöpft auf den Boden fiel. Die Rucksäcke fühlten sich an, als wären sie mit Steinen beladen. Mein linkes Knie schmerzte heftig. Seit ich mich beim Fußballspielen verletzt hatte, war es nicht wieder richtig verheilt und ab und an hatte ich immer noch Probleme damit, wenn es überbeansprucht wurde. Ich öffnete meinen Rucksack und holte eine Getränke-Dose heraus. Sie war noch etwas kühl und ich trank gierig. Ich schwitzte extrem, Schweißtropfen liefen in Sturzbächen von meinem Kinn, als hätte es gerade geregnet oder als wäre ich soeben aus dem Schwimmbad gestiegen. Ich bekam keine Luft und versuchte in tiefen Zügen durch den Mund einzuatmen. Ich verschluckte mich an einem zu hastigen Schluck, begann schrecklich zu husten und dachte, ich würde ersticken. Als ich es geschafft hatte, mich etwas zu beruhigen, stellte ich immer noch keuchend fest, dass das Licht abgenommen hatte, die Nacht brach an. Alex tot durch den Unfall, Juan von Kugeln durchlöchert. Ich hatte meine beiden besten Freunde in einem einzigen Augenblick durch einen dämlichen Bürgerkrieg verloren, den ich nicht verstand und der mir egal war. Warum bringen sie sich nicht gegenseitig um? Warum uns? Warum meine Freunde, Alex und Juan? Dreckskerle! Wenn es nach mir ginge, könnte sie alle gemeinsam in die Luft fliegen. Ihretwegen war ich jetzt allein in diesem feuchten, ermüdenden, stickigen Drecksloch. Ohne meine Freunde. Warum sie? Warum ich? Juans Tod, niedergemäht von diesen Barbaren, ging mir ein ums andere Mal durch den Kopf, als wäre es ein Film. Wie das Licht in seinen Augen erstarb, als er mir seinen letzten Blick schenkte…Ich versuchte nicht daran zu denken, es in einem geheimen Winkel meines Gehirns zu verstecken, aber es ging nicht. Vor einigen Stunden waren wir zusammen, haben gelacht, während wir uns an die Ereignisse auf unserer Reise erinnerten, und jetzt…

Ich weinte eine ganze Weile, wie lange weiß ich nicht, aber es tat mir sehr gut. Als ich endlich aufhören konnte, ging es mir viel besser, auf jeden Fall hatte ich mich etwas beruhigt. Jetzt war sah man deutlich, dass die Nacht anbrach, der dämmerige Urwald betrat die Welt der Finsternis. Ich musste mir einen Platz zum Schlafen suchen. Ich hatte Angst davor, auf dem Boden zu schlafen, vor allen Dingen, falls mich die Rebellen finden sollten. Aber auf einem Baum zu schlafen, gefiel mir auch nicht, denn da waren Schlangen, diese kreischenden Affen oder was weiß ich denn noch für anderen wilden und hungrigen Raubtiere. Für irgendetwas musste ich mich entscheiden. Schlangen oder vor Wut rasende bewaffnete Männer? Die Schlange schienen mir die bessere Wahl zu sein, wenigstens hatten sie mir bis jetzt noch nichts getan. Ich suchte mir einen Baum, auf den ich leicht klettern konnte, die Schlangen aber nicht, und der irgendwo einen Platz bot, an dem ich es mir zum Schlafen bequem machen konnte.

In diesen Moment wurde mir bewusst, welche unglaubliche Artenvielfalt an Bäumen und Pflanzen es hier gab. Beginnend mit den kleinsten, fast winzigen Pflanzen bis hin zu über fünfzig Meter hohen Bäumen, deren Stämme alle anderen überragten ohne das ich ihr Ende sehen konnte. Ein einziges Durcheinander von unterschiedlichsten Pflanzen, wohin man auch sah. Ebenso gab es riesige Palmen mit zerfransten grün-gesprenkelten Blättern von mehreren Metern Länge und kompakten und dichten Blütenständen
. Die oberste Baumschicht erreichte ungefähr dreißig Meter, aus der aber einige Bäume weit hinausragten. Die mittlere Schicht erreichte zehn oder zwanzig Meter mit ihren länglich geformten Bäumen, die den Zypressen ähnelten, die bei uns auf Friedhöfen stehen. Die Bäume der untersten Schicht erreichten fünf bis acht Meter, hier kam deutlich weniger Licht an. Es gab auch Büsche, alle möglichen jungen Bäume, wenn auch nur wenige, und eine Moosschicht, die an manchen Stellen fast alles bedeckte, genauso wie eine Unmenge an Lianen, die an allen Stämmen hinaufkletterten, von allen Ästen hingen. Überall waren Blumen und Früchte, vor allem in den obersten Schichten, die für mich unerreichbar waren. Auch konnte man alle möglichen Tiere erahnen, sie waren nicht leicht zu sehen, aber ich konnte unzählige unterschiedliche Vogelrufe und Schreie von Affen hören. Über mir zitterten die Äste, wenn sie sich darüber bewegten. Überall in der Luft und um die Blumen herum summten Insekten. Ich konnte sogar einige auf dem Boden lebende Tiere, deren Schritte ich wie ein entferntes Geräusch hörte wahrnehmen. Schmetterlinge und andere Insekten schwirrten überall herum. Ich hätte diesen herrlichen Ort genießen können, wenn ich nicht in dieser Situation steckte, aber im Augenblick war alles ein potentielles Hindernis für mein Überleben. Und alles machte mir Angst.

Nach einer kurzen Suche fand ich einen Baum, den ich für geeignet hielt und kletterte mit beiden Rucksäcken auf dem Rücken hinauf. Sie schienen mir höllisch schwer zu sein und mein Knie flehte um eine Pause. Als ich hoch genug war, um mich sicher zu fühlen, aber noch nicht so hoch, dass ich mich bei einem Sturz in der Nacht schwer verletzt oder umgebracht hätte, machte ich es mir so gut es ging zwischen zwei dicken fast parallel verlaufenden Ästen bequem. Ich deckte mich mit einer der kleinen Decken, die ich aus dem Flugzeug mitgebracht hatte etwas zu und benutzte eine andere als Kopfkissen. Am Himmel konnte ich eine unglaubliche Menge von großen dunkelbraunen Fledermäusen ausmachen. Sie schlugen auf diese für sie typische Weise mit den Flügeln, was wie ein herumirrendes Geflatter wirkte und bewegten sich wie durch Impulse
. Ich hatte keine Ahnung, wie ich sie hätte zählen sollen, aber es waren bestimmt tausende, die vor allem die Palmen anflogen, um deren Früchte zu fressen, so dachte ich, oder um die Insekten zu jagen, die die Früchte fraßen.

Ich hatte vielleicht zwei Stunden in kleinen Intervallen von fünfzehn oder zwanzig Minuten geschlafen. Die Geräusche setzten mir von allen Seiten zu. Ich hörte nur noch Schritte, Stimmen, Schreie, Krächzen, schrilles Gekreische, Gesumme, Geraune, ein andauerndes Gewisper, das unaufhörlich an- und abschwoll. Ich meinte sogar mehrmals den Todesschrei eines Kindes zu hören und das Trompeten von Elefanten. Ich wusste nicht, ob es sich nur so anhörte oder ob es wirklich so war. Ab und an war ein sehr beunruhigendes Brüllen zu hören, das mich an ein wildes Raubtier denken ließ, das mich im Schlaf fressen würde. Zeitweise nahm mir die Angst den Atem und drückte mir derart aufs Herz, das es fast wehtat. Jeder Laut, jede Bewegung, alles, was sich in meiner Umgebung abspielte war eine Qual, erzeugte ein erdrückendes, erstickendes Gefühl. Sobald es mir gelang einzuschlafen, war da wieder irgendetwas, so dass ich erneut erschrocken aus dem Schlaf hochfuhr. Manchmal sah ich in der unheimlichen Nacht Augen leuchten. Um mir Mut zuzusprechen, sagte ich mir, dass es nur ein einfacher Uhu war oder sein nächster in diesen Gefilden heimischer Verwandter. Aber diese Versuche, eine positive Einstellung zu behalten, waren nur von kurzer Dauer und am Ende sah ich immer Raubkatzen mit rücksichtslosen Absichten oder gefährliche Schlangen auf der Jagd. Dann wieder glaubte ich, in der Nähe Schüsse zu hören, wiederkehrende Gewehrsalven, aber wenn ich aufmerksam lauschte konnte ich nichts hören.

“Javier”, hörte ich Alex rufen.
“Ja, wo bist du?“, sagte ich, während ich aus dem Schlaf hochschreckte.
”Javier”, hörte ich wieder.

Ich guckte in alle Richtungen, ängstlich, erwartungsvoll, begierig meinen Freund zu sehen. Bis mir klar wurde, dass Alex tot war, und dass ich mich allein und ohne Hilfe inmitten des Urwalds befand. Das war es, was mich erschreckte: dass ich mit niemandem rechnen konnte, der mir zu Hilfe kommen würde, dass da niemand war, mit dem ich den Schmerz dieses Momentes, meine Verzweiflung teilen konnte. Ich durfte nicht in Panik geraten, ich musste die negativen Gedanken aus meinem Kopf verbannen, um zu überleben. Aber ich konnte es nicht. Ein beklemmendes Gefühl der Einsamkeit führte dazu, dass ich in meine Ängste abtauchte.

“Javier, Javier.”

Sein steter, fragender und lockender Ruf erklang die ganze Nacht. Ich wäre mit ihm gegangen, wenn ich gewusst hätte wohin.

TAG 2
WIE ICH DIE WUNDER DES URWALDS ENTDECKE

“Nein, nein, tötet ihn nicht!“, schrie ich; während ich wild um mich schlug und deshalb mit einem dumpfen Geräusch vom Baum fiel.

Ich schüttelte mich kräftig, um so meinen eigenen Hirngespinsten zu entfliehen und beachtete dabei die Schmerzen nicht, die der Sturz verursacht hatte. Ich sah mich völlig orientierungslos nach allen Seiten um und verharrte einen Moment lang ganz still, zusammengekauert, stöhnte wie ein schwerverletztes Tier. Während ich mir den angeschlagenen Rücken rieb, wurde mir klar, dass es sich um einen Albtraum gehandelt hatte. Ein sehr realistischer Albtraum, denn ich hatte geträumt, dass ich Juans Tod und den Flugzeugabsturz noch einmal erlebte, und dass ich Alex bewegungslosen Körper noch einmal zwischen meinen Händen spürte. Der Schweiß tropfte mir von der Stirn, meine Hände zitterten. Ich atmete eine Weile lang tief ein und aus und beschloss, mich zu bewegen, ich wollte mich nur noch so weit wie möglich von dem Flugzeug entfernen, in dem ich einen Teil meines Lebens verloren hatte. Meine Vergangenheit war fürchterlich, meine Zukunft trostlos.

Ich hatte starke Rückenschmerzen, vielleicht wegen der Position, die ich auf dem Baum eingenommen hatte oder wegen des Sturzes oder wegen beidem zusammen und ich fröstelte. Voller Selbstmitleid stieg ich wieder auf den Baum, um die Rucksäcke zu holen und stellte fest, dass der mit dem Essen fehlte. Der Schreck, der mich bei dieser Erkenntnis durchfuhr war so heftig, dass ich beinahe wieder vom Baum gefallen wäre. Ohne diesen Rucksack war alles aus. Erschrocken suchte ich zwischen den Ästen und als ich dachte, ich würden ihn nie wiederfinden, sah ich, dass er auf den Boden gefallen war und sein ganzer Inhalt dort verstreut war. Möglicherweise hatte ich ihn bei meinem Sturz selbst mitgerissen oder ihn im Schlaf runtergeworfen. Vorsichtig stieg ich mit dem anderen Rucksack auf der Schulter runter und sammelte alles, was ich finden konnte ein: drei Dosen mit Erfrischungsgetränken, ein mit Wurst belegtes Brötchen, einige angeknabberte und mit Ameisen übersäte Kekse, ein Paket mit Salztütchen, um Salate zu würzen und die zwei Päckchen mit, wie sich jetzt herausstellte, Quittengelee. Der Rest war verschwunden, von Tieren weggeschleppt, wie ich vermutete. Daraus schloss ich, dass er in der Nacht runtergefallen sein musste.

Ich beschloss, eine Bestandsaufnahme von allem, was ich bei mir trug zu machen, um zu sehen, was für mich nützlich sein könnte, und um wegzuschmeißen, was überflüssig war. Es hatte keinen Sinn, unnützes Gewicht mitzuschleppen und ich musste wissen, was mir zur Verfügung stand. Abgesehen vom Essen hatte ich in meinem Rucksack das Taschenmesser, das ich für meinen Vater gekauft hatte, alle Holzfiguren, einen Reiseführer über Zentralafrika, ein Paket Papiertaschentücher, ein Fernglas 8x30, eine kakifarbene Stoffmütze und ein T-Shirt mit der Aufschrift „I love Namibia“. Vom Verbandskasten waren ein halbvolles Paket Aspirin, ein volles Paket Durchfallmedikament, eine Mullbinde, drei Pflaster und einige Tabletten gegen Übelkeit übrig. Und natürlich mein Ausweis. In Juans Rucksack befand sich ebenfalls sein Ausweis und außerdem die drei Decken, ein Kopfkissen aus dem Flugzeug und ein kleines Buch mit Sätzen auf Suaheli, seine Sonnenbrille, eine Schirmmütze, ein paar Schokoladenriegel, eine ein Liter Plastikwasserflasche, die fast leer war, eine Gabel, eine große Elefantenfigur aus Holz und einige kleinere Holzfiguren, eine fast volle Zigarettenschachtel und ein Feuerzeug.

Ich konnte nicht zwei Rucksäcke tragen, deswegen verstaute ich alles in meinem eigenen, der in einem besseren Zustand war, nur eine Decke und das Kopfkissen, das zu viel Platz wegnahm und die Holzfiguren, die in dieser Umgebung nutzlos waren vergrub ich und bedeckte alles mit Laub. Während ich mich einiger dieser Dinge entledigte, dachte ich an die Menschen, für die sie gedacht gewesen waren, an Elena, an meine Familie, an meine Freunde, an Álex, an Juan… und es dauerte nicht lange, bis ich wieder zu weinen anfing. Ich würde sie nie wiedersehen, keinen von ihnen. Naja, Alex und Juan würde ich bald wiedersehen, im Paradies, oder wo auch immer man hinkam, wenn man tot war.

Die Schokolandenriegel, die weich von der Hitze waren, aß ich augenblicklich und leckte die Verpackung mit der Zunge so sauber, dass nichts mehr übrigblieb. Sie schmeckten göttlich. Ich trank auch das bisschen Wasser, was noch in der Flasche war. Da wurde mir klar, dass ich einen Augenblick innehalten musste, um darüber nachzudenken, wie meine nächsten Schritte aussehen sollten. Einige Fragen kamen mir in den Sinn: wussten die Rebellen, dass ich lebte? Welche Richtung sollte ich jetzt einschlagen?

Was die erste Frage betraf, hatte ich keine Antwort. Vielleicht hatten sie einen Passagier dazu gebracht zuzugeben, dass er mich gesehen hatte, vielleicht hatten sie die Umgebung abgesucht und meine Spuren oder die Dosen gefunden, die ich auf den Boden geworfen hatte nachdem sie leer waren (das war ein großer Fehler gewesen, auch wenn ich in dem Augenblick genug mit meiner Flucht zu tun gehabt hatte) vielleicht waren sie überall um mich herum und sie würden mich so oder so finden, aber vielleicht wussten sie auch gar nichts. Wie dem auch sei, ab jetzt musste ich versuchen vorsichtiger zu sein und so wenig Spuren wie möglich auf meinem Weg zu hinterlassen.

Nun zur Richtung, die ich einschlagen sollte. Ich meinte mich zu erinnern, dass ich während des schwindelerregenden Sinkflugs vom Flugzeug aus ein Dorf am Horizont gesehen hatte, in einer großen Lichtung im Urwald. Was ich nicht wusste, war, ob sich dort der Unterschlupf der Rebellen befand oder nicht, was aber sehr wahrscheinlich war, denn es lag in direkter Nähe zu der Stelle, von der aus sie uns angegriffen hatten. Da wir vom Süden Afrikas nach Norden unterwegs gewesen waren, konnte ich annehmen, dass ich, wenn ich immer Richtung Norden ginge aus dem Urwald heraus und in ein anderes Land käme und mehr Möglichkeiten hätte, Hilfe zu finden. Wie sehr ich meine Freunde jetzt vermisste! Jetzt wären Alex‘ Enthusiasmus, sein Optimismus und seine überbordende Fröhlichkeit und Juans analytischer Geist, seine Gelassenheit und seine Entschlussfreudigkeit so hilfreich. Wie sehr brauchte ich ihre Gesellschaft, um den nötigen Mut aufzubringen, um mich dieser nicht gewollten Herausforderung zu stellen, die sich mir unausweichlich aufdrängte. Mit ihnen wäre das alles viel leichter, sogar ein Abenteuer, von dem man bei der Rückkehr erzählen konnte, aber sie waren tot. Ermordet, ohne Mitleid vernichtet, wie gewöhnliche Fliegen, ausgelöscht in ihren besten Jahren… und ich musste um jeden Preis überleben. Mistkerle, A…! Ruhig, Javier, ruhig, ich musste Ruhe bewahren, das war meine einzige Option, um überhaupt eine Chance zu haben. Also, wenn ich davon ausging, dass die Sonne im Osten auf- und im Westen unterging, und dass sie mehr oder weniger auf dieser Seite aufgegangen war, müsste ich in diese Richtung laufen. Wenn ich mit diesem Orientierungssystem irgendwohin gelangen sollte, dann wäre das nicht mein Geschick, sondern ein Wunder. Um jedenfalls sicherzugehen, stieg ich vorsichtig auf einen der höchsten Bäume, den ich sehen konnte.

Das war einfach, da er viele Äste hatte, die ich wie eine Treppe benutzen konnte, die aber immer dünner und biegsamer wurden je höher ich kam, deswegen war ich sehr vorsichtig und trat nur dorthin, wo die Äste aus dem Stamm kamen, dort wo sie am dicksten und stärksten waren. Der Baum ragte über die meisten anderen hinaus und als ich fast ganz oben angekommen war, zeigte sich mir ein erschütterndes Bild. Ein grünes Meer breitete sich in alle Richtungen aus, wie ein Teppich, der dem Gelände folgend auf- und abstieg, wie eine Welle, eine unermessliche Ausbreitung des Lebens. Nur einige vereinzelte Bäume, die sehr viel höher waren als der Rest, ragten aus diesem grenzenlosen Teppich heraus, der aus den Blättern der unzähligen Baumkronen des Urwalds gefertigten war. Ich sah in allen Richtungen nichts als Baumkronen ohne Ende. Selbst durch das Fernglas konnte ich nichts entdecken. Um ehrlich zu sein, half mir das nicht viel bei der Suche nach der Richtung, der ich folgen sollte. Ich kletterte vom Baum runter und versteckte Juans Rucksack mit allem, was ich zurücklassen würde unter einem umgestürzten Baum, der ihn halb begrub. Im letzten Augenblick entschied ich mich, die Giraffe für Elena zu behalten, falls ich sie wiedersehen sollte, wollte ich ein Geschenk für sie haben. Ich warf einen letzten Blick in die Runde, um sicherzugehen, dass ich keine eindeutigen Hinweise auf meine Anwesenheit zurückließ, und als ich einigermaßen davon überzeugt war, lief ich ohne große Hoffnung los. Wie sehr brauchte ich meine Freunde!

Auf meinem Weg begegneten mir farbenprächtige Vögel, mit einer auffallend roten Brust, während der Rest ihres Körpers grünlichen war
. Sie flatterten in einem Schwarm von zwölf oder fünfzehn Vögeln unglaublich flink zwischen den Ästen der Bäume herum. Sobald ich etwas zu laut war, verschwanden sie im Nu aus meinem Gesichtsfeld. Nur diese wundervollen Tiere schafften es, mich für einen Augenblick von diesem erdrückenden Gefühl der Einsamkeit zu befreien, mit dem mich der Urwald unerbittlich niederschmetterte, diese beengende, feindliche und unbarmherzige Welt in ständigem Dämmerlicht, in der Anstrengung, Niedergeschlagenheit und Atemnot deine ständigen Wegbegleiter waren.

Der Weg war schwierig. Ständig musste ich Umwege machen oder über Hindernisse klettern. Manchmal traf ich auf kleine Lichtungen, aber ich umrundete sie aus Angst, man könnte mich sehen. Ich schwitzte ohne Unterlass und hatte großen Durst, aber ich wollte nicht noch eine der Dosen austrinken, denn es waren nur noch drei übrig. Es waren wohl um die 25°C bei einer extrem hohen Luftfeuchtigkeit, was das Gefühl der Enge und die Hitze noch verstärkte. Für eine Weile zog ich mein T-Shirt aus, aber ich wurde von so vielen Mücken gestochen, dass ich es wieder anziehen musste. An einigen Stellen wurde das Gestrüpp so dicht, dass ich mir einen Weg mit einem Stock bahnen musste, den ich aufgesammelt hatte, und den ich wie eine Machete benutzte. An diesen Stellen kam ich kaum voran, denn das einzige, was ich mit dem Stock erreichte, war die Äste so lange von meinem Weg wegzudrücken, dass ich weitergehen konnte, aber nicht sie abzuhacken. Außerdem waren meine Beine und meine Unterarme überall da, wo ich keine Kleidung trug mit Verletzungen übersät, die entstanden, wenn ich an einer Pflanze hängen blieb. Auch im Gesicht brannten einige Stellen, ein Zeichen dafür, dass ich auch dort Kratzer hatte.

Manchmal war der Boden voller abgebrochener Äste oder umgestürzter Bäume, dann wieder weich, von Laub bedeckt, und ich musste vorsichtig gehen, damit ich nicht in irgendein Loch trat oder ausrutschte und mir den Knöchel verrenkte, denn das wäre verheerend. An manchen Stellen standen die Baumkronen so dicht beieinander, dass kein Licht durchkam, so dass ein ziemlich unheimlicher Halbschatten entstand. Oder sie bildeten verschiedene Stockwerke mit unterschiedlichen Lichtschattierungen, die abhängig von der Höhe waren. Erschrocken durchquerte ich diese Bereiche, denn dort hatte ich den Eindruck, ständig von Gespenstern angegriffen zu werden, bei denen es sich in Wirklichkeit um die höchsten Äste handelte, die sich im rauschenden Wind bewegten, der anscheinend auf dem grünen Dach des Urwaldes wehte, und die dabei ein markerschütterndes und ausdauerndes Heule erzeugten, das mich von allen Seiten her bedrängte. Immer wieder wurde der Urwald so dicht, dass er unpassierbar war, und ich große Umwege machen musste, um weiter voranzukommen. Ich hatte es nie für möglich gehalten, dass es so viele verschiedene Pflanzen so dicht beieinander geben könnte. Jetzt sah ich nichts romantisches mehr darin, wie die Forscher in den Urwald vorzudringen, ganz im Gegenteil, ich wollte diesen Ort so schnell wie möglich verlassen. Außerdem krampfte sich mein Herz vor Angst zusammen, wenn ich daran dachte, dass man mich auf Grund des Lärmes, den ich die meiste Zeit machte, ganz leicht finden könnte, sollte man mich verfolgen.

Wie auch in der Nacht kamen unaufhörlich Geräusche aus allen Richtung, es war nicht exakt der gleiche Lärm, aber man hörte ebenfalls das Summen der Insekten, fremdartige Vogelgesänge aus den Baumkronen und einige Schreie, von denen ich annahm, dass sie von Affen oder irgendetwas anderem in der Art stammten. Wenigstens war dieses beunruhigende Gebrüll nicht zu hören, es kam wohl von einem nachtaktiven Jäger, oder zumindest wollte ich das glauben. Sehen, ja sehen konnte ich nicht viele Tiere, aber ich konnte sie alle hören.

Ich sah auf meine Uhr. Es war zehn Uhr morgens. Ich war eine Stunde unterwegs und konnte nicht mehr. Mein Knie hatte bereits begonnen mir Warnsignale zu schicken, ich merkte, dass es etwas angeschwollen war. Mehrere Male waren die Bänder, oder was auch immer, verrutscht, und ich musste sie mit einer sanften, aber entschiedenen Massage wieder an ihren Platz bringen. Ich setzte mich auf den Boden, um ein bisschen auszuruhen, lehnte mich an den Stamm eines extrem hohen Baumes und rieb mir das Knie mit den Händen. Die Hitze linderte den Schmerz ein wenig. Ich befand mich in einer Gegend, in der die Bäume weniger dicht standen. Nachdem ich eine Weile so dagesessen hatte, sah ich auf einem Ast mir gegenüber einen Vogel. Er sah aus wie ein Papagei, hatte mattes bläuliches Gefieder, einen weißen Kranz um die Augen, einen schwarzen Schnabel und rote Schwanzfedern, die der einzige Farbtupfer an ihm waren. Er stieß fast menschliche Rufe aus
. Er drehte den Kopf in fast alle Richtungen, ohne jedoch den Rest des Körpers zu bewegen und erinnerte mich dabei an das Mädchen aus „Der Exorzist“. Er hängte sich baumelnd an eine Frucht des Baumes und begann daran herumzupicken. Die Frucht war rot-orangefarben, so groß wie eine Hand und ähnlich geformt wie ein Kürbis.

“Du weißt sicher, wo du bist”, dachte ich bei mir, „du ganz sicher.

Ich ruhte mich fast eine halbe Stunde lang aus, dann ging ich wieder weiter. Jedes Mal, wenn ich eine Lichtung umrundete und die wahrscheinlich richtige Richtung wiederfinden musste, war ich mehr davon überzeugt, dass ich jahrelang im Kreis gehen konnte, ohne es mitzubekommen. Alles schien gleich auszusehen und die Sonne war auch keine große Hilfe mehr. Ich schaute, wie hoch sie stand, verglich es mit der Zeit auf meiner Uhr und kam zu der Erkenntnis, dass ich keine Ahnung hatte, was ich hier tat. Ich behielt den ganzen Vormittag den immer gleichen Rhythmus bei, ich ging eine Stunde und ruhte mich dann einen Moment aus. Um meinen Kopf zu beschäftigen, las ich während der Ruhepausen in dem Buch mit Suaheli-Sätzen oder in dem Reiseführer, vielleicht würde mir das bei einem möglichen Treffen ja auch bei der Verständigung behilflich sein können. Es fiel mir jedes Mal schwerer aufzustehen und weiterzugehen, ich hinkte wegen des Knies und gegen zwei Uhr nachmittags gab ich auf.

Ich war an allem schuld, ich hatte meine Freunde an diesen höllischen Ort geschleppt, meinetwegen waren sie gestorben. Wenn ich auf sie gehört hätte, würden wir jetzt gerade aus Italien zurückkommen mit einem Haufen Fotos von Venedig und einigen Postkarte aus der Toskana. Meine Schuld, das war alles meine Schuld.

Ich hatte Durst und mein Magen knurrte unaufhörlich. Ich hatte die Wahl: sollte ich ausreichend essen, um wieder zu Kräften zu kommen oder sollte ich die wenigen Nahrungsmittel, die mir zur Verfügung standen, aufbewahren auch auf die Gefahr hin, dass mir etwas passierte? Man sollte meinen, dass es im Urwald leicht sein müsste etwas zu Essen und Wasser zu finden, oder zumindest ging in diesem Augenblick davon aus und da ich so großen Hunger hatte, entschied ich mich dafür, eines der Erfrischungsgetränke zu trinken, das belegte Brötchen und die angeknabberten Kekse zu essen, nachdem ich die Ameisen von ihnen runtergepustet hatte. Damit linderte ich ein wenig den hartnäckigen Appetit. Das Quittengelee bewahrte ich auf, da ich annahm, dass es nicht so schnell verderben würde. Danach schlief ich ein, vor Erschöpfung, und weil ich die letzte Nacht nicht hatte schlafen können.

Als ich aufwachte hörte ich ganz in der Nähe ein Zischen. Neben mir musste eine Schlange sein. Ich verhielt mich ganz still und versuchte meine Ohren zu spitzten, um herauszufinden, wo sie sich befand. Mein Magen krampft sich vor Angst zusammen und es fiel mir schwer zu atmen. Ich hatte einmal eine Reportage über ein Schlange gesehen, die man die „drei-Schritte-Schlangen“ nannte, denn wenn man von ihr gebissen wurde, hatte man nur noch Zeit drei Schritte zu gehen, bevor man tot umfiel. Im Grunde war das in dieser Situation gar nicht das schlechteste, aber wenn ich von einer gebissen wurde, deren Gift mir einen stundenlangen Todeskampf bescherte, bei dem ich Stück für Stück die Kontrolle verlor und am Ende dem Wahnsinn verfiel… ich hatte so große Angst zu leiden, so panische Angst vor Schmerzen. Wenn ich sterben sollte, wollte ich, dass es schnell ginge, fast wünschte ich mir das, um aus der Lage, in der ich mich befand befreit zu werden. Das hatte ich verdient. Das Zischen schien mir immer näher zu kommen, auch konnte ich bei ihren Bewegungen das Rascheln des Laubes hören, sie bewegte sich in meine Richtung, dessen war ich mir sicher. Fast konnte ich spüren, wie sie über meinen Körper glitt, sich von meinem Bein in Richtung Hals hinaufarbeitete, sie war beinahe angekommen, gleich würde sie mich beißen. Einen Augenblick lang schloss ich die Augen und atmete tief durch, und versuchte mich so zu beruhigen. Dann öffnete ich sie wieder, und ohne mich auch nur einen Zentimeter zu bewegen sah ich in alle Richtungen und versuchte sie auszumachen. Schließlich konnte ich sie sehen. Sie verhielt sich ruhig und hatte sich in ungefähr zwei Meter Höhe um einen Ast eines Baumes gewickelt, der etwa drei Meter rechts von mir stand. Nur den Kopf bewegte sie von einer Seite zur anderen, als würde sie irgendetwas bewachen. Sie war grün mit einem leichten Blaustich und an den Seiten etwas gelblich, sie hatte einen langen Schwanz und einen schlanken Körper von etwas mehr als einem Meter Länge, der seitlich etwas zusammengedrückt war. Sie war fast unsichtbar zwischen den Blättern
. Als sie sich von dem Ast gleiten ließ, konnte ich sehen, dass ihr Bauch weißlich war.

Ich blieb noch eine Weile bewegungslos sitzen und lauschte, bis ich davon überzeugt war, dass ich nur diese eine Schlange gehört hatte, und dass alles andere Produkte meiner Fantasie gewesen waren. Ich stand langsam auf und beobachtete dabei aufmerksam den Boden auf der Suche nach anderen Schlangen, aber das war die einzige, die ich sah. Zumindest, die einzige, die ich entdecken konnte. Zuerst wollte ich einen weiten Bogen um sie herummachen und weitergehen, aber dann erinnerte ich mich, dass man sagte, Schlangenfleisch würde wie Hühnchen schmecken und wäre sehr lecker. Auf jeden Fall sagten das die Großeltern immer, wenn sie Geschichten vom Bürgerkrieg erzählten und davon, wie hungrig sie gewesen waren. Es erschien mir eine gute Gelegenheit, um etwas zu Essen zu bekommen, und wenn es dann noch gut schmeckte, umso besser. Ich hielt nach einen langen Stock Ausschau, dessen Spitze wie ein „V“ geformt war, damit wollte ich versuchen ihren Kopf festzuhalten. Ich holte auch das Taschenmesser aus der Tasche, öffnete es und steckte es mir in den Gürtel meiner Bermuda-Shorts. Ich fand einen abgebrochenen Ast, der geeignet war, ich musste ihm nur noch die richtige Form geben, in dem ich an einem Ende eine Einkerbung in Form eines „V“ schnitt. Dabei verlor ich die Schlange aber nie aus den Augen. Die Vorbereitungen erschienen mir unendlich lang und erschöpften mich aufs Äußerste, auch wenn es in Wirklichkeit keiner großen körperlichen Anstrengung bedurfte.

Als ich bereit war, näherte ich mich vorsichtig der Schlange. Sie schien nichts zu merken oder ignorierte mich, aber auf jeden Fall schenkte sie mir keinerlei Beachtung. Als ich nur noch etwa einen halben Meter von ihr entfernt war, hob ich den Stock und schlug ihr mit aller Kraft auf den Kopf. Beim ersten Schlag blieb sie halb im Baum hängen und ich schlug noch zweimal zu, bis sie auf den Boden fiel. Danach klemmte ich ihr den Kopf mit der Einkerbung an der Spitze des Stockes ein und drückte ihn ganz fest auf den Boden. Die Schlange wandte sich krampfhaft und zischelte ohne Unterlass und ich war völlig verängstigt. Wenn ich sie losließ, um aus der Entfernung mit dem Stock auf sie einzuschlagen, könnte sie mich angreifen. Die andere Möglichkeit bestand darin, noch dichter an sie heranzugehen und sie mit dem Messer zu durchbohren. Ich nahm all meinen Mut zusammen, ging noch näher an sie heran und trat ihr mit aller Kraft auf den Schwanz, drückte sie auf den Boden und versuchte, sie auf diese Weise ruhig zu halten. Ich beugte mich nach vorne und stieß der Schlange das Messer unterhalb ihres Kopfes in den Körper, so dass sie, immer noch durch den Stock fixiert, am Boden festgenagelt war. Aber auch so hörte sie immer noch nicht auf sich zu winden, deshalb zog ich das Taschenmesser heraus und säbelte so lange an ihrem Hals, bis ich den Kopf vom Körper abgetrennt hatte. Dann machte ich einen Satz nach hinten, da ich Dummkopf fürchtete, sie könne mich immer noch angreifen. Der Körper schlug weiterhin ohne Unterlass um sich, und dort, wo der Kopf gewesen war, spukte er Blut. Ich schlug noch ein paar Mal mit dem Stock nach ihr, aber das änderte nichts und so entschied ich, sie für eine Weile in Ruhe zu lassen. In weniger als einer halben Minute hört sie nach und nach auf sich zu bewegen, bis sie sich gar nicht mehr rührte. Ich stupste sie ein paar Mal mit dem Stock an, aber sie bewegte sich nicht. Sie war definitiv tot. Endlich konnte ich ruhig durchatmen.

Mein erster Triumph im Urwald. Der Mensch hatte die Bestie besiegt. Ich war vollkommen euphorisch, für einen Augenblick hatten sich all meine Problem in Luft aufgelöst. Jetzt wusste ich, ich würde überleben und es schaffen hier herauszukommen. Ich war ein wahrer Abenteurer, ein geborener Überlebenskünstler. Nichts würde mich daran hindern den Ausweg aus diesem grünen Labyrinth zu finden und ich würde nach Hause, in mein Heim zurückkehren. Ich war von Mutter Natur herausgefordert worden und ich hatte meinen Wert, meine Anpassungs- und Überlebensfähigkeit bewiesen. Jetzt wusste ich es, ich war der Sieger in diesem ungleichen Kampf gegen mich selbst und gegen die feindlichen Elemente.

Ich nahm die Schlange und schnitt sie mit dem Taschenmesser in der Mitte auf, um ihre Eingeweide so gut ich konnte zu entfernen, wobei ich mich heftig ekelte. Dafür nahm ich sie an einem Ende hoch und drehte mich so schnell es ging um mich selbst, so dass die Eingeweide in allen Richtungen herausflogen. Dann dachte ich, dass das gegen meinen Plan verstieß, diskret zu sein und keine Aufmerksamkeit zu erregen, aber jetzt waren die Reste der Schlange überall verteilt und ich hatte keinerlei Lust sie wieder einzusammeln. Was noch übriggeblieben war, kratzte ich mit dem Taschenmesser heraus, wobei ich einige Male würgen musste, es so war ekelhaft. Danach zog ich ihr die Haut ab. Als sie bereits fertig vorbereitet war, bemerkte ich, dass ich ein Problem hatte. Ich konnte kein Feuer machen, um sie zu braten, sonst würde man von meiner Existenz erfahren und meinen Standort entdecken, also musste ich sie roh essen. Ich sah mir das blutige Fleisch zweifelnd an. Ich schnitt ein gutes Stück ab und steckte es in den Mund. Wenn Tiere rohes Fleisch aßen, dann konnte ich das auch. Ich kaute ein paar Mal und spuckte alles wieder aus. Es war widerlich! Es hatte die Konsistenz von Plastik, als würde ich versuchen eine Puppe meiner Schwestern oder einen halb zerkochten Knorpel zu essen. Ich hatte schon immer gut durchgebratenes Fleisch gemocht, ich habe es noch nie blutig essen können und so, ganz roh noch viel weniger. Was mich schon immer am meisten angewidert hatte, waren Lebensmittel mit der Konsistenz dieses Fleisches: weiche Hühnchenhaut, Speck, Kutteln, …

Völlig desillusioniert sammelte ich alle Reste der Schlange und die meines Essens ein und vergrub sie. Danach warf ich einige Blätter darüber, um es besser zu verbergen. Wozu nützte es mir, Nahrung zu finden, wenn ich sie nicht essen konnte? Wozu das Risiko eingehen, dass ich von einer Schlange gebissen und getötet werde? Außerdem war da noch das Problem mit dem Wasser. Ich musste welches finden, denn ich hatte immer noch fürchterlichen Durst und mir blieben nur noch zwei Getränkedosen. Ich schwitzte heftig wegen der anstrengenden Jagd auf die Schlange und ließ mich auf den Boden fallen. Geschlagen trank ich eine der beiden Dosen aus und warf sie weg. Sollten sie mich doch finden, letztendlich war es besser, durchlöchert zu werden, als zu verhungern, das ging schneller. Abgesehen davon waren die Schlangeneingeweide in einem Umkreis von zwei Metern verteilt. Auf Wiedersehen Sieger, auf Wiedersehen geborener Überlebenskünstler, hallo Versager, der in einem wilden Garten sterben würde. Das hatte ich verdient, also konnte ich mich nicht beschweren. Ich hatte meine beiden besten Freunde umgebracht. Wie auch immer, ich wusste jedenfalls, dass ich im Fernsehen etwas über Wasser im Urwald gesehen hatte, ich erinnerte mich, dass gesagt wurde, es wäre an einem bestimmten Ort, auf eine bestimmte Weise einfach zu finden, aber ich erinnerte mich nicht mehr wo.

Eine Zeitlang, ich weiß nicht, wie lange, blieb ich auf dem Boden sitzen, die Arme auf die Knie gestützt und den Kopf gesenkt, mit leerem Kopf und ließ mich gehen. Resignation, Annahme meines Schicksals, Mutlosigkeit, verlorener Lebensmut. Der Flugzeugabsturz und Alex Tod, zu sehen, wie Juan durchlöchert wird, die Euphorie über die Schlange und die darauffolgende Enttäuschung, die Erschöpfung, der Traum… zu viele Dinge in nicht einmal vierundzwanzig Stunden, zu viele intensive Gefühle. Warum war Juan so dumm gewesen und auf diese Weise weggelaufen? Warum hatten sie mich allein gelassen? Wenigsten wären wir zu zweit und alles wäre anders, aber nein, er musste versuchen auf diese so…, so… Weise zu fliehen. Ich wollte zurück nach Hause, die Augen schließen, und wenn ich sie wieder öffnete in meinem Bett liegen und alles wäre nur ein Albtraum gewesen, wenn auch realistischer als normalerweise. Ein schlechter Traum, wie jeder andere, eine Anekdote, die man am abends, wenn man sich mit seiner Freundin und seinen Freunden trifft erzählen würde. Ich fing an zu weinen, aber es kamen fast keine Tränen.

Verloren, entmutigt, ernüchtert und geschwächt vor Erschöpfung und Müdigkeit. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Schließlich vergrub ich aus reiner Gewohnheit die Dose, die ich weggeworfen hatte und stand auf, um weiter zu gehen, aber jetzt ließ ich mich in einem viel gemächlicheren Rhythmus fast schlurfend treiben. Ich lief und blieb stehen, immer abwechselnd, bis es fast acht Uhr abends war. Die Pausen dauerten immer länger, die Phasen, in denen ich lief wurden immer kürzer. Ich benutze den Stock, den ich für die Schlange gebraucht hatte als Wanderstab, so konnte ich mein verletztes Knie entlasten, auch wenn ich meine Beine zu dem Zeitpunkt nicht mal mehr spürte. Gehen um des Gehens Willen, ohne den Versuch meine Richtung festzulegen, letztendlich wusste ich nicht sicher, wie ich das machen sollte und ich konnte schon fast sagen, dass es mir auch egal war. Warum hatte ich sie überreden müssen, mit mir hierher zu kommen, warum? Nie hörte ich auf jemanden, immer musste ich meinen Kopf durchsetzen. Guck mal, wohin mich mein Wunsch alles zu kontrollieren, über alles zu bestimmen gebracht hatte. Juan, du Idiot, warum musstest du auf diese Art wegrennen und damit Selbstmord begehen? Das war deine Schuld, damit hatte ich nichts zu tun. Deine Schuld. Deine.

Als ich nicht mehr konnte, aß ich eine ganze Packung Quittengelee und trank die letzte Dose aus, danach versteckte ich alle Reste ebenso wie eine der Decken, die ich noch besaß. Wofür brauchte ich zwei? Je weniger Gewicht ich zu tragen hatte, desto besser. Außerdem war es sehr heiß und während ich den Rucksack trug, hatte ich den Eindruck, mein Rücken würde gekocht und das T-Shirt klebte mir vor lauter Schwitzen die ganze Zeit am Körper, was sehr lästig war. Auch war mir so langsam dauerhaft übel, wahrscheinlich weil ich durch das fehlende Wasser dehydriert war. Das erstaunte mich nicht. Man sagte, dass Erfrischungsgetränke für den Moment den Durst löschten, aber wenig zum Flüssigkeitshaushalt beitrugen. Den Jojo-Effekt nannte das einer meiner Schulfreunde, aufgrund des Zuckers, wie er sagte.

Da die Nacht hereinbrach und ich keine Lust hatte, wieder so unbequem auf einem Baum zu schlafen, suchte ich mir einen etwas geschützten Platz mit trockenem Boden und baute mir ein provisorisches Lager aus Blättern und grünen Zweigen, rollte mich zusammen, deckte mich mit der kleinen Decke so gut es ging zu, nahm den Rucksack als Kopfkissen und schlief ein. Ich hatte meinen ersten vollen Tag im Urwald verbracht und ich war es jetzt schon mehr als Leid, war völlig erschöpft und wünschte mir, dass es auf welche Art auch immer endete.



TAG 3
WIE MEINE LEIDEN BEGINNT

Irgendetwas griff mich an, ich merkte, wie es mich am ganzen Körper pikste. Mit einem Satz sprang ich schreiend auf und war sofort hellwach. Ich sah auf meine Hände, sie waren mit roten Ameisen, deren Köpfe sehr groß waren, übersät, mein ganzer Körper war voll von ihnen. Sie bissen mich überall hin, wieder und wieder. Ich zog mich aus, riss mir beinahe die Kleider vom Leib und begann die Ameisen wie wild mit den Händen vom Körper zu wischen, begann zu hüpfen, mich zu schütteln und zu winden wie eine Schlange, ich schrie und wimmerte vor Schmerzen. Einige drangen in meinen Mund ein, so dass ich immer wieder ausspucken musste, ich spürte welche in der Nase, in den Ohren, überall. Es war, als hätte ein ganzes Bienenvolk beschlossen, mich gemeinsam anzugreifen. Stück für Stück gelang es mir, die Ameisen loszuwerden, aber ich brauchte etwa zehn Minuten, bis ich merkte, dass keine mehr ungestraft über meinen Körper lief. Wo ich gelegen hatte verlief eine endlose Ameisenstraße
. Mein ganzer Körper war rot von den Schlägen, mit denen ich die Ameisen von mir heruntergefegt hatte und übersät von noch stärker geröteten Punkten von den Bissen, die mir diese verfluchten Insekten zugefügt hatten. Es juckte mich überall so heftig, dass ich nicht einmal wusste, wo ich mit dem Kratzen anfangen sollte. Auch wenn nicht eine einzige mehr auf mir war, hatte ich immer wieder das Gefühl, als würde irgendwo etwas auf mir herumkrabbeln und ich begann sofort wieder mich wie wild zu schütteln.

Als ich meine Wut und meinen Frustration etwas unter Kontrolle hatte, griff ich nach meinem Rucksack und schüttelte alle Ameisen heraus, das gleiche machte ich mit der Decke und der Kleidung, die ich über den ganzen Boden verstreut hatte. Ich zog nur meine Turnschuhe an und verstaute den Rest im Rucksack. Ich packte einige Steine und Äste und warf sie voller Wut auf die geordnete Ameisenstraße, während ich sie gleichzeitig beschimpfte. Einen Augenblick lang verlor ich die Kontrolle, die Wut übermannt mich. Ja, die Ameisen waren an allem schuld, ich musste die Ameisen fertigmachen, sie hatten mich in diese blöde Situation gebracht, sie würden dafür bezahlen. Ich trat immer wieder auf sie ein, wütend, rasend, wie ein von einer unaufhaltsamen Zerstörungswut Besessener. Einige krabbelten an meinen Beinen hoch und bissen mich erneut, aber ich fühlte nichts mehr, der Schmerz hatte für einen Augenblick aufgehört zu existieren. Es gab nur einen einzigen Gedanke in meinem Kopf: vernichte die Ameisen. Ich trampelte, ich stampfte auf denen, die am Boden waren herum und zerdrückte die, die auf meinem Körper herumliefen mit heftigen Schlägen, zerquetschte sie an meinen Beinen, meinen Armen oder meiner Brust. Einige Minuten lang war das mein einziger Krieg, meine einzige Welt: Tritte, Schläge mit der Hand, Schreie vor Wut und zu lange zurückgehaltener Frustration. Ein vor Wut rasender Gulliver, der Liliput zerstört. Danach entfernte ich mich einige Schritte, sackte auf dem Boden zusammen und war eine Zeitlang wie weggetreten, völlig meinem Schicksal überlassen, blind für alles, was um mich herum geschah, für nichts anderes zu erreichen als dem Nichts, der innere Leere. Schließlich kam ich zu mir. In der Nacht hatte ich gemeint, das Plätschern eines nahen Wasserlaufs zu hören, also machte ich mich auf, ihn zu suchen, nackt, lustlos, zitternd, mit Juckreiz am ganzen Körper, den Wanderstock in der Hand und den Rucksack auf der Schulter. Hinter mir eine Myriade von zerquetschten Ameisen und noch viele mehr, die in ihrem besonderen Tanz wie verrückt wild durcheinanderliefen.

Tatsächlich hatte mich mein Gehör nicht getäuscht. Ein Fluss von ungefähr fünf Meter Breite bahnte sich vor meiner Nase einen Weg durch die Bäume. Mein erster Gedanke war, mir die Turnschuhe auszuziehen und mich ins Wasser zu werfen, aber ich erinnerte mich an etwas über Blutegel und kontrollierte zuerst aufmerksam das Wasser am Ufer, entschlossen die Vorsicht einen Moment lang über die Verzweiflung siegen zu lassen. Allein der Gedanke, einer könnte an meinem Körper kleben, sich festsaugen und mein Blut trinken erschreckte mich. Als ich die Hand ins Wasser hielt, stellte ich fest, dass das Wasser nicht so kalt war, als dass ich es nicht eine Weile aushalten könnte. Ich konnte nichts sehen, außer einigen wunderschönen kleinen bunten Fischen, von denen einige farbenprächtiger waren als andere und die zu klein zum Essen und zu schön zum Töten waren. Sie hatten einen länglichen und abgeflachten Körper, die Schwanzflosse war dreigliedrig, der mittlere Teil ähnelte Vogelfedern, die Augen waren im Verhältnis zum Kopf groß, sie waren schillernd blau, aber wenn die Sonnenstrahlen auf ihre Körper trafen, glitzerten ihre Schuppen in einem unglaublichen Farbspektrum von blau bis violett
. Ich suchte nach weiteren Tieren, wie Piranhas, Krokodilen oder ähnliches, aber ich fand nichts. Also beschloss ich, nachdem ich etwas Wasser getrunken hatte, baden zu gehen.

Ich ging ein Stück ins Wasser, vergewisserte mich aber zuerst mit dem Wanderstab, dass der Untergrund fest war und behielt die Turnschuhe an, weil ich Angst hatte, dass mich irgendein Viech stechen oder ich mir etwas in den Fuß treten könnten. Bei der ersten Berührung überlief mich aufgrund des Temperaturunterschieds zwischen Wasser und Luft ein Kälteschauer, aber ich gewöhnte mich schnell daran. Um mich herum flogen ein paar Libellen in leuchtenden Farben, mit ihren länglichen Körpern und ihrem schnellen und sicheren Flug. Es gab auch viele andere Insekten, sowohl welche die flogen als auch welche die auf dem Wasser liefen, als wäre es eine Schlittschuhbahn.

Als mir das Wasser bis zu den Knien ging, blieb ich stehen und spritzte mir den ganzen Körper mit den Händen nass. Die erfrischende Wirkung des Wassers auf die unendlichen Ameisenbisse, die unzähligen Kratzer und auf das geschwollene Knie war eine unglaubliche Erleichterung. Die Möglichkeit eine Weile im Wasser zu sein, alles zu vergessen, jede Sekunde zu genießen, entspannte mich zutiefst. Ich schloss die Augen und tauchte mit dem Kopf unter Wasser, wobei ich die Luft so lange wie möglich anhielt und ich spürte wie das kühle Wasser über meine Haut strich, sie umschloss und sanft liebkoste. Einige kurze Augenblicke lang waren alle Probleme, alle Sorgen verschwunden. Ich trank auch große Schlucke Wasser, bis mein Durst vollständig gestillt war. Als ich aus dem Wasser stieg, war ich entschlossen um jeden Preis zu überleben, meine Lebensgeister waren wieder erwacht, mein Kopf bereit für den Kampf

In einem Baum in der Nähe hörte ich ein Geräusch und versteckt mich schnell im Dickicht. Jetzt hatten sie mich gefunden, nackt und ahnungslos, sie würden mich sicherlich töten, mich ohne jedes Mitleid ermorden, mich opfern wie ein niederträchtiges Tier. Ich wollte nicht sterben. Könnte ich sie nicht getäuscht haben? Hatte ich nicht schon genug mit den Ameisen gehabt? Vor meinem inneren Auge erschienen Bilder von Juan wie in einer Abfolge von kurzen Blitzen, der von den Rebellen mit Maschinengewehren erschossen worden war, und das Bild von Alex leblosem Körper nach dem Aufprall auf seinem Platz im Flugzeug und dem Blut, das von seiner Stirn tropfte, quält mich ein weiteres Mal. Ich stelle mir vor, wie ich selbst aus mehreren Löchern blutete, die von den Schüssen der Rebellen herrührten, auf dem Boden liegend zu Füssen eines großen Baumes, sie lachend, ich sterbend. Der Schmerz… Ich beobachtete suchend die Blätter der Bäume und entdeckte schließlich den Ursprung des Geräusches: ein Affe von ca. fünfzig Zentimeter Größe mit einem ebenso langem Schwanz, das Gesicht war bläulich, auf jeder Seite verlief vom Auge zum Ohr ein dunkler Fellstreifen, über den Augen befand sich ein querverlaufender heller Streifen, der größte Teil des Körpers war gelbbraun und der Hals, die Brust und der Bauch waren weiß
. Vielleicht war es mir doch nicht vorherbestimmt, heute zu sterben. Langsam erschien immer mehr von ihnen und fünf gesellten sich zusammen, sprangen von Ast zu Ast, wobei sie schrille Schreie ausstießen. Vermutlich spielten sie oder etwas in der Art, sie kletterten einen Ast hinauf und schüttelten ihn mit aller Kraft und schrien dabei. Vielleicht war gerade Paarungszeit, ich hatte keine Ahnung, aber es war ein grandioses Schauspiel. Mein Herz kehrte allmählich zu seinem normalen Pulsschlag zurück. Das letzte, was ich von ihnen sah, war, wie einer etwas vom Boden aufhob, das aus der Entfernung wie ein Hundertfüßer aussah und es aß.

Auf dem anderen Uferseite erschien ein weiterer Affe von ähnlicher Statur, aber anderer Farbgebung. Dieser hatte ein schwarzes Gesicht, die Koteletten, der Bart, die Brust und ein Teil der Arme waren weiß. Er war dunkler gefärbt und hatte einen dreieckigen rot-orangefarbenen Fleck im Lendenbereich. Er war größer und stämmiger als die anderen
. Er trank etwas Wasser, in dem er es mit der Hand zum Mund führte und verschwand. Ich verweilte einen Augenblick und schaute den anderen beim Spielen und Springen zu. Es war eine einzigartige Erfahrung, von der ich niemals geglaubt hätte, dass ich sie machen würde. Wieder einmal erinnerte ich mich an meine beiden toten Freunde und daran, wie sehr sie es genossen hätte, das hier zu erleben, vor allen Dinge der fröhliche Alex, der sich immer so für alles interessiert hatte. Mit wem sollte ich jetzt über diese Momente sprechen? Mit wem könnte ich sie teilen? Da war niemand, der sie mit mir erlebt hätte, niemand, der es verstehen könnte. Nein! Das durfte ich nicht denken, das half mir nicht dabei, weiterzumachen und was ich jetzt machen musste, war so viel Energie wie möglich zu sammeln, um überleben zu können. Mein einziges Ziel musste es sein, aus diesem verfluchten Urwald herauszukommen. Dieser grünen Hölle zu entfliehen.

Ich zog die Turnschuhe aus, wrang sie etwas aus, damit das Wasser herauslief und hängte sie an einen Ast, damit sie trockneten. Dann nahm ich die Wasserflasche und suchte mir eine Stelle mit fließendem Wasser, um sie aufzufüllen. Ich meinte gelesen zu haben, dass man kein Wasser aus stehenden Gewässern trinken sollte, da es wahrscheinlicher war, dass es dort ungesund und mit irgendwelchen Keimen belastet war. Natürlich hätte ich mich schon daran erinnern sollen, bevor ich etwas getrunken hatte. Es juckte mich immer noch am ganzen Körper, auch wenn es nicht mehr so schlimm war wie zuvor. Ich spürte ein Stechen am Oberschenkel und als ich hinuntersah, um festzustellen, ob ich dort etwas abbekommen hatte, sah ich einen Blutegel an meinem Bein kleben und mein Blut saugen. Er sah aus wie eine Nacktschnecke, vielleicht etwas dünner. Zuerst war ich erschrocken, dann überlegte ich, was ich machen sollte. Wenn ich mich recht erinnerte, entfernte man Blutegel mit Salz oder indem man sie verbrannte. Ich holte das Feuerzeug heraus und hielt die Flamme so lange an den Blutegel, bis er sich zusammenzog, diesen Moment nutzte ich, um ihn mit dem Taschenmesser von meinem Bein zu lösen. Dort, wo er gewesen war, war jetzt nur noch ein roter Fleck, ein Blutstropfen sickerte am Rand heraus. Ich erhitzte die Spitze des Taschenmessers mit dem Feuerzeug und verödete die Wunde vorsichtig. Ich hatte keine Ahnung, ob sich Verletzungen, die von Blutegeln herrührten, entzündeten oder nicht, aber ich zog es vor, kein Risiko einzugehen. Es tat so weh, dass ich mich sehr anstrengen musste, um nicht aus Leibeskräften zu schreien. Ich suchte den Rest meines Körpers für den Fall ab, dass da noch mehr waren, aber es war der einzige. Jetzt hatte ich am Bein ein Brandmal in Form meiner Taschenmesserspitze. Vielleicht hätte ich diese Gräueltat nicht begehen sollen.

Die Trägheit übernahm die Kontrolle über meinen Körper und ich beschloss, mir einen freien Vormittag zu erlauben. So viele unterschiedliche Gefühle ermüdeten, ich war fix und fertig und mein Körper wog Tonnen. Ich suchte mir einen schattigen Platz, und nachdem ich mich abgetrocknet hatte, zog ich mich an und deckte mir den Kopf und das Gesicht mit dem Namibia Souvenir T-Shirt aus dem Rucksack ab, um die vielfältigen und lästigen Insekten, die das Ufer säumten fernzuhalten. Bevor ich mich hinlegte, untersuchte ich einen Strauch mit auffälligen karminroten Früchten und kleinen bläulichen Samen
, der in meiner Nähe stand und von dem ich schon viele gesehen hatte. Ob man sie essen konnte? Ich zerquetschte einige verirrte Ameisen, die ich noch nicht aus meiner Kleidung hatte schütteln können. Ich schloss die Augen und ließ mich von der Schläfrigkeit und Benommenheit davontragen, die Hitze und die Feuchtigkeit machten meine Muskel schwer und lähmten meinen Willen.

Ein Schuss, dann eine Salve aus einer automatischen Waffe, noch mehr Schüsse. Mit einem Satz war ich auf den Beinen. Sie kamen vom anderen Flussufer, wenn auch aus weiter Ferne. Diesmal bildetet ich es mir wirklich nicht nur ein, sie würden mich jeden Augenblick finden. Mit einem Schlag wurde mir wieder bewusst, dass meine Situation es mir nicht erlaubte, mich auszuruhen, dass es meinen sicheren Untergang bedeutete, wenn ich nicht alle meine Sinne in ständiger Alarmbereitschaft hatte.

Schnell sammelte ich alle meine Sachen zusammen, verstaute das T-Shirt im Rucksack, zog die Socken und die Turnschuhe an und ergriff den Wanderstock. Die Sachen waren noch nass, aber im Augenblick hatte ich keine Zeit, mich um solche Nichtigkeiten zu kümmern. Weil es meiner Meinung nach die beste Möglichkeit war, dem Flussbett zu folgen, um irgendwohin zu gelangen, es mir aber sehr gefährlich erschien, direkt am Ufer entlangzulaufen, ging ich wieder in den Urwald, um mich zwischen dem Blattwerk „unsichtbar“ zu machen und in vier bis fünf Meter Entfernung parallel zum Fluss zu gehen. Es war eine geschlossene Welt, in der es nichts gab, außer einer undurchdringlichen grünen Wand ohne irgendeinen Ausgang, egal in welche Richtung ich auch blickte. Ich konnte höchstens drei oder vier Meter weit sehen. Schnell verlor ich den Fluss aus den Augen, und wieder einmal befand ich mich auf dem Weg ins Nirgendwo.

Den ganzen Nachmittag lief ich in einem wechselnden Rhythmus, mal sehr schnell und dann wieder langsam mit nur wenige Pausen. Gerade genug, um wieder etwas zu Atem zu kommen und um zu lauschen für den Fall, dass weitere Schüsse zu hören wären. Die ganze Zeit musste ich gelegentliche Vorboten eines Wadenkrampfes ertragen und das Geräusch, das meine Turnschuhe bei jedem Schritt machten, das klang, wie wenn man in eine Pfütze trat. Das Blattwerk wurde zeitweise so dicht, dass es einige Bereiche in den Schatten tauchte. Überall waren Mücken, die nicht aufhörten, mich zu drangsalieren, als würde es sich um eine endlose Schlacht handeln. Manchmal erinnerten sie mich an die japanischen Kamikazeflieger aus dem zweiten Weltkrieg, die sich im Sturzflug auf ihr Ziel warfen ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben. Die Mücken waren genauso, sie stürzten sich kontinuierlich auf meinen Körper, ohne dass sie sich für ihre Verluste interessierten, die ich ihnen durch die Schläge meiner Händen, die ich als Luftabwehr benutzte, verursachte. Einige von ihnen war so groß, dass sie mehr gigantische Bomber als Kampfflieger ähnelten und deren bloße Anwesenheit beim Feind Besorgnis auslöste. Sobald sie sich mir näherten, spannte ich mich sofort an, bereit ihnen auszuweichen. Da war immer eine mit Appetit und ich hatte unendlich viele Stiche auf den Armen und Beinen, überall dort, wo meine Kleidung meinen Körper nicht bedeckte. Einige saßen sogar auf den Bissen, die mir die Ameisen beim Aufwachen zugefügt hatten. Das war eine Schlacht, die ich schon im Voraus verloren hatte, ein banaler Kampf, belanglos, unnütz, denn von ihnen gab es unendlich viele und ich war immer erschöpfter. Sie nervten mich derart, dass ich beschloss, die nackte Haut mit nasser Erde zu bestreichen und auf diese Weise eine für sie undurchdringliche Mauer zu erschaffen. Diese plötzliche Eingebung rettete mich. Es war unbequem sich damit zu bewegen, vor allen Dingen, wenn sie trocknete, aber die unablässigen Angriffe der Mücken waren schlimmer. Dank dieses Tricks konnte ich die unerbittlichen Insekten eine ganze Zeitlang vergessen, und wenn ich auch nicht den Sieg davongetragen hatte, so hatte ich zumindest einen zeitweiligen Waffenstillstand erreicht. Außerdem hatte es die überraschende Wirkung, dass es dort, wo die Ameisen mich gebissen hatten, aufhörte zu jucken. Endlich ein bisschen Glück.

Ich beobachtete unaufhörlich meine Umgebung, ich hatte den fortwährenden Eindruck, dass ich verfolgt wurde, dass ich in einem grenzenlosen Urwald immer weiter eingekreist und in die Enge getrieben wurde. Ich meinte sogar Schritte und Stimmen hinter mir zu hören oder flüchtig die Gesichter der Milizen zwischen den Bäumen zu erblicken, die mich mit wildem Blick anstarrten und mich unaufhörlich überwachten. In Wahrheit bekam ich keinen deutlich zu sehen, ich konnte nicht einmal die geringste Spur ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet entdecken. Es kam mir so vor, als würden sich die Bäume über meinem Kopf zusammenbeugen und mich immer weiter in einer Zelle aus lebendem Holz einsperren. Ich wusste nicht, ob ich paranoid wurde oder so, aber ich musste es schaffen mich zu beruhigen, um in diesem unbekannten und tödlichen Dschungel zu überleben.

Während ich derart verwirrten herumstreifte, machte ich auf eine grausige Entdeckung. Auf einer Lichtung lagen inmitten einer großen getrockneten Blutlachen die Reste von dem, was anscheinend einmal eine Primatenfamilie von der Größe von Schimpansen oder Ähnlichem gewesen war, sie hatten keine Hände und Füße, nicht einmal mehr Köpfe und sie waren bedeckt von Myriaden von Fliegen und allen möglichen anderen Insekten und von Aasfressern umzingelt. Der Gestank, den sie verströmten, war unerträglich und ich konnte nicht verhindern, dass ich mich augenblicklich übergeben musste. Ich sammelte meinen Mut zusammen und schaute noch einmal hin. Es waren vermutlich zwei Erwachsene und ein kleineres Tier. Es sah nicht so aus, als wären Jungtiere darunter gewesen, was ich aber nicht wusste, war, ob man sie nicht gefangen hatte, oder ob keine dabei gewesen waren, oder ob man sie mitgenommen hatte, um sie auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Ich wusste, dass sich bestimmte Körperteil von Tieren in Asien sehr gut als Aphrodisiakum verkaufen ließen: das Horn der Nashörner, Tigerknochen und ähnliches. Vielleicht handelte es sich hier um so etwas. Diese Entdeckung zeigte mir nicht nur wieder einmal, wie grausam Menschen waren, sondern auch, dass ich mich in einem Gebiet befand, in dem sich Wilderer aufhielten, die sicherlich nicht sehr freundlich zu Fremden waren.

Ich war zutiefst in Mitleidenschaft gezogen von allem, was hier passierte. Es kam der Augenblick, als ich schließlich einen heftigen Krampf in der rechten Wade bekam, der mich zwang, anzuhalten, um den Muskel zu dehnen, während ich die Lippen wegen der Schmerzen fest aufeinanderpresste und mich auf dem Boden wandte. Ich musste eine ganze Weile sitzenbleiben, bevor ich mich wieder bewegen konnte und der Muskel beeinträchtigte mich für den Rest des Tages ununterbrochen. Mehrere Male dachte ich, der Krampf käme wieder und ich musste stehenbleiben, um das Bein zu dehnen. Als die Nacht hereinbrach war ich völlig ausgelaugt, und ich war wegen des langsamen Rhythmus, den ich hatte einschlagen müssen, nicht sehr weit vorangekommen. Vor allem meine Beine waren durch das lange Gehen erschöpft, mein Knie und meine Wade schmerzten und meine Füße waren wie eingeschlafen. Wenn man es positiv sehen wollte, dann hätte ich meinen beginnenden Bierbauch abtrainiert, sollte ich hier je wieder herauskommen. Das wäre schon etwas. Ich durfte meinen Sinn für Humor nicht verlieren, der könnte mir das Leben retten. Das war das einzige, was mir blieb, das und mein Überlebenswille. Elena, was würde ich jetzt nicht alles für eine Umarmung von dir geben, für dein Lächeln! Oder für eines dieser leckeren Essen, das du immer kochst!

Ich setzte mich auf einen umgestürzten Baumstamm und aß das ganze restliche Quittengelee auf und trank einen großen Schluck Wasser. Es war nur noch ungefähr ein Fünftel des Wassers übrig und nichts mehr zu essen. Diese dritte Nacht würde ich wieder auf einem Baum verbringen, nach der Erfahrung mit den Ameisen, glaubte ich nicht, dass ich einschlafen könnte, denn die Ameisen waren genauso auf den Bäumen wie auf dem Boden zu finden, aber noch weniger gefiel es mir im Schlaf von den schießwütigen Dreckskerlen gefangen genommen zu werden. Wie in der ersten Nacht suchte ich mir einen geeigneten Baum und als ich ihn gefunden hatte, kletterte ich mithilfe einer Schlingpflanze auf den ausgewählten Ast. Als ich sie mit der Hand umschloss, verspürte ich einen stechenden Schmerz und musste sie wieder loslassen. Die Schlingpflanze hatte Dornen. Ich rieb mir die schmerzende Handfläche und suchte einen anderen Baum, auf den ich steigen konnte. Nachdem ich ihn gefunden hatte, kletterte ich sehr vorsichtig hinauf und machte mich darauf gefasst, eine weitere Nacht in dieser Hölle zu verbringen. Ich zog mir die Turnschuhe und Socken aus und betete darum, dass sie am nächsten Morgen trocken wären, auch wenn ich das sehr bezweifelte, da die Luftfeuchtigkeit fast immer hoch war. Meine Füße waren schrumpelig und hatten einen hellen braungrünen Farbton angenommen. Ich trocknete sie so gut es ging ab, aber das ungute Gefühl dauerte trotzdem an. Ich versuchte mich aufzuwärmen, aber das war nicht zu schaffen, weder mit der Decke noch indem ich mir den Körper rieb. Die Mückenstiche und Ameisenbisse quälten mich unaufhörliche, aber dagegen konnte ich nichts machen. Das einzige, was diese Beschwerden linderte, war der feuchten Lehm, den ich mir auf den Körper strich, um weitere Stiche zu verhindern, in diesen Momenten wurde der anhaltende Juckreiz zu einem tröstenden Gefühl, das ich nicht beschreiben könnte. In den Beinen spürte ich einen dauerhaften Schmerz, den ich nicht lokalisieren konnte, genauso wie im Rücken. Der rechte Arm war mir vor Erschöpfung eingeschlafen, weil ich den ganzen Tag lang den Stock als Machete benutzt hatte.

Ich war so erschöpft, dass ich sofort einschlief. Mein letzter Gedanke galt der Hoffnung, dass mich beim Aufwachen am nächsten Tag ein Frühstück mit einer großen Tasse warmer Milch mit Honig und mit ein paar Toastbroten mit ordentlich Butter und Erdbeer- oder Brombeermarmelade erwartete.


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Ndura. Sohn Des Urwalds Javier Salazar Calle
Ndura. Sohn Des Urwalds

Javier Salazar Calle

Тип: электронная книга

Жанр: Книги о приключениях

Язык: на немецком языке

Издательство: TEKTIME S.R.L.S. UNIPERSONALE

Дата публикации: 16.04.2024

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О книге: Der beste Jugendroman des Jahres 2014 in Spanien! Ein Mann ohne besondere Kenntnisse findet sich allein mitten im Urwald wieder, nachdem sein Flugzeug abgestürzt ist. Er muss schnell lernen, um die Herausforderungen, die auf ihn warten zu überleben. Eine Geschichte, die zeigt, wozu man in der Lage ist, wenn man an seine Grenzen gezwungen wird. Bester Jugendroman des Jahres 2014 in Spanien. Wenn sich ein ganz normaler Mensch, wie du und ich, auf einmal in einer Situation auf Leben und Tod inmitten des Urwalds befindet. KANN ER DAS ÜBERLEBEN? Das ist das Dilemma, in dem sich die Hauptfigur dieser Geschichte befindet, als sie von einem beschaulichen Namibia-Urlaub, einer typischen Fotosafari, zurückkehrt. Unerwartet sieht sie sich einem extremen Überlebenskampf im Urwald von Ituri, in der afrikanischen Republik Kongo ausgesetzt, als ihr Flugzeug von Rebellen abgeschossen wird. An einem Ort, an dem die Natur nicht der einzige Feind und überleben nicht das einzige Problem ist. Ein Abenteuer, wie in den alten Klassikern, das einem eine ausgezeichnete Möglichkeit bietet, um der Wirklichkeit zu entfliehen. Man kann die Todesangst und die Verzweiflung der Hauptfigur am eigenen Leib spüren angesichts der Gefahren, denen sie sich stellen muss. In diesem Buch vermischen sich auf natürliche Weise Emotionen und Spannung, in Anbetracht des Überlebenskampfes und der Verschlechterung des psychischen Zustands der Hauptfigur im Laufe der Geschichte. Auch die gründlichen Recherchen des Autors zum Thema Urwald, seinen Tieren, seinen Pflanzen und seinen Menschen trägt dazu bei. Es wird gezeigt, dass die Wahrnehmung unserer Grenzen oft falsch ist. Manchmal zum Guten, manchmal zum Schlechten. Das macht das Buch ganz sicher zu einer empfehlenswerten Lektüre.

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