Лучшие немецкие сказки / Die Besten Deutchen Märchen
Якоб и Вильгельм Гримм
Эксклюзивное чтение на немецком языке
В этой книге подобраны волшебные немецкие сказки братьев Гримм, которые превратят изучение немецкого в увлекательное занятие. Чтение коротких сказочных историй поможет легко прогрузиться в мир классического немецкого языка и пополнить словарный запас.
После каждой сказки даны упражнения для проверки понимания текста и закрепления новой лексики. Издание сопровождается словарем. Книга предназначается для начинающих изучать немецкий язык (уровень 1).
Die Brüder Grimm
Die besten deutschen Märchen
Die besten deutschen Märchen
Das Märchen der Bremer Stadtmusikanten
Es war einmal ein Mann, der hatte einen Esel, welcher schon lange Jahre unverdrossen die Säcke in die Mühle getragen hatte[1 - Глагольная форма сhatte – это предпрошедшее время: глагол в такой форме выражает действие, совершенное прежде другого действия, названного глаголом в простом прошедшем времени.]. Nun aber gingen die Kräfte des Esels zu Ende[2 - zu Ende gehen – заканчиваться], so dass er zur Arbeit nicht mehr taugte. Da dachte der Herr daran, ihn wegzugeben. Aber der Esel merkte, dass sein Herr etwas Böses im Sinn hatte[3 - (etwas) im Sinn haben – замышлять; задумать; планировать], lief fort und machte sich auf den Weg[4 - sich auf den Weg machen – отправиться в путь] nach Bremen. Dort, so meinte er, könnte er ja[5 - ja – ведь, же; даже] Stadtmusikant werden…
Als er schon eine Weile gegangen war, fand er einen Jagdhund am Wege liegen, der jämmerlich heulte. “Warum heulst du denn so, Pack an?” fragte der Esel. “Ach”, sagte der Hund, “weil ich alt bin, jeden Tag schwächer werde und auch nicht mehr auf die Jagd kann, wollte mich mein Herr totschießen. Da hab ich Reißaus genommen. Aber womit soll ich nun mein Brot verdienen?”
“Ich gehe nach Bremen und werde dort Stadtmusikant. Komm mit mir und lass dich auch bei der Musik annehmen. Ich spiele die Laute, und du schlägst die Pauken”, sprach der Esel. Der Hund war einverstanden, und sie gingen mitsammen weiter. Es dauerte nicht lange, da sahen sie eine Katze am Wege sitzen, die machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter[6 - ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter – с кислой миной; унылый, мрачный, с вытянутой физиономией]. “Was ist denn dir in die Quere gekommen[7 - in die Quere kommen – (c)путать планы; разг. перебежать кому-то дорожку], alter Bartputzer?” fragte der Esel. “Wer kann da lustig sein, wenn’s einem an den Kragen geht[8 - es geht j-m an den Kragen – (тебя) схватили за горло; чьи-л. дела плохи, кому-л. крышка]”, antwortete die Katze. “Weil ich nun alt bin, meine Zähne stumpf werden und ich lieber hinter dem Ofen sitze und spinne, als nach Mäusen herumjage, wollte mich meine Frau ersäufen. Ich konnte mich zwar noch davonschleichen, aber nun ist guter Rat teuer[9 - Da ist guter Rat teuer – Положение затруднительное. Хороший совет дорогого стоит.]. Wo soll ich jetzt hin?[10 - Wo soll ich jetzt hin? – Куда мне теперь податься?]”
– “Geh mit uns nach Bremen! Du verstehst dich doch auf die Nachtmusik, da kannst du Stadtmusikant werden.” Die Katze hielt das für gut[11 - für gut halten – счесть за благо; посчитать что-либо хорошеей идеей] und ging mit.
Als die drei so miteinander gingen, kamen sie an einem Hof vorbei. Da saß der Haushahn auf dem Tor und schrie aus Leibeskräften. “Du schreist einem durch Mark und Bein[12 - durch Mark und Bein – до мозга костей]”, sprach der Esel, “was hast du vor?” “Die Hausfrau hat der Köchin befohlen, mir heute Abend den Kopf abzuschlagen. Morgen, am Sonntag, haben sie Gäste, da wollen sie mich in der Suppe essen. Nun schrei ich aus vollem Halse[13 - aus vollem Hals – разг. во всю глотку, громко, во все горло], solang ich noch kann.”
– “Ei was[14 - Ei was – ну нет! ну что ты!]” sagte der Esel, “zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas Besseres als den Tod findest du überall. Du hast eine gute Stimme, und wenn wir mitsammen musizieren, wird es gar herrlich klingen.” Dem Hahn gefiel der Vorschlag, und sie gingen alle vier mitsammen fort.
Sie konnten aber die Stadt Bremen an einem Tag nicht erreichen. So kamen abends in einen Wald, wo sie übernachten wollten. Der Esel und der Hund legten sich unter einen großen Baum, die Katze kletterte auf einen Ast, und der Hahn flog bis in den Wipfel, wo es am sichersten für ihn war. Ehe er einschlief, sah er sich noch einmal nach allen vier Windrichtungen um. Da bemerkte er einen Lichtschein. Er sagte seinen Gefährten, dass in der Nähe ein Haus sein müsse[15 - sein müsse – должен быть (форма сослагательного наклонения от müssen)], denn er sehe ein Licht. Der Esel antwortete: “So wollen wir uns aufmachen und noch hingehen, denn hier ist die Herberge schlecht.” Der Hund meinte, ein paar Knochen und etwas Fleisch daran[16 - daran – зд.: к тому, в придачу, в добавок] täten ihm auch gut[17 - gut tun – приносить пользу, пойти на пользу].
Also machten sie sich auf den Weg, wo das Licht war. Bald sahen sie es heller schimmern, und es wurde immer größer, bis sie vor ein hellerleuchtetes[18 - hellerleuchtet – ярко освещенный] Räuberhaus kamen. Der Esel, als der größte, näherte sich dem Fenster und schaute hinein.
– “Was siehst du, Grauschimmel?” fragte der Hahn. “Was ich sehe?” antwortete der Esel – “Einen gedeckten Tisch mit schönem Essen und Trinken, und Räuber sitzen rundherum und lassen sich’s gut gehen[19 - es sich gut gehen lassen – хорошо проводить время; доставить себе удовольствие; роскошествовать, ни в чем себе не отказывать; кутить (на широкую ногу)]!” “Ah! Das wäre etwas für uns[20 - es wäre etwas – было бы неплохо, недурно]”, sprach der Hahn.
Da überlegten die Tiere, wie sie es anfangen[21 - es anfangen – с чего начать] könnten, die Räuber hinauszujagen. Endlich fanden sie ein Mittel. Der Esel stellte sich mit den Vorderfüßen auf das Fenster, der Hund sprang auf des Esels Rücken, die Katze kletterte auf den Hund, und zuletzt flog der Hahn hinauf und setzte sich der Katze auf den Kopf. Als das geschehen war, fingen sie auf ein Zeichen[22 - auf ein Zeichen – по сигналу, по команде] an, ihre Musik zu machen: der Esel schrie, der Hund bellte, die Katze miaute, und der Hahn krähte. Darauf stürzten sie durch das Fenster in die Stube hinein, dass die Scheiben klirrten.
Die Räuber fuhren bei dem entsetzlichen Geschrei in die Höhe[23 - in die Höhe fahren – вскакивать, подскочить]. Sie meinten, ein Gespenst käme herein, und flohen in größter Furcht in den Wald hinaus. Nun setzten sich die vier Gesellen an den Tisch, und jeder aß nach Herzenslust[24 - nach Herzenslust – по душе, кому что угодно] von den Speisen, die ihm am besten schmeckten. Als sie fertig waren, löschten sie das Licht aus, und jeder suchte sich eine Schlafstätte nach seinem Geschmack. Der Esel legte sich auf den Mist, der Hund hinter die Tür, die Katze auf den Herd bei der warmen Asche, und der Hahn flog auf das Dach hinauf. Und weil sie müde waren von ihrem langen Weg, schliefen sie bald ein.
Nach Mitternacht sahen die Räuber, dass kein Licht mehr brannte. Alles schien ruhig, da sprach der Hauptmann: “Wir sollten uns doch nicht ins Bockshorn jagen lassen[25 - sich ins Bockshorn jagen lassen – разг. трусить].” Er schickte einen Räuber zurück, um nachzusehen, ob noch jemand im Hause wäre. Der Räuber fand alles still. Er ging in die Küche und wollte ein Licht anzünden. Da sah er die feurigen Augen der Katze und meinte, es wären glühende Kohlen. Er hielt ein Schwefelhölzchen daran, dass es Feuer fangen sollte. Aber die Katze verstand keinen Spaß[26 - keinen Spaß verstehen – не уметь шутить; не понимать шуток; быть серьезно настроенным], sprang ihm ins Gesicht und kratzte ihn aus Leibeskräften. Da erschrak er gewaltig und wollte zur Hintertür hinauslaufen. Aber der Hund, der da lag, sprang auf und biss ihn ins Bein. Als der Räuber über den Hof am Misthaufen vorbeirannte, gab ihm der Esel noch einen tüchtigen Schlag mit dem Hinterfuß. Der Hahn aber, der von dem Lärm aus dem Schlaf geweckt war, rief vom Dache herunter: “Kikeriki!”
Da lief der Räuber, was er konnte[27 - was er konnte – что мог, изо всех сил], zu seinem Hauptmann zurück. Er rief: “Ach, in dem Haus sitzt eine gräuliche Hexe, die hat mich angefaucht und mir mit ihren langen Fingern das Gesicht zerkratzt. An der Tür steht ein Mann mit einem Messer, der hat mich ins Bein gestochen. Auf dem Hof liegt ein schwarzes Ungetüm, das hat mit einem Holzprügel auf mich losgeschlagen. Und oben auf dem Dache, da sitzt der Richter, der rief: ‘Bringt mir den Schelm her!‘ Da machte ich, dass ich fortkam.” Von nun an getrauten sich die Räuber nicht mehr in das Haus. Den vier Bremer Stadtmusikanten aber gefiel’s darin so gut, dass sie nicht wieder hinaus wollten.
Rumpelstilzchen
Es war einmal[28 - einmal – однажды] ein Müller, der war arm, aber er hatte eine schöne Tochter. Nun traf es sich[29 - es traf sich – (так) случилось], dass er mit dem König zu sprechen kam, und um sich ein Ansehen zu geben[30 - Ansehen geben – произвести впечатление], sagte er zu ihm: “Ich habe eine Tochter, die kann Stroh zu Gold spinnen.” Der König sprach zum Müller: “Das ist eine Kunst, die mir wohl gefällt, wenn deine Tochter so geschickt ist, wie du sagst, so bring sie morgen in mein Schloss, da will ich sie auf die Probe stellen[31 - auf die Probe stellen – подвергать испытанию].”
Als nun das Mädchen zu ihm gebracht ward[32 - ward (устар.) = wurde; gebracht wurde – была приведена, ее привели], führte er es in eine Kammer, die ganz voll Stroh lag, gab ihr Rad und Haspel und sprach: “Jetzt mache dich[33 - sich machen – взяться, приниматься; mache dich – берись, принимайся (за дело)] an die Arbeit, und wenn du diese Nacht durch bis morgen früh dieses Stroh nicht zu Gold versponnen hast, so musst du sterben.” Darauf schloss er die Kammer selbst zu, und sie blieb allein darin. Da saß nun die arme Müllerstochter und verstand gar nichts davon, wie man Stroh zu Gold spinnen konnte, und ihre Angst ward immer größer, dass sie endlich zu weinen anfing. Da ging auf einmal die Türe auf, und trat ein kleines Männchen herein und sprach: “Guten Abend, Jungfer Müllerin, warum weint Sie so sehr?”
“Ach,” antwortete das Mädchen, “ich soll Stroh zu Gold spinnen und verstehe das nicht.” Sprach das Männchen: “Was gibst du mir, wenn ich statt deiner spinne?” – “Mein Halsband,” sagte das Mädchen. Das Männchen nahm das Halsband, setzte sich vor das Rädchen, und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war die Spule voll. Dann steckte es eine andere auf, und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war auch die zweite voll: und so gings fort bis zum Morgen, da war alles Stroh versponnen, und alle Spulen waren voll Gold.
Bei Sonnenaufgang kam schon der König, und als er das Gold erblickte, erstaunte er und freute sich, aber sein Herz ward nur noch geldgieriger. Er ließ die Müllerstochter in eine andere Kammer voll Stroh bringen, die noch viel größer war, und befahl ihr, das auch in einer Nacht zu spinnen, wenn ihr das Leben lieb wäre[34 - wenn ihr das Leben lieb wäre – (если) жизнь была ей мила (сослагательное наклонение)]. Das Mädchen wusste sich nicht zu helfen[35 - wusste sich nicht zu helfen – не знала, как себя выручить; не умела себе помочь] und weinte, da ging abermals die Türe auf, und das kleine Männchen erschien und sprach: “Was gibst du mir, wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne?”
“Meinen Ring von dem Finger,” antwortete das Mädchen. Das Männchen nahm den Ring, fing wieder an zu schnurren mit dem Rade und hatte bis zum Morgen alles Stroh zu glänzendem Gold gesponnen. Der König freute sich über die Massen bei dem Anblick, war aber noch immer nicht Goldes satt, sondern ließ die Müllerstochter in eine noch größere Kammer voll Stroh bringen und sprach: “Die musst du noch in dieser Nacht verspinnen: gelingt dir’s[36 - dir’s =dir das] aber, so sollst du meine Gemahlin werden.” – “Wenn’s auch[37 - Wenn es auch – даже если, даже хотя, пусть [она] и…] eine Müllerstochter ist,” dachte er, “eine reichere Frau finde ich in der ganzen Welt nicht.” Als das Mädchen allein war, kam das Männlein zum drittenmal wieder und sprach: “Was gibst du mir, wenn ich dir noch diesmal das Stroh spinne?” – “Ich habe nichts mehr, das ich geben könnte,” antwortete das Mädchen. “So versprich mir, wenn du Königin wirst, dein erstes Kind.” – “Wer weiß, wie das noch geht,” dachte die Müllerstochter und wusste sich auch in der Not nicht anders zu helfen; sie versprach also dem Männchen, was es verlangte, und das Männchen spann dafür noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der König kam und alles fand, wie er gewünscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr, und die schöne Müllerstochter ward eine Königin.
Über ein Jahr brachte sie ein schönes Kind zur Welt und dachte gar nicht mehr an das Männchen: da trat es plötzlich in ihre Kammer und sprach: “Nun gib mir, was du versprochen hast.” Die Königin erschrak und bot dem Männchen alle Reichtümer des Königreichs an, wenn es ihr das Kind lassen wollte; aber das Männchen sprach: “Nein, etwas Lebendes ist mir lieber als alle Schätze der Welt.” Da fing die Königin so an zu jammern und zu weinen, dass das Männchen Mitleiden mit ihr hatte. “Drei Tage will ich dir Zeit lassen,” sprach er, “wenn du bis dahin[38 - bis dahin – до тех пор, к этому времени] meinen Namen weisst, so sollst du dein Kind behalten.”
Nun besann sich die Königin die ganze Nacht über auf alle Namen, die sie jemals gehört hatte, und schickte einen Boten über Land, der sollte sich erkundigen weit und breit[39 - weit und breit – везде и всюду; на каждом углу], was es sonst noch für Namen gäbe[40 - was es sonst noch für Namen gäbe – какие ещё есть имена (косвен. речь)]. Als am andern Tag das Männchen kam, fing sie an mit Kaspar, Melchior, Balzer, und sagte alle Namen, die sie wusste, nach der Reihe[41 - nach der Reihe – по порядку] her, aber bei jedem sprach das Männlein: “So heiß ich nicht.” Den zweiten Tag ließ sie in der Nachbarschaft herumfragen, wie die Leute da genannt würden, und sagte dem Männlein die ungewöhnlichsten und seltsamsten Namen vor “Heißt du vielleicht Rippenbiest oder Hammelswade oder Schnürbein?” Aber es antwortete immer: “So heiß ich nicht.”
Den dritten Tag kam der Bote wieder zurück und erzählte: “Neue Namen habe ich keinen einzigen[42 - kein einzig – ни единого, ни одного] finden können, aber wie ich an einen hohen Berg um die Waldecke kam, wo Fuchs und Has sich gute Nacht sagen, so sah ich da ein kleines Haus, und vor dem Haus brannte ein Feuer, und um das Feuer sprang ein gar zu lächerliches Männchen, hüpfte auf einem Bein und schrie:
“Heute back ich,
Morgen brau ich,
Übermorgen hol ich der Königin ihr Kind;
Ach, wie gut ist, dass niemand weiß,
dass ich Rumpelstilzchen heiß!”
Da könnt ihr denken[43 - könnt ihr denken – можете себе представить], wie die Königin froh war, als sie den Namen hörte, und als bald hernach das Männlein hereintrat und fragte: “Nun, Frau Königin, wie heiß ich?” fragte sie erst: “Heißest du Kunz?” – “Nein.” – “Heißest du Heinz?” – “Nein.” – “Heißt du etwa Rumpelstilzchen?”
“Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt,” schrie das Männlein und stieß mit dem rechten Fuss vor Zorn so tief in die Erde, dass es bis an den Leib hineinfuhr[44 - hineinfahren – зд. войти в, уйти в], dann packte es in seiner Wut den linken Fuss mit beiden Händen und riss sich selbst mitten entzwei.
Rapunzel
Es war einmal ein Mann und eine Frau, die wünschten sich schon lange vergeblich ein Kind. Еndlich machte sich die Frau Hoffnung, der liebe Gott werde ihren Wunsch erfüllen. Die Leute hatten in ihrem Hinterhaus ein kleines Fenster: daraus konnte man in einen prächtigen Garten sehen. Der stand voll der schönsten Blumen und Kräuter! Er war aber von einer hohen Mauer umgeben, und niemand wagte hineinzugehen, weil er einer Zauberin gehörte, die große Macht hatte und von aller Welt gefürchtet ward.
Eines Tages stand die Frau an diesem Fenster und sah in den Garten hinab, da erblickte sie ein Beet, das mit den schönsten Rapunzeln bepflanzt war. Und sie sahen so frisch und grün aus, dass sie lüstern ward und das größte Verlangen empfand, von den Rapunzeln zu essen. Das Verlangen nahm jeden Tag zu, und da sie wusste, dass sie keine davon bekommen konnte, so fiel sie ganz ab, sah blass und elend aus. Da erschrak der Mann und fragte: “Was fehlt dir, liebe Frau?” – “Ach,” antwortete sie, “wenn ich keine Rapunzeln aus dem Garten hinter unserm Hause zu essen kriege, so sterbe ich.” Der Mann, der sie lieb hatte, dachte: “Eh[45 - eh (диалект.) = ehe] du deine Frau sterben läßest, holst du ihr von den Rapunzeln, es mag kosten, was es will.”
In der Abenddämmerung stieg er also über die Mauer in den Garten der Zauberin, stach in aller Eile[46 - in aller Eile – второпях, в спешке, спешно] eine Handvoll Rapunzeln und brachte sie seiner Frau. Sie machte sich sogleich Salat daraus und aß sie in voller Begierde auf. Sie hatten ihr aber so gut, so gut geschmeckt, dass sie den andern Tag noch dreimal soviel Lust bekam. Sollte sie Ruhe haben, so musste der Mann noch einmal in den Garten steigen. Er machte sich also in der Abenddämmerung wieder hinab, als er aber die Mauer herabgeklettert war, erschrak er gewaltig, denn er sah die Zauberin vor sich stehen. “Wie kannst du es wagen,” sprach sie mit zornigem Blick, “in meinen Garten zu steigen und wie ein Dieb mir meine Rapunzeln zu stehlen? Das soll dir schlecht bekommen.” – “Ach,” antwortete er, “laßt Gnade für Recht ergehen[47 - Gnade für Recht ergehen lassen – сменить гнев на милость, помиловать], ich habe mich nur aus Not dazu entschlossen: meine Frau hat Eure Rapunzeln aus dem Fenster erblickt, und empfindet ein so großes Gelüsten, dass sie sterben würde, wenn sie nicht davon zu essen bekäme.”
Da ließ die Zauberin in ihrem Zorne nach und sprach zu ihm: “Verhält es sich so[48 - (wenn) es sich so verhält… – Если это так…], wie du sagst, so will ich dir gestatten, Rapunzeln mitzunehmen, soviel du willst, allein[49 - allein – но, однако; только, исключительно; одно] ich mache eine Bedingung: Du musst mir das Kind geben, das deine Frau zur Welt bringen wird. Es soll ihm gut gehen[50 - Es soll ihm gut gehen – ему это пойдет на пользу; принесет благо], und ich will für es sorgen wie eine Mutter”. Der Mann sagte in der Angst alles zu, und als die Frau in Wochen gebar, so erschien sogleich die Zauberin, gab dem Kinde den Namen Rapunzel und nahm es mit sich fort.
Rapunzel ward das schönste Kind unter der Sonne. Als es zwölf Jahre alt war, schloss es die Zauberin in einen Turm, der in einem Walde lag, und weder Treppe noch Türe hatte, nur ganz oben war ein kleines Fensterchen. Wenn die Zauberin hinein wollte, so stellte sie sich hin[51 - stellte sie sich hin – она вставала под ним] und rief:
“Rapunzel, Rapunzel,
Lass mir dein Haar herunter.”
Rapunzel hatte lange prächtige Haare, fein wie gesponnen Gold. Wenn sie nun die Stimme der Zauberin vernahm, so band sie ihre Zöpfe los, wickelte sie oben um einen Fenster, und dann fielen die Haare zwanzig Ellen tief herunter, und die Zauberin stieg daran hinauf.
Nach ein paar Jahren trug es sich zu[52 - trug es sich zu – случилось], dass der Sohn des Königs durch den Wald ritt und an dem Turm vorüberkam. Da hörte er einen Gesang, der war so lieblich, dass er still hielt und horchte. Das war Rapunzel, die in ihrer Einsamkeit sich die Zeit vertrieb[53 - sich (D) die Zeit vertreiben – разг. коротать время] damit, ihre süße Stimme erschallen zu lassen. Der Königssohn wollte zu ihr hinaufsteigen und suchte nach einer Türe des Turms, aber es war keine zu finden. Er ritt heim, doch der Gesang hatte ihm so sehr das Herz gerührt, dass er jeden Tag hinaus in den Wald ging und zuhörte. Als er einmal so hinter einem Baum stand, sah er, dass eine Zauberin herankam, und hörte, wie sie hinaufrief:
“Rapunzel, Rapunzel,
Lass dein Haar herunter.”
Da ließ Rapunzel die Haarflechten herab, und die Zauberin stieg zu ihr hinauf. “Ist das die Leiter, auf welcher man hinaufkommt, so will ich auch einmal mein Glück versuchen.” Und den folgenden Tag, als es anfing dunkel zu werden, ging er zu dem Turme und rief:
“Rapunzel, Rapunzel,
Lass dein Haar herunter.”
Alsbald fielen die Haare herab, und der Königssohn stieg hinauf.
Anfangs erschrak Rapunzel gewaltig, als ein Mann zu ihr hereinkam, wie ihre Augen noch nie einen erblickt hatten. Doch der Königssohn fing an ganz freundlich mit ihr zu reden. Er erzählte ihr, dass von ihrem Gesang sein Herz so sehr bewegt sei, dass es ihm keine Ruhe ließ und er sie selbst sehen müsse. Da verlor Rapunzel ihre Angst, und als er sie fragte, ob sie ihn zum Mann nehmen wollte (und sie sah, dass er jung und schön war) so dachte sie: “Der wird mich lieber haben als die alte Frau Gothel,” und sagte ja, und legte ihre Hand in seine Hand. Sie sprach: “Ich will gerne mit dir gehen, aber ich weiß nicht, wie ich herabkommen kann. Wenn du kommst, so bringe jedesmal einen Strang Seide mit, daraus will ich eine Leiter flechten, und wenn die fertig ist, so steige ich herunter und du nimmst mich auf dein Pferd.”
Sie verabredeten, dass er bis dahin alle Abend zu ihr kommen sollte, denn bei Tag kam die Alte. Die Zauberin merkte auch nichts davon, bis einmal Rapunzel anfing und zu ihr sagte: “Sag Sie mir doch, Frau Gothel, wie kommt es nur, sie wird mir viel schwerer heraufzuziehen als der junge Königssohn, der ist in einem Augenblick bei mir.” – “Ach du gottloses Kind,” rief die Zauberin, “was muss ich von dir hören, ich dachte, ich hätte dich von aller Welt geschieden, und du hast mich doch betrogen!” In ihrem Zorne packte sie die schönen Haare der Rapunzel, schlug sie ein paarmal um ihre linke Hand, griff eine Schere mit der rechten, und ritsch, ratsch waren sie abgeschnitten, und die schönen Flechten lagen auf der Erde. Und sie war so unbarmherzig, dass sie die arme Rapunzel in eine Wüstenei brachte, wo sie in grossem Jammer und Elend leben musste.
Denselben Tag aber, wo sie Rapunzel verstoßen hatte, machte abends die Zauberin die abgeschnittenen Flechten oben am Fensterhaken fest, und als der Königssohn kam und rief:
“Rapunzel, Rapunzel,
Lass dein Haar herunter.”
so ließ sie die Haare hinab. Der Königssohn stieg hinauf, aber er fand oben nicht seine liebste Rapunzel, sondern die Zauberin, die ihn mit bösen und giftigen Blicken ansah. “Aha,” rief sie höhnisch, “du willst die Frau Liebste holen, aber der schöne Vogel sitzt nicht mehr im Nest und singt nicht mehr, die Katze hat ihn geholt und wird dir auch noch die Augen auskratzen. Für dich ist Rapunzel verloren, du wirst sie nie wieder erblicken.”
Der Königssohn geriet außer sich vor Schmerzen, und in der Verzweiflung sprang er den Turm herab: das Leben brachte er davon[54 - das Leben brachte er davon – жизнь он при этом сохранил], aber die Dornen, in die er fiel, zerstachen ihm die Augen. Da irrte er blind im Walde umher, aß nichts als Wurzeln und Beeren, und tat nichts als jammern und weinen über den Verlust seiner liebsten Frau. So wanderte er einige Jahre im Elend umher und geriet endlich in die Wüstenei, wo Rapunzel mit den Zwillingen, die sie geboren hatte, einem Knaben und Mädchen, kümmerlich lebte. Er vernahm eine Stimme, und sie deuchte ihn so bekannt. Da ging er darauf zu, und wie er herankam, erkannte ihn Rapunzel und fiel ihm um den Hals[55 - fiel ihm um den Hals – броилась ему на шею; прижалась к его груди] und weinte. Zwei von ihren Tränen aber benetzten seine Augen, da wurden sie wieder klar, und er konnte damit sehen wie sonst. Er führte sie in sein Reich, wo er mit Freude empfangen ward, und sie lebten noch lange glücklich und vergnügt.
Die sieben Raben
Ein Mann hatte sieben Söhne, und immer noch kein Töchterchen, so sehr er’s auch[56 - so – auch (чащеwie – auch) – как (бы) … ни] wünschte. Endlich gab ihm seine Frau wieder gute Hoffnung zu einem Kinde, und wie’s zur Welt kam, war’s ein Mädchen. Ob es gleich schon war, so war’s doch auch schmächtig und klein, und sollte wegen seiner Schwachheit die Nottaufe haben. Da schickte der Vater einen der Knaben eilends zur Quelle, Taufwasser zu holen, aber die andern sechs liefen mit. Jeder wollte der erste beim Schöpfen sein, und darüber fiel ihnen der Krug in den Brunnen.
Da standen sie und wussten nicht, was sie tun sollten, und keiner getraute sich heim. Dem Vater ward unter der Weile angst, das Mädchen müsste ungetauft verscheiden, und wusste gar nicht, warum die Jungen so lange ausblieben. “Gewiss, sprach er, haben sie’s wieder über ein Spiel vergessen!” Und als sie immer nicht kamen, fluchte er im Ärger: “Ich wollte, dass die Jungen alle zu Raben würden!” Kaum war das Wort ausgeredet, so hörte er ein Geschwirr über seinem Haupte in der Luft, blickte auf, und sah sieben kohlschwarze Raben auf und davon fliegen.
Die Eltern konnten die Verwünschung nicht mehr zurücknehmen, und so traurig sie über den Verlust ihrer sieben Söhne waren, trösteten sie sich einigermaßen durch ihr liebes Töchterchen, das bald zu Kräften kam und mit jedem Tage schöner ward. Es wusste lange Zeit nicht einmal, dass es Geschwister gehabt hatte, denn die Eltern hüteten sich ihrer vor ihm zu erwähnen.
Aber eines Tages es von ungefähr[57 - von ungefähr – случайно] die Leute von sich sprechen hörte: ja, sie wäre wohl schön, aber doch eigentlich Schuld, dass ihre sieben Brüder unglücklich geworden. Da wurde sie tief betrübt, ging zu Vater und Mutter, und fragte, ob sie denn Brüder gehabt hätte, und wo sie hingeraten wären? Nun durften die Eltern das Geheimnis nicht länger verschweigen, sagten jedoch, es sei[58 - sei – форма конъюнктива от sein; передает косвенную речь персонажей] so des Himmels Verhängnis, und ihre Geburt nur der unschuldige Anlass gewesen war. Allein das Mädchen machte sich täglich ein Gewissen daraus[59 - она посчитала себя ответственной; Sich kein Gewissen aus etwas machen – не колебеться, не сомневаться, не стесняться сделать что-либо; (с) делать что-л. не задумываясь /не колеблясь, без колебаний.], und glaubte sich fest verbunden, ihre Geschwister zu erlösen, und hatte nicht Ruhe und Rast, bis sie sich heimlich aufmachte und in die weite Welt ging, ihre Brüder irgendwo aufzuspüren und zu befreien, es koste was das wolle[60 - es koste was das wolle – чего бы это не стоило].
Sie nahm nichts mit sich als ein Ringlein von ihren Eltern zum Andenken, einen Laib Brot für den Hunger, ein Krüglein Wasser für den Durst und ein Stühlchen für die Müdigkeit. Nun ging es immer zu, weit, weit bis an der Welt Ende. Da kam es zur Sonne, aber die war zu heiß und fürchterlich und fraß die kleinen Kinder. Eilig lief es weg, und hin zu dem Mond, aber der war gar zu kalt und auch grausig und bös, und als er das Kind merkte, sprach er: “Ich rieche, rieche Menschenfleisch!” Da machte es sich geschwind fort und kam zu den Sternen, die waren ihm freundlich und gut, und jeder saß auf seinem besonderen Stühlchen. Der Morgenstern aber stand auf, gab ihm ein Hinkelbeinchen und sprach: “Wenn du das Beinchen nicht hast, kannst du nicht in den Glasberg aufschließen, und in dem Glasberg da sind deine Brüder.”
Das Mädchen nahm das Beinchen, wickelte es wohl in ein Tüchlein, und ging wieder fort, so lange bis es an den Glasberg kam, dessen Tor verschlossen war. Nun wollte es das Beinchen holen, aber wie es das Tüchelchen aufmachte, so war es leer, und es hatte das Geschenk der guten Sterne verloren. Was sollte es nun anfangen, seine Brüder wollte es erretten, und hatte keinen Schlüssel zum Glasberg? Das gute Schwesterchen nahm ein Messer, schnitt sich sein kleines Fingerchen ab, steckte es in das Tor und schloss glücklich auf.
Als es hinein trat, kam ihm ein Zwerglein entgegen und sprach: “Mein Kind, was suchst du?” “Ich suche meine Brüder, die sieben Raben“, antwortete es. Der Zwerg sprach: “Die Herren Raben sind nicht zu Haus, aber willst du hier so lang warten, bis sie kommen, so tritt ein.” Darauf brachte das Zwerglein die Speise für die Raben auf sieben Tellerchen und in sieben Becherchen, und von jedem Tellerchen aß das Schwesterchen ein Bröckchen und aus jedem Becherchen trank es ein Schlückchen. In das letzte Becherchen aber ließ es das Ringlein fallen, das es mitgenommen hatte. Auf einmal hörte es in der Luft ein Geschwirr und ein Geweh, da sprach das Zwerglein: “Jetzt fliegen die Herren Raben heim!”
Da kamen sie, wollten essen und trinken, und suchten ihre Tellerchen und Becherchen. Da sprach einer nach dem andern: “Wer hat von meinem Tellerchen gegessen? wer hat aus meinem Becherchen getrunken? Das ist eines Menschen Mund gewesen!” Und wie der siebente auf den Grund kam, fiel ihm das Ringlein entgegen, da sah er es an und erkannte, dass es ein Ring von Vater und Mutter war, und sprach: “Gott gebe, unser Schwesterlein wäre da, so wären wir los!” Wie das das Mädchen hörte, das hinter der Türe stand und lauschte, so trat es hervor, und da bekamen alle die Raben ihre menschliche Gestalt wieder. Und sie herzten und küssten einander, und zogen fröhlich heim.
Dornröschen
Vor Zeiten[61 - Vor Zeiten – в прежние (давние) времена] war ein König und eine Königin, die sprachen jeden Tag: “Ach, wenn wir doch ein Kind hätten!” und kriegten immer keins. Da trug sich zu, als die Königin einmal im Bade saß, dass ein Frosch aus dem Wasser ans Land kroch und zu ihr sprach: “Dein Wunsch wird erfüllt werden, ehe ein Jahr vergeht, wirst du eine Tochter zur Welt bringen.”
Was der Frosch gesagt hatte, das geschah, und die Königin gebar ein Mädchen, das war so schön, dass der König vor Freude sich nicht zu lassen wusste[62 - sich nicht zu lassen wusste – не мог успокоиться, придти в себя] und ein großes Fest anstellte. Er lud nicht bloß seine Verwandte, Freunde und Bekannte, sondern auch die weisen Frauen dazu ein, damit sie dem Kind hold und gewogen wären. Es waren ihrer dreizehn in seinem Reiche, weil er aber nur zwölf goldene Teller hatte, von welchen sie essen sollten, so musste eine von ihnen daheim bleiben.
Das Fest ward mit aller Pracht gefeiert, und als es zu Ende war, beschenkten die weisen Frauen das Kind mit ihren Wundergaben: die eine mit Tugend, die andere mit Schönheit, die dritte mit Reichtum, und so mit allem, was auf der Welt zu wünschen ist. Als elfe ihre Sprüche eben getan hatten, trat plötzlich die dreizehnte herein. Sie wollte sich dafür rächen, dass sie nicht eingeladen war, und ohne jemand zu grüßen oder nur anzusehen, rief sie mit lauter Stimme: “Die Königstochter soll sich in ihrem fünfzehnten Jahr an einer Spindel stechen und tot hinfallen.” Und ohne ein Wort weiter zu sprechen, kehrte sie sich um und verließ den Saal. Alle waren erschrocken! Da trat die zwölfte hervor, die ihren Wunsch noch übrig hatte, und weil sie den bösen Spruch nicht aufheben, sondern nur ihn mildern konnte, so sagte sie: “Es soll aber kein Tod sein, sondern ein hundertjähriger tiefer Schlaf, in welchen die Königstochter fällt.”
Der König, der sein liebes Kind vor dem Unglück gern bewahren wollte, ließ den Befehl ausgehen[63 - ließ den Befehl ausgehen – велел издать указ], dass alle Spindeln im ganzen Königreiche vebrannt werden. An dem Mädchen aber wurden die Gaben der weisen Frauen sämtlich erfüllt: es war so schön, sittsam, freundlich und verständig, dass jedermann, der es ansah, lieb haben musste.
Es geschah, dass an dem Tage, wo es gerade fünfzehn Jahr alt ward, der König und die Königin nicht zu Haus waren, und das Mädchen ganz allein im Schloss zurückblieb. Da ging es allerorten herum, besah Stuben und Kammern, wie es Lust hatte, und kam endlich auch an einen alten Turm. Es stieg die enge Wendeltreppe hinauf, und gelangte zu einer kleinen Türe. In dem Schloss steckte ein verrosteter Schlüssel, und als es umdrehte, sprang die Türe auf, und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau mit einer Spindel und spann emsig ihren Flachs.
“Guten Tag, du altes Mütterchen,” sprach die Königstochter, “was machst du da?” – “Ich spinne,” sagte die Alte und nickte mit dem Kopf. “Was ist das für ein Ding, das so lustig herumspringt?” sprach das Mädchen, nahm die Spindel und wollte auch spinnen. Kaum hatte sie aber die Spindel angerührt, so ging der Zauberspruch in Erfüllung, und sie stach sich damit in den Finger. In dem Augenblick aber, wo sie den Stich empfand, fiel sie auf das Bett nieder das da stand, und lag in einem tiefen Schlaf.
Und dieser Schlaf verbreite sich über das ganze Schloss: der König und die Königin, die eben heimgekommen waren und in den Saal traten, fingen an einzuschlafen und der ganze Hofstaat mit ihnen. Da schliefen auch die Pferde im Stall, die Hunde im Hofe, die Tauben auf dem Dache, die Fliegen an der Wand, ja, das Feuer, das auf dem Herde flackerte, ward still und schlief ein, und der Braten hörte auf zu brutzeln, und der Koch, der den Küchenjungen, weil er etwas versehen hatte, in den Haaren ziehen wollte, ließ ihn los und schlief. Und der Wind legt sich, und auf den Bäumen vor dem Schloss regte sich kein Blättchen mehr. Rings um das Schloss aber begann eine Dornenhecke zu wachsen, die jedes Jahr höher ward, und endlich das ganze Schloss umzog und darüber hinauswuchs, dass gar nichts davon zu sehen war, selbst nicht die Fahne auf den Dach.
Es ging aber die Sage in dem Land von dem schönen schlafenden Dornröschen, denn so ward die Königstochter genannt. Also von Zeit zu Zeit Königssöhne kamen und durch die Hecke in das Schloss dringen wollten. Es war ihnen aber nicht möglich, denn die Dornen, als hätten sie Hände, hielten fest zusammen, und die Jünglinge blieben darin hängen, konnten sich nicht wieder losmachen und starben eines jämmerlichen Todes.
Nach langen Jahren kam wieder einmal ein Königssohn in das Land, und hörte, wie ein alter Mann von der Dornenhecke erzählte, es sollte ein Schloss dahinter stehen, in welchem eine wunderschöne Königstochter, Dornröschen genannt, schon seit hundert Jahren schliefe, und mit ihr der König und die Königin und der ganze Hofstaat. Er wusste auch von seinem Großvater, dass schon viele Königssöhne gekommen wären und versucht hätten, durch die Dornenhecke zu dringen, aber sie wären darin hängengeblieben und eines traurigen Todes gestorben.
Da sprach der Jüngling: “Ich fürchte mich nicht, ich will hinaus und das schöne Dornröschen sehen.” Der gute Alte mochte ihm abraten, wie er wollte, er hörte nicht auf seine Worte. Nun waren aber gerade die hundert Jahre verflossen, und der Tag war gekommen, wo Dornröschen wieder erwachen sollte. Als der Königssohn sich der Dornenhecke näherte, waren es lauter große schöne Blumen, die taten sich von selbst auseinander und ließen ihn unbeschädigt hindurch, und hinter ihm taten sie sich wieder als Hecke zusammen. Im Schlosshof sah er die Pferde und scheckigen Jagdhunde liegen und schlafen, auf dem Dach saßen die Tauben und hatten das Köpfchen unter den Flügel gesteckt. Und als er ins Haus kam, schliefen die Fliegen an der Wand, der Koch in der Küche hielt noch die Hand, als wollte er den Jungen anpacken, und die Magd saß vor dem schwarzen Huhn, das sollte gerupft werden.
Da ging er weiter und sah im Saale den ganzen Hofstaat liegen und schlafen, und oben bei dem Throne lag der König und die Königin. Da ging er noch weiter, und alles war so still, dass einer seinen Atem hören konnte, und endlich kam er zu dem Turm und öffnete die Türe zu der kleinen Stube, in welcher Dornröschen schlief. Da lag es und war so schön, dass er die Augen nicht abwenden konnte, und er bückte sich und gab ihm einen Kuss.
Wie er es mit dem Kuss berührt hatte, schlug Dornröschen die Augen auf, erwachte, und blickte ihn ganz freundlich an. Da gingen sie zusammen herab, und der König erwachte und die Königin und der ganze Hofstaat, und sahen einander mit großen Augen an. Und die Pferde im Hof standen auf und rüttelten sich; die Jagdhunde sprangen und wedelten; die Tauben auf dem Dache zogen das Köpfchen unterm Flügel hervor, sahen umher und flogen ins Feld; die Fliegen an den Wänden krochen weiter; das Feuer in der Küche erhob sich, flackerte und kochte das Essen; der Braten fing wieder an zu brutzeln; und der Koch gab dem Jungen eine Ohrfeige, dass er schrie; und die Magd rupfte das Huhn fertig.
Und da wurde die Hochzeit des Königssohns mit dem Dornröschen in aller Pracht gefeiert, und sie lebten vergnügt bis an ihr Ende.
König Drosselbart
Ein König hatte eine Tochter, die war wunderschön, aber stolz und übermütig: kein Freier ihr gut genug war, und sie einen nach dem andern abwies, und noch dazu Spott mit ihnen trieb[64 - Spott mit j-m / etw. (D) treiben* – насмехаться над кем-л. / чем-л.]. Einmal ließ der König ein großes Fest anstellen, und lud dazu alle heiratslustigen Männer ein. Die wurden in eine Reihe nach ihrem Rang und Stand geordnet. Erst kamen die Könige, dann die Herzoge, die Fürsten, Grafen und Freiherrn, zuletzt die Edelleute.
Nun wurde die Königstochter durch die Reihen geführt, aber an jedem hatte sie etwas auszusetzen. Der Eine war ihr zu dick: “Das Weinfass!” – sprach sie. Der Andere zu lang: “Lang und schwank hat keinen Gang!”. Der Dritte war zu kurz: “Kurz und dick hat kein Geschick!”. Der Vierte war zu blass: “Der bleiche Tod!”, der Fünfte zu rot: “Der Zinshahn[65 - rot wie ein Zinshahn – идиома: красный, как петух]!”, der Sechste war nicht gerade genug: “Grünes Holz, hinterm Ofen getrocknet!”. Und so hatte sie an einem jeden etwas auszusetzen. Besonders aber machte sie sich über einen guten König lustig[66 - sich über j-m (A) lustig machen – потешаться [смеяться, насмехаться] над кем-л. / чем-л.], der ganz oben stand, und dem das Kinn ein wenig krumm gewachsen war. “Ei”, rief sie und lachte, “der hat ein Kinn, wie die Drossel einen Schnabel!” – und seit der Zeit bekam er den Namen Drosselbart.
Der alte König aber, als er sah, dass seine Tochter nichts tat, als über die Leute spotten, und alle Freier die da versammelt waren, verschmähte, ward er zornig und schwur, sie sollte den ersten, besten Bettler zum Mann nehmen, der vor seine Türe käme.
Ein paar Tage darauf hub ein Spielmann an[67 - hub an – начал (устар. форма от anhauen; современ. hieb an)], unter dem Fenster zu singen, um damit ein geringes Almosen zu erwerben. Als es der König hörte, sprach er: “Lasst ihn herauf kommen!” Da trat ein schmutziger Spielmann herein, sang vor dem König und seiner Tochter, und bat, als er fertig war, um eine milde Gabe[68 - milde Gaben erbetteln – выпрашивать милостыню]. Der König sprach: “Dein Gesang hat mir so gefallen, dass ich dir da meine Tochter zur Frau geben will.”
Die Königstochter erschrak, aber der König sagte: “Ich habe den Eid getan, dich dem ersten, besten Bettelmann zu geben, den will ich auch halten.” Es half keine Einrede, der Pfarrer ward geholt, und sie musste sich gleich mit dem Spielmann trauen lassen. Als das geschehen war, sprach der König: “Nun schickt sich’s[69 - es schickt sich – это удобно; пристало] nicht weiter, dass du in meinem Schloss bleibst, du kannst nur mit deinem Manne fortziehen.” Der Bettelmann nahm sie mit hinaus, und sie kamen in einen großen Wald.
Da fragte sie: “Ach, wem gehört der schöne Wald?” – “Der gehört dem König Drosselbart: hättst du’n genommen, so wär er dein!” “Ich arme Jungfer zart, ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!” Darauf kamen sie über eine Wiese, da fragte sie wieder: “Wem gehört die schone, grüne Wiese?” – “Sie gehört dem König Drosselbart: hättst du’n genommen, so wär sie dein!“ “Ich arme Jungfer zart, ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!” Dann kamen sie durch eine große Stadt, da fragte sie wieder: “Wem gehört wohl die schöne große Stadt?” – “Sie gehört dem König Drosselbart, hättst du’n genommen, so wär sie dein!“ “Ich arme Jungfer zart, ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!”
– “Das gefällt mir gar nicht“, sprach der Spielmann, – “dass du dir immer einen andern zum Mann wünschest, bin ich dir nicht gut genug?” Endlich kamen sie an ein ganz kleines Häuschen, da sprach sie: “Ach Gott! was für ein Häuselein! Wem mag das elende, winzige Häuschen sein?” Der Spielmann antwortete: “Das ist mein und dein Haus, wo wir zusammen wohnen.” “Wo sind die Diener?”, sprach die Königstochter. – “Was, Diener! – antwortete der Bettelmann, “du musst dir selber tun, was du willst getan haben. Mach nur gleich Feuer an und stell Wasser auf, dass du mir mein Essen kochst, ich bin ganz müde.”
Die Königstochter verstand aber nichts vom Feueranmachen und Kochen, und der Bettelmann musste selber mit Hand anlegen[70 - Hand anlegen – приложить руку (к чему-л.), принять участие], dass es noch so leidlich ging. Als sie die schmale Kost gegessen hatten, legten sie sich zu Bett, aber am Morgen trieb er sie schon ganz früh heraus, weil sie das Haus besorgen sollte. Ein paar Tage lebten sie auf diese Art schlecht genug, und zehrten ihren Vorrat auf[71 - alle Vorräte aufzehren – съесть все запасы]. Da sprach der Mann: “Frau, so geht’s nicht länger, dass wir hier zehren und nichts verdienen. Du sollst Körbe flechten.” Er ging aus, schnitt Weiden, und brachte sie heim, da fing sie an zu flechten, aber die harten Weiden stachen ihr die zarten Hände wund. “Ich sehe, das geht nicht“, sprach der Mann, “spinn lieber, vielleicht kannst du das besser.” Sie setzte sich hin und versuchte zu spinnen, aber der harte Faden schnitt ihr bald in die weichen Finger, dass das Blut daran herunter lief. “Siehst du“, sprach der Mann, “du taugst zu keiner Arbeit, mit dir bin ich schlimm angekommen[72 - j-n hart ankommen – тяжело даваться]. Nun will ich’s versuchen, und einen Handel mit Töpfen und irdenem Geschirr anfangen, du sollst dich auf den Markt setzen und die Ware feil halten[73 - feil halten – предлагать на продажу].” “Ach”, dachte sie, “wenn auf den Markt Leute aus meines Vaters Reich kommen, und sehen mich da sitzen und feil halten, wie werden sie mich verspotten!”
Aber es half nichts, sie musste hin, wenn sie nicht Hungers sterben wollten. Das erste Mal ging’s gut, denn die Leute kauften der Frau, weil sie so schön war, gern ihre Ware ab, und bezahlten, was sie forderte, ja viele gaben ihr das Geld, und ließen ihr die Topfe noch dazu. Nun lebten sie von dem erworbenen so lang es dauerte, da handelte der Mann wieder eine Menge neues Geschirr ein, und sie setzte sich an eine Ecke des Markts, und stellte es um sich her und hielt feil. Da kam plötzlich ein trunkener Husar daher gejagt, und ritt gerade zu in die Töpfe hinein, dass alles in tausend Scherben zersprang. Sie fing an zu weinen, und wusste nicht vor Angst, was sie anfangen sollte. “Ach wie wird mir’s ergehen![74 - wie wird mir’s ergehen! – что со мной будет!]”, rief sie, “was wird mein Mann dazu sagen!” Sie lief heim, und erzählte ihm das Unglück. “Wer setzt sich auch an die Ecke des Markts mit irdenem Geschirr!”, sprach der Mann, “lass nur das Weinen, ich sehe wohl, du bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen; da bin ich in unseres Königs Schloss gewesen, und habe gefragt, ob sie nicht eine Küchenmagd brauchen könnten, und sie haben mir versprochen, sie wollten dich dazu nehmen, dafür bekommst du freies Essen.”
Nun ward die Königstochter eine Küchenmagd, musste dem Koch zur Hand gehen[75 - zur Hand gehen – служить] und die sauerste Arbeit[76 - die sauerste Arbeit – самая черная, тяжелая и грязная работа] tun. Sie machte sich an beiden Seiten in den Taschen ein Topfchen fest, darin trug sie, was sie von dem übrig gebliebenen erhielt, nach Haus, und sie lebten zusammen davon. Es trug sich zu, dass die Hochzeit des ältesten Königssohns sollte gefeiert werden, da ging die arme Frau hinauf, stellte sich vor die Saaltüre und sah zu. Als nun die Lichter angezündet wurden, und immer einer schöner als der andere herein trat, und alles voll Pracht und Herrlichkeit war, da dachte sie mit betrübtem Herzen[77 - mit betrübtem Herzen – с тяжелым сердцем] an ihr Schicksal, und verwünschte ihren Hochmut und Übermut, der sie in diese Armut gestürzt hatten. Von den köstlichen Speisen, die da ein und ausgetragen wurden, erhielt sie von den Dienern manchmal etwas geschenkt, das tat sie in ihre Topfchen und wollte es heim tragen. Auf einmal trat der Königssohn in goldenen Kleidern daher, und als er die schöne Frau in der Türe stehen sah, ergriff er sie bei der Hand und wollte mit ihr tanzen, aber sie wollte nicht und erschrak, denn sie sah, dass es der König Drosselbart war, der um sie gefreit und den sie mit Spott abgewiesen hatte.
Als sie sich sträubte, zog er sie herein, da ging das Band auf, welches die Taschen hielt, und die Töpfe fielen heraus, dass die Suppe floss, und die Brocken umher sprangen. Und wie das die Leute sahen, entstand ein allgemeines Gelächter und Spotten, und sie war so beschämt, dass sie sich lieber tausend Klafter unter die Erde gewünscht hätte[78 - sie sich lieber tausend Klafter unter die Erde gewünscht hätte – она бы хотела провалиться сквозь землю]. Sie sprang zur Türe und wollte entfliehen, aber auf der Treppe holte sie ein Mann ein und brachte sie zurück, und wie sie ihn ansah, war es der König Drosselbart selbst, der sprach: “Fürchte dich nicht, ich und der Spielmann, der mit dir in dem elenden Häuschen gewohnt hat, sind eins. Dir zur Liebe[79 - Dir zur Liebe – из(-за) любви к тебе] habe ich mich so verstellt, und der Husar, der dir die Töpfe entzwei geritten hat, bin ich auch gewesen. Das alles ist geschehen, um deinen stolzen Sinn zu beugen, und dich für deinen Hochmut, womit du mich verspottet hast, zu strafen. Nun aber ist’s vorüber und jetzt soll unser Hochzeitfest sein.” Da kamen die Kammerfrauen, und taten ihr die prächtigsten Kleider an, und ihr Vater kam und der ganze Hof, und wünschten ihr Glück zu ihrer Vermählung mit dem König Drosselbart, und die rechte Freude fing jetzt erst an. Ich wollte, du und ich, wir wären auch dabei gewesen.
Hänsel und Gretel
Vor einem großen Walde wohnte ein armer Holzhacker mit seiner Frau und seinen zwei Kindern. Das Bübchen hieß Hänsel und das Mädchen Gretel. Er hatte wenig zu beißen und zu brechen[80 - nichts zu beißen (und zu brechen) haben – не иметь куска хлеба], und einmal, als große Teuerung ins Land kam, konnte er das tägliche Brot nicht mehr schaffen. Wie er sich nun abends im Bette Gedanken machte und sich vor Sorgen herumwälzte, seufzte er und sprach zu seiner Frau: “Was soll aus uns werden? Wie können wir unsere armen Kinder ernähren da wir für uns selbst nichts mehr haben?” – “Weißt du was, Mann,” antwortete die Frau, “wir wollen morgen in aller Frühe die Kinder hinaus in den Wald führen, wo er am dicksten ist. Da machen wir ihnen ein Feuer an und geben jedem noch ein Stückchen Brot, dann gehen wir an unsere Arbeit und lassen sie allein. Sie finden den Weg nicht wieder nach Haus, und wir sind sie los.” – “Nein, Frau,” sagte der Mann, “das tue ich nicht; wie sollt ich’s übers Herz bringen[81 - es nicht übers Herz bringen*, etw.(А)zu tun – быть не в состоянии сделать что-л.], meine Kinder im Walde allein zu lassen! Die wilden Tiere würden bald kommen und sie zerreissen.” – “Oh, du Narr,” sagte sie, “dann müssen wir alle viere Hungers sterben, du kannst nur die Bretter für die Särge hobeln,” und ließ ihm keine Ruhe, bis er einwilligte. “Aber die armen Kinder dauern mich doch,” sagte der Mann.
Die zwei Kinder hatten vor Hunger auch nicht einschlafen können und hatten gehört, was die Stiefmutter zum Vater gesagt hatte. Gretel weinte bittere Tränen und sprach zu Hänsel: “Nun ist’s um uns geschehen[82 - es ist um etw.(A)geschehen – пропасть].” – “Still, Gretel,” sprach Hänsel, “gräme dich nicht, ich will uns schon helfen.” Und als die Alten eingeschlafen waren, stand er auf, zog sein Röcklein an, machte die Untertüre auf und schlich sich hinaus. Da schien der Mond ganz hell, und die weißen Kieselsteine, die vor dem Haus lagen, glänzten wie lauter Batzen. Hänsel bückte sich und steckte so viele in sein Rocktäschlein, als nur hinein wollten. Dann ging er wieder zurück, sprach zu Gretel: “Sei getrost, liebes Schwesterchen, und schlaf nur ruhig ein, Gott wird uns nicht verlassen,” und legte sich wieder in sein Bett.
Als der Tag anbrach, noch ehe die Sonne aufgegangen war, kam schon die Frau und weckte die beiden Kinder: “Steht auf, ihr Faulenzer, wir wollen in den Wald gehen und Holz holen.” Dann gab sie jedem ein Stückchen Brot und sprach: “Da habt ihr etwas für den Mittag, aber esst’s nicht vorher auf, weiter kriegt ihr nichts.” Gretel nahm das Brot unter die Schürze, weil Hänsel die Steine in der Tasche hatte. Danach machten sie sich alle zusammen auf den Weg nach dem Wald. Als sie ein Weilchen gingen, stand Hänsel still und guckte nach dem Haus zurück und tat das wieder und immer wieder. Der Vater sprach: “Hänsel, was guckst du da und bleibst zurück, hab acht und vergiss deine Beine nicht!“ – “Ach, Vater,” sagte Hänsel, “ich sehe nach meinem weißen Kätzchen, das sitzt oben auf dem Dach und will mir Ade sagen.” Die Frau sprach: “Narr, das ist dein Kätzchen nicht, das ist die Morgensonne, die auf den Schornstein scheint.” Hänsel aber hatte nicht nach dem Kätzchen gesehen, sondern immer einen von den blanken Kieselsteinen aus seiner Tasche auf den Weg geworfen.
Als sie mitten in den Wald gekommen waren, sprach der Vater: “Nun sammelt Holz, ihr Kinder, ich will ein Feuer anmachen, damit ihr nicht friert.” Hänsel und Gretel trugen Reisig zusammen, einen kleinen Berg hoch. Das Reisig ward angezündet, und als die Flamme recht hoch brannte, sagte die Frau: “Nun legt euch ans Feuer, ihr Kinder, und ruht euch aus, wir gehen in den Wald und hauen Holz. Wenn wir fertig sind, kommen wir wieder und holen euch ab.”
Hänsel und Gretel saßen um das Feuer, und als der Mittag kam, aß jedes sein Stücklein Brot. Und weil sie die Schläge der Holzaxt hörten, so glaubten sie, ihr Vater wär’ in der Nähe. Es war aber nicht die Holzaxt, es war ein Ast, den er an einen dürren Baum gebunden hatte und den der Wind hin und her schlug. Und als sie so lange gesessen hatten, fielen ihnen die Augen vor Müdigkeit zu, und sie schliefen fest ein. Als sie endlich erwachten, war es schon finstere Nacht. Gretel fing an zu weinen und sprach: “Wie sollen wir nun aus dem Wald kommen?” Hänsel aber tröstete sie: “Wart nur ein Weilchen, bis der Mond aufgegangen ist, dann wollen wir den Weg schon finden.” Und als der volle Mond aufgestiegen war, so nahm Hänsel sein Schwesterchern an der Hand und ging den Kieselsteinen nach, die schimmerten wie neugeschlagene Batzen und zeigten ihnen den Weg. Sie gingen die ganze Nacht hindurch und kamen bei anbrechendem Tag wieder zu ihres Vaters Haus. Sie klopften an die Tür, und als die Frau aufmachte und sah, dass es Hänsel und Gretel waren, sprach sie: “Ihr bösen Kinder, was habt ihr so lange im Walde geschlafen, wir haben geglaubt, ihr wollet gar nicht wiederkommen.” Der Vater aber freute sich, denn es war ihm zu Herzen gegangen, dass er sie so allein zurückgelassen hatte.
Nicht lange danach war wieder Not in allen Ecken, und die Kinder hörten, wie die Mutter nachts im Bette zu dem Vater sprach: “Alles ist wieder aufgezehrt, wir haben noch einen halben Laib Brot, hernach hat das Lied ein Ende. Die Kinder müssen fort, wir wollen sie tiefer in den Wald hineinführen, damit sie den Weg nicht wieder herausfinden; es ist sonst keine Rettung für uns.” Dem Mann fiel’s schwer aufs Herz, und er dachte: Es wäre besser, dass du den letzten Bissen mit deinen Kindern teiltest. Aber die Frau hörte auf nichts, was er sagte, schalt ihn und machte ihm Vorwürfe. Wer A sagt, muss B sagen, und weil er das erstemal nachgegeben hatte, so musste er es auch zum zweitenmal.
Die Kinder waren aber noch wach gewesen und hatten das Gespräch mitangehört. Als die Alten schliefen, stand Hänsel wieder auf, wollte hinaus und die Kieselsteine auflesen, wie das vorigemal; aber die Frau hatte die Tür verschlossen, und Hänsel konnte nicht heraus. Aber er tröstete sein Schwesterchen und sprach: “Weine nicht, Gretel, und schlaf nur ruhig, der liebe Gott wird uns schon helfen.”
Am frühen Morgen kam die Frau und holte die Kinder aus dem Bette. Sie erhielten ihr Stückchen Brot, das war aber noch kleiner als das vorigemal. Auf dem Wege nach dem Wald bröckelte es Hänsel in der Tasche, stand oft still und warf ein Bröcklein auf die Erde. “Hänsel, was stehst du und guckst dich um?” sagte der Vater, “geh deiner Wege!“ – “Ich sehe nach meinem Täubchen, das sitzt auf dem Dache und will mir Ade sagen,” antwortete Hänsel. “Narr,” sagte die Frau, “das ist dein Täubchen nicht, das ist die Morgensonne, die auf den Schornstein oben scheint.” Hänsel aber warf nach und nach alle Bröcklein auf den Weg.
Die Frau führte die Kinder noch tiefer in den Wald, wo sie ihr Lebtag noch nicht gewesen waren. Da ward wieder ein großes Feuer angemacht, und die Mutter sagte: “Bleibt nur da sitzen, ihr Kinder, und wenn ihr müde seid, könnt ihr ein wenig schlafen. Wir gehen in den Wald und hauen Holz, und abends, wenn wir fertig sind, kommen wir und holen euch ab.” Als es Mittag war, teilte Gretel ihr Brot mit Hänsel, der sein Stück auf den Weg gestreut hatte. Dann schliefen sie ein, und der Abend verging; aber niemand kam zu den armen Kindern. Sie erwachten erst in der finstern Nacht, und Hänsel tröstete sein Schwesterchen und sagte: “Wart nur, Gretel, bis der Mond aufgeht, dann werden wir die Brotbröcklein sehen, die ich ausgestreut habe, die zeigen uns den Weg nach Haus.” Als der Mond kam, machten sie sich auf, aber sie fanden kein Bröcklein mehr, denn die viel tausend Vögel, die im Walde und im Felde umherfliegen, die hatten sie weggepickt. Hänsel sagte zu Gretel: “Wir werden den Weg schon finden.” Aber sie fanden ihn nicht. Sie gingen die ganze Nacht und noch einen Tag von Morgen bis Abend, aber sie kamen aus dem Wald nicht heraus und waren so hungrig, denn sie hatten nichts als die paar Beeren, die auf der Erde standen. Und weil sie so müde waren, dass die Beine sie nicht mehr tragen wollten, so legten sie sich unter einen Baum und schliefen ein.
Nun war’s schon der dritte Morgen, dass sie ihres Vaters Haus verlassen hatten. Sie fingen wieder an zu gehen, aber sie gerieten immer tiefer in den Wald, und wenn nicht bald Hilfe kam, mussten sie verschmachten. Als es Mittag war, sahen sie ein schönes, schneeweißes Vögelein auf einem Ast sitzen. Das sang so schön, dass sie stehen blieben und ihm zuhörten. Und als es fertig war, schwang es seine Flügel und flog vor ihnen her. Sie gingen ihm nach, bis sie zu einem Häuschen gelangten, auf dessen Dach es sich setzte. Als sie ganz nahe herankamen, so sahen sie, dass das Häuslein aus Brot gebaut war und mit Kuchen gedeckt; aber die Fenster waren von hellem Zucker. “Da wollen wir uns dranmachen,” sprach Hänsel, “und eine gesegnete Mahlzeit halten. Ich will ein Stück vom Dach essen, Gretel, du kannst vom Fenster essen, das schmeckt süß.” Hänsel reichte in die Höhe und brach sich ein wenig vom Dach ab, um zu versuchen, wie es schmeckte. Und Gretel stellte sich an die Scheiben und knupperte daran. Da rief eine feine Stimme aus der Stube heraus:
“Knupper, knupper, Kneischen,
Wer knuppert an meinem Häuschen?”
Die Kinder antworteten:
“Der Wind, der Wind,
Das himmlische Kind,”
und aßen weiter, ohne sich irre machen zu lassen. Hänsel, dem das Dach sehr gut schmeckte, riss sich ein großes Stück davon herunter, und Gretel stieß eine ganze runde Fensterscheibe heraus, setzte sich nieder und tat sich wohl damit.
Da ging auf einmal die Türe auf, und eine steinalte Frau, die sich auf eine Krücke stützte, schlich heraus. Hänsel und Gretel erschraken so gewaltig, dass sie fallen ließen, was sie in den Händen hielten. Die Alte aber wackelte mit dem Kopfe und sprach: “Ei, ihr lieben Kinder, wer hat euch hierher gebracht? Kommt nur herein und bleibt bei mir, es geschieht euch kein Leid.” Sie fasste beide an der Hand und führte sie in ihr Häuschen. Da ward ein gutes Essen aufgetragen, Milch und Pfannkuchen mit Zucker, Äpfel und Nüsse. Hernach wurden zwei schöne Bettlein weiß gedeckt, und Hänsel und Gretel legten sich hinein und meinten, sie wären im Himmel.
Die Alte hatte sich nur freundlich angestellt, sie war aber eine böse Hexe, die den Kindern auflauerte, und hatte das Brothäuslein bloß gebaut, um sie herbeizulocken. Wenn eins in ihre Gewalt kam, so machte sie es tot, kochte es und aß es, und das war ihr ein Festtag. Die Hexen haben rote Augen und können nicht weit sehen, aber sie haben eine feine Witterung wie die Tiere und merken’s, wenn Menschen herankommen. Als Hänsel und Gretel in ihre Nähe kamen, da lachte sie boshaft und sprach höhnisch: “Die habe ich, die sollen mir nicht wieder entwischen!”
Früh morgens, ehe die Kinder erwacht waren, stand sie schon auf, und als sie beide so lieblich ruhen sah, mit den vollen roten Backen, so murmelte sie vor sich hin[83 - vor sich hin – (говорить и т. д) себе под нос; про себя, себе]: “Das wird ein guter Bissen werden.” Da packte sie Hänsel mit ihrer dürren Hand und trug ihn in einen kleinen Stall und sperrte ihn mit einer Gittertüre ein. Er mochte schrein, wie er wollte, es half ihm nichts. Dann ging sie zur Gretel, rüttelte sie wach und rief: “Steh auf, Faulenzerin, trag Wasser und koch deinem Bruder etwas Gutes, der sitzt draußen im Stall und soll fett werden. Wenn er fett ist, so will ich ihn essen.” Gretel fing an bitterlich zu weinen; aber es war alles vergeblich, sie musste tun, was die böse Hexe verlangte.
Nun ward dem armen Hänsel das beste Essen gekocht, aber Gretel bekam nichts als Krebsschalen. Jeden Morgen schlich die Alte zu dem Ställchen und rief: “Hänsel, streck deine Finger heraus, damit ich fühle, ob du bald fett bist.” Hänsel streckte ihr aber ein Knöchlein heraus, und die Alte, die trübe Augen hatte, konnte es nicht sehen und meinte, es wären Hänsels Finger, und verwunderte sich, dass er gar nicht fett werden wollte. Als vier Wochen herum waren und Hänsel immer mager blieb, da überkam sie die Ungeduld, und sie wollte nicht länger warten. “Heda, Gretel,” rief sie dem Mädchen zu, “sei flink und trag Wasser! Hänsel mag fett oder mager sein, morgen will ich ihn schlachten und kochen.” Ach, wie jammerte das arme Schwesterchen, als es das Wasser tragen musste, und wie flossen ihm die Tränen über die Backen herunter! “Lieber Gott, hilf uns doch,” rief sie aus, “hätten uns nur die wilden Tiere im Wald gefressen, so wären wir doch zusammen gestorben!“ – “Spar[84 - spar – оставь, брось, прекрати] nur dein Geplärre,” sagte die Alte, “es hilft dir alles nichts.”
Frühmorgens musste Gretel heraus, den Kessel mit Wasser aufhängen und Feuer anzünden. “Erst wollen wir backen,” sagte die Alte, “ich habe den Backofen schon eingeheizt und den Teig geknetet.” Sie stieß das arme Gretel hinaus zu dem Backofen, aus dem die Feuerflammen schon herausschlugen. “Kriech hinein,” sagte die Hexe, “und sieh zu, ob recht eingeheizt ist, damit wir das Brot hineinschieben können.” Und wenn Gretel darin war, wollte sie den Ofen zumachen und Gretel sollte darin braten, und dann wollte sie‘s aufessen. Aber Gretel merkte, was sie im Sinn hatte, und sprach: “Ich weiß nicht, wie ich‘s machen soll; wie komm ich da hinein?” – “Dumme Gans[85 - blöde [dumme] Gans – бран. дура],” sagte die Alte, “die Öffnung ist groß genug, siehst du wohl, ich könnte selbst hinein,” krabbelte heran und steckte den Kopf in den Backofen. Da gab ihr Gretel einen Stoß, dass sie weit hineinfuhr, machte die eiserne Tür zu und schob den Riegel vor. Hu! Da fing sie an zu heulen, ganz grauselich; aber Gretel lief fort, und die gottlose Hexe musste elendiglich verbrennen.
Gretel aber lief schnurstracks zum Hänsel, öffnete sein Ställchen und rief: “Hänsel, wir sind erlöst, die alte Hexe ist tot.” Da sprang Hänsel heraus wie ein Vogel aus dem Käfig, wenn ihm die Türe aufgemacht wird. Wie haben sie sich gefreut, sind sich um den Hals gefallen, sind herumgesprungen und haben sich geküsst! Und weil sie sich nicht mehr zu fürchten brauchten, so gingen sie in das Haus der Hexe hinein. Da standen in allen Ecken Kasten mit Perlen und Edelsteinen. “Die sind noch besser als Kieselsteine,” sagte Hänsel und steckte in seine Taschen, was hinein wollte. Und Gretel sagte: “Ich will auch etwas mit nach Haus bringen,” und füllte sein Schürzchen voll. “Aber jetzt wollen wir fort,” sagte Hänsel, “damit wir aus dem Hexenwald herauskommen.” Als sie aber ein paar Stunden gegangen waren, gelangten sie an ein großes Wasser. “Wir können nicht hinüber,” sprach Hänsel, “ich seh keinen Steg und keine Brücke.” – “Hier fährt auch kein Schiffchen,” antwortete Gretel, “aber da schwimmt eine weiße Ente, wenn ich die bitte, so hilft sie uns hinüber.”
Da rief sie:
“Entchen, Entchen,
Da steht Gretel und Hänsel.
Kein Steg und keine Brücke,
Nimm uns auf deinen weißen Rücken.”
Das Entchen kam auch heran, und Hänsel setzte sich auf und bat sein Schwesterchen, sich zu ihm zu setzen. “Nein,” antwortete Gretel, “es wird dem Entchen zu schwer, es soll uns nacheinander hinüberbringen.” Das tat das gute Tierchen, und als sie glücklich drüben waren und ein Weilchen fortgingen, da kam ihnen der Wald immer bekannter und immer bekannter vor, und endlich erblickten sie von weitem ihres Vaters Haus. Da fingen sie an zu laufen, stürzten in die Stube hinein und fielen ihrem Vater um den Hals. Der Mann hatte keine frohe Stunde gehabt, seitdem er die Kinder im Walde gelassen hatte, die Frau aber war gestorben. Gretel schüttelte sein Schürzchen aus, dass die Perlen und Edelsteine in der Stube herumsprangen, und Hänsel warf eine Handvoll nach der andern aus seiner Tasche dazu. Da hatten alle Sorgen ein Ende, und sie lebten in lauter Freude zusammen.
Mein Märchen ist aus[86 - aus sein – закончиться, подойти к концу],
dort läuft eine Maus,
wer sie fängt, darf sich machen
eine große Pelzkappe daraus.
Die Sterntaler
Es war einmal ein kleines Mädchen, seine Eltern waren gestorben[87 - waren gestorben – умерли (временна́я форма плюсквамперфект – предпрошедшее время, выражает предшествование по отношению к некоторой ситуации в прошлом)], und es war so arm, dass es kein Kämmerchen[88 - Kämmerchen – комнатушка (уменьшительная форма от Kammer)] mehr hatte zu wohnen und kein Bettchen[89 - Bettchen – кроватка (уменьшительная форма от Bett)] mehr zu schlafen und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte[90 - geschenkt hatte – подарил (временна́я форма плюсквамперфект – предпрошедшее время, выражает предшествование по отношению к некоторой ситуации в прошлом)]. Es war aber gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen[91 - von aller Welt verlassen – покинута всем миром] war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott[92 - im Vertrauen auf den lieben Gott – с верой в дорогого Бога] hinaus ins Feld. Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach „ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so hungrig.“ Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte „Gott segne dir‘s“[93 - „Gott segne dir’s“ – да благославит Бог] und ging weiter. Da kam ein Kind das jammerte und sprach „es friert mich so an meinem Kopf[94 - es friert mich so an meinem Kopf – у меня так сильно мёрзнет голова]
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notes
Примечания
1
Глагольная форма сhatte – это предпрошедшее время: глагол в такой форме выражает действие, совершенное прежде другого действия, названного глаголом в простом прошедшем времени.
2
zu Ende gehen – заканчиваться
3
(etwas) im Sinn haben – замышлять; задумать; планировать
4
sich auf den Weg machen – отправиться в путь
5
ja – ведь, же; даже
6
ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter – с кислой миной; унылый, мрачный, с вытянутой физиономией
7
in die Quere kommen – (c)путать планы; разг. перебежать кому-то дорожку
8
es geht j-m an den Kragen – (тебя) схватили за горло; чьи-л. дела плохи, кому-л. крышка
9
Da ist guter Rat teuer – Положение затруднительное. Хороший совет дорогого стоит.
10
Wo soll ich jetzt hin? – Куда мне теперь податься?
11
für gut halten – счесть за благо; посчитать что-либо хорошеей идеей
12
durch Mark und Bein – до мозга костей
13
aus vollem Hals – разг. во всю глотку, громко, во все горло
14
Ei was – ну нет! ну что ты!
15
sein müsse – должен быть (форма сослагательного наклонения от müssen)
16
daran – зд.: к тому, в придачу, в добавок
17
gut tun – приносить пользу, пойти на пользу
18
hellerleuchtet – ярко освещенный
19
es sich gut gehen lassen – хорошо проводить время; доставить себе удовольствие; роскошествовать, ни в чем себе не отказывать; кутить (на широкую ногу)
20
es wäre etwas – было бы неплохо, недурно
21
es anfangen – с чего начать
22
auf ein Zeichen – по сигналу, по команде
23
in die Höhe fahren – вскакивать, подскочить
24
nach Herzenslust – по душе, кому что угодно
25
sich ins Bockshorn jagen lassen – разг. трусить
26
keinen Spaß verstehen – не уметь шутить; не понимать шуток; быть серьезно настроенным
27
was er konnte – что мог, изо всех сил
28
einmal – однажды
29
es traf sich – (так) случилось
30
Ansehen geben – произвести впечатление
31
auf die Probe stellen – подвергать испытанию
32
ward (устар.) = wurde; gebracht wurde – была приведена, ее привели
33
sich machen – взяться, приниматься; mache dich – берись, принимайся (за дело)
34
wenn ihr das Leben lieb wäre – (если) жизнь была ей мила (сослагательное наклонение)
35
wusste sich nicht zu helfen – не знала, как себя выручить; не умела себе помочь
36
dir’s =dir das
37
Wenn es auch – даже если, даже хотя, пусть [она] и…
38
bis dahin – до тех пор, к этому времени
39
weit und breit – везде и всюду; на каждом углу
40
was es sonst noch für Namen gäbe – какие ещё есть имена (косвен. речь)
41
nach der Reihe – по порядку
42
kein einzig – ни единого, ни одного
43
könnt ihr denken – можете себе представить
44
hineinfahren – зд. войти в, уйти в
45
eh (диалект.) = ehe
46
in aller Eile – второпях, в спешке, спешно
47
Gnade für Recht ergehen lassen – сменить гнев на милость, помиловать
48
(wenn) es sich so verhält… – Если это так…
49
allein – но, однако; только, исключительно; одно
50
Es soll ihm gut gehen – ему это пойдет на пользу; принесет благо
51
stellte sie sich hin – она вставала под ним
52
trug es sich zu – случилось
53
sich (D) die Zeit vertreiben – разг. коротать время
54
das Leben brachte er davon – жизнь он при этом сохранил
55
fiel ihm um den Hals – броилась ему на шею; прижалась к его груди
56
so – auch (чащеwie – auch) – как (бы) … ни
57
von ungefähr – случайно
58
sei – форма конъюнктива от sein; передает косвенную речь персонажей
59
она посчитала себя ответственной; Sich kein Gewissen aus etwas machen – не колебеться, не сомневаться, не стесняться сделать что-либо; (с) делать что-л. не задумываясь /не колеблясь, без колебаний.
60
es koste was das wolle – чего бы это не стоило
61
Vor Zeiten – в прежние (давние) времена
62
sich nicht zu lassen wusste – не мог успокоиться, придти в себя
63
ließ den Befehl ausgehen – велел издать указ
64
Spott mit j-m / etw. (D) treiben* – насмехаться над кем-л. / чем-л.
65
rot wie ein Zinshahn – идиома: красный, как петух
66
sich über j-m (A) lustig machen – потешаться [смеяться, насмехаться] над кем-л. / чем-л.
67
hub an – начал (устар. форма от anhauen; современ. hieb an)
68
milde Gaben erbetteln – выпрашивать милостыню
69
es schickt sich – это удобно; пристало
70
Hand anlegen – приложить руку (к чему-л.), принять участие
71
alle Vorräte aufzehren – съесть все запасы
72
j-n hart ankommen – тяжело даваться
73
feil halten – предлагать на продажу
74
wie wird mir’s ergehen! – что со мной будет!
75
zur Hand gehen – служить
76
die sauerste Arbeit – самая черная, тяжелая и грязная работа
77
mit betrübtem Herzen – с тяжелым сердцем
78
sie sich lieber tausend Klafter unter die Erde gewünscht hätte – она бы хотела провалиться сквозь землю
79
Dir zur Liebe – из(-за) любви к тебе
80
nichts zu beißen (und zu brechen) haben – не иметь куска хлеба
81
es nicht übers Herz bringen*, etw.(А)zu tun – быть не в состоянии сделать что-л.
82
es ist um etw.(A)geschehen – пропасть
83
vor sich hin – (говорить и т. д) себе под нос; про себя, себе
84
spar – оставь, брось, прекрати
85
blöde [dumme] Gans – бран. дура
86
aus sein – закончиться, подойти к концу
87
waren gestorben – умерли (временна́я форма плюсквамперфект – предпрошедшее время, выражает предшествование по отношению к некоторой ситуации в прошлом)
88
Kämmerchen – комнатушка (уменьшительная форма от Kammer)
89
Bettchen – кроватка (уменьшительная форма от Bett)
90
geschenkt hatte – подарил (временна́я форма плюсквамперфект – предпрошедшее время, выражает предшествование по отношению к некоторой ситуации в прошлом)
91
von aller Welt verlassen – покинута всем миром
92
im Vertrauen auf den lieben Gott – с верой в дорогого Бога
93
„Gott segne dir’s“ – да благославит Бог
94
es friert mich so an meinem Kopf – у меня так сильно мёрзнет голова